Bunt wohnen in Palma
Von Rot und Grün bis Blau und Weiß: MVRDV und GRAS verpassen Palma de Mallorcas Stadtteil El Terreno einen Frischekick. Denn ihr Project Gomila schafft sieben farbenfrohe Gebäude, die das ehemalige Trendviertel als nachhaltige, grüne Wohnzone wiederbeleben sollen.
Das einst bei Künstlern und Literaten aus aller Welt beliebte historische Viertel El Terreno unterhalb von Palma de Mallorcas Wahrzeichen, dem Castell de Bellver, hat bessere Zeiten gesehen. Längst fordern Anwohner Investitionen, die Verbesserungen bringen. Genau dies soll nun etwa das von den Büros MVRDV und GRAS Reynés Arquitectos entworfene, farbenfrohe und nachhaltige Project Gomila leisten.
El Terreno erstreckt sich um die Plaza Gomila in der Nähe des Hafens und war in den 1960er und 1970er Jahren neben seiner Schönheit auch für sein Nachtleben berühmt. In seinen Clubs gaben sich legendäre Musiker wie Jimi Hendrix, Ray Charles oder Tom Jones die Ehre. Inzwischen verunzieren lieblose Wohnklötze die mancherorts fast karibisch anmutenden Gassen. Und viele der prächtigen alten Villen dämmern verlassen vor sich hin, während die Plaza als Hotspot feiernder Teenager gilt.
Kreative Erneuerung
Nach langen Jahren der Vernachlässigung und des Verfalls schöpft man vor Ort jetzt Hoffnung: Die Familie Fluxà, Eigentümer der mallorquinischen Schuhmarke „Camper“, erwarb eine Reihe angrenzender Grundstücke rund um die Plaza. Und man initiierte einen Erneuerungsplan, der die „Camper“-Philosophie widerspiegelt, Erbe mit Innovation und Kreativität zu verbinden.
Schon bis Herbst 2023 soll das 2018 gestartete Project Gomila in voller Pracht glänzen. Und es geht tatsächlich flott voran. Der Bau der ersten fünf Teile des ambitionierten Vorhabens ist bereits abgeschlossen. MVRDV und GRAS Reynés Arquitectos haben es als Ansammlung von Gebäuden gestaltet, von denen jedes seinen eigenen Charakter hat. Dieser ergibt sich aus den jeweils verwendeten Farben, den Materialien und unterschiedlichen Dachlinien.
Hoffnungsträger Project Gomila
Mit insgesamt 60 neuen Wohnungen verschiedener Größe und Art sowie neuen Gewerbeflächen ist Project Gomila bereits nach seiner ersten Phase auf dem besten Weg, El Terreno eine bessere Zukunft als lebendiges, grünes Wohnviertel zu bescheren. Mit spannenden Neubauten, aber auch achtsam renoviertem Bestand.
Zu den fünf mittlerweile fertiggestellten Teilen zählt das Gomila Center, das das Herzstück des Viertels bildet. Dieses weiße Gebäude wurde nach einem Entwurf des mallorquinischen Architekten Pere Nicolau aus dem Jahr 1979 renoviert. Um den großzügigen Innenhof im Erdgeschoss gruppieren sich ein Restaurant, Büroräume und Wohnungen in einer Reihe von Terrassen und Balkonen.
Leuchtender Blickfang in Rot
Direkt nebenan befinden sich die als Las Casitas bekannten, roten Stadthäuser (siehe auch Beitragsbild). Sie werden von einer Landschaft aus Dachterrassen gekrönt, die den Nachbarn Platz für Kommunikation und geselliges Zusammensein bieten.
Project Gomila schafft einen neuen Mittelpunkt in Palma. Einen neuen Treff- und Bezugspunkt, nicht nur für die Bewohner des Viertels, sondern für alle Bürger.
Guillermo Reynés, Gründer des Architekturbüros GRAS Reynés Arquitectos
Auf der anderen Seite des weißen Herzstücks des Project Gomila, an einer markanten Straßenecke, zieht ein weiteres buntes Highlight alle Augen auf sich: Die Reihenhäuser Las Fabri-Casas, die sich durch ihre außergewöhnlich „gezahnten“ Dächer und blauen Keramikfassaden klar vom Umfeld abheben.
Luxus mit Dach-Pool
Hinter diesem blauen Schmuckstück des Project Gomila verbirgt sich ein CO2-emissionsarmes Wohngebäude aus gepressten Lehmblöcken, das mit einem Gemeinschaftspool auf dem Dach aufwartet. Von dort aus kann man einen freien Blick aufs nahe Castell de Bellver genießen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, an der Plaza Gomila, liegt das grüne La Plaza. In diesem umgebauten Bestandsgebäude wartet die zu neuem Leben erweckte, historische Bar Bellver auf Gäste. Außerdem beherbergt das Haus Büros und lockt mit einer gemeinschaftlichen Dachterrasse mit Blick auf die Bucht und die Kathedrale.
Im Fokus: Nachhaltigkeit
Die Bauten des Project Gomila sind energieneutral und nutzen viele der für den Passivhaus-Standard entwickelten Prinzipien. Dazu zählen unter anderem hohe thermische Effizienz und passive Klimatisierungsmaßnahmen wie Rollläden und Querlüftung zur Senkung des Energiebedarfs.
Um die vielen Sonnenstunden Mallorcas zu nutzen, sind auf den Dächern Sonnenkollektoren angebracht, während Wärmerückgewinnungssysteme den Energieverbrauch zusätzlich senken. Viele der eingesetzten Materialien wurden aus der Region bezogen, um durch den Bau verursachte CO2-Emissionen zu reduzieren.
„Project Gomila ist ein spannendes architektonisches Projekt. Jedes der sieben Gebäude kann für sich alleine stehen. Gleichzeitig sind sie jedoch auch als Ensemble sorgfältig durchdacht“, beschreibt MVRDV-Gründungspartner Jacob van Rijs.
Neues Leben für El Terreno
Architekt und ebenfalls MVRDV-Gründungspartner Winy Maas erklärt Strategie und Ziel des Teams so: „Städtebaulich dreht sich das Konzept um die Vielfalt der Gebäude. Einige der Entwürfe eignen sich eher für Familienhäuser, andere eher für Wohnungen für Singles oder Paare. Einige Gebäude sind reine Wohngebäude, andere bringen kommerzielle Funktionen in den Mix ein. Diese Vielfalt wird dazu beitragen, El Terrenos verlorene Lebendigkeit wiederherzustellen.“
In den nächsten Phasen wird das Project Gomila Ensemble um zwei weitere Teile ergänzt. Und zwar durch Renovierung der gelben Casa Virginia und einer kleinen Villa neben dem Gomila Center. Einschließlich aller Gemeinschaftsräume und -einrichtungen umfasst das für Doakid & Forch Med ausgeführte Vorhaben mit seinen Wohn- und Gewerbeflächen 15.000 Quadratmeter.
Zurück zur guten Zeit mit Project Gomila
GRAS Gründer Guillermo Reynés sieht das bunte Projekt als Gewinn für die ganze Stadt: „Es schafft einen neuen Mittelpunkt in Palma. Einen neuen Treff- und Bezugspunkt, nicht nur für die Bewohner des Viertels, sondern für alle Bürger“. Project Gomila sei sehr gut angenommen worden. Nicht zuletzt, weil es gute Erinnerungen der Palmesanos an die besseren Zeiten des Stadtviertels wecke.
Dass sich viele Mallorquiner nach einem Comeback ihrer Traditionen sehnen, zeigt sich auch bei anderen Investitionen in die Wiederbelebung typischer Architektur. So etwa in Form der schönen Villa „Casa Fly“, die der alten lokalen Baukunst klimafreundlich Respekt zollt. Oder – ebenso klein, aber fein – im Öko-Hotel „Son Fogueró“, für das ein Familienbetrieb aus der Jahrhundertwende liebevoll restauriert wurde. Ein Trend, der wohl auch jenen Gästen Freude macht, die das beliebte Tourismusziel nicht zwecks „Ballermann“-Partyrummel, sondern der ursprünglichen Schönheit Mallorcas wegen bereisen.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Daria Scagliola, Jannes Linders / MVRDV & GRAS