Wohnen in einer Laterne
Ein Haus, das an eine Laterne erinnert? Mit dem Pott House im indischen Hyderabad hat das Architekturstudio Kiron Cheerla genau das möglich gemacht. Und damit buchstäblich einen neuen Stern am indischen Architekturhimmel geschaffen.
Licht in der Wohnung – am besten natürliches – ist für Viele ein essenzieller Bestandteil der eigenen vier Wände. Mehr noch als Einrichtungs- und Dekorationsgegenstände tragen die Lichtverhältnisse maßgeblich zum Wohnklima bei. Schließlich sollen helle, lichtdurchflutete Innenräume nicht nur größer erscheinen, sondern sich auch positiv aufs Gemüt der Bewohner auswirken. Dunkle Räume hingegen genießen einen vergleichsweise schlechten Ruf.
Dass dieser manchmal gar nicht gerechtfertigt ist, beweist Kiron Cheerla, Gründer des gleichnamigen Architekturstudios, im indischen Hyderabad. Mit dem Pott House, das seit seiner Errichtung bereits des Öfteren mit einer Laterne verglichen wird, demonstriert Cheerla, welches Potential sich hinter sparsam kuratiertem Lichteinfall und schummriger Gemütlichkeit verbirgt. Eingetaucht in eine beruhigende, fast mystisch wirkende Atmosphäre, bestätigt das Pott House einmal mehr die Regeln des guten Geschmacks, nämlich dass weniger (Licht) auch mehr sein kann.
Blickfang des Pott House ist zweifellos sein Giebeldach aus gewelltem Aluminium, auf dem eine zusätzliche Dachkonstruktion mit Obergadenfenstern zu beiden Seiten thront. Damit werden sowohl die Beleuchtung als auch die Belüftung des Hauses reguliert.
Dach aus Glas
Über einen Seilmechanismus lassen sich die Fenster von Innen um etwa 30 Grad kippen. Der dabei entstehende Kamineffekt sorgt für eine effiziente Luftzirkulation. Der Vergleich mit einer Laterne rührt unter anderem genau daher – nämlich, dass die Fenstergaden am Dach untertags das einstrahlende Sonnenlicht auffangen, während nachts der Schein der Lampen durch die Fenster dringt.
Gestützt wird das auffällige Dach von einem nicht weniger markanten Fachwerksgerüst, dessen nach innen freiliegende Balken dem Wohnraum einen eindrucksvollen Charakter verleihen. Abgerundet wird das Projekt von unverputzten Ziegelwänden sowie hohen Backsteinmauern, die das Grundstück im wahrsten Sinne umrahmen.
Bei den verwendeten Materialien dominiert Holz. Abgesehen von einem Untergerüst aus Stahl wollte Kiron Cheerla auf andere Materialien weitestgehend verzichten. Ausschlaggebend war dabei der Wunsch des Kunden nach einer nachhaltigen sowie kostengünstigen Lösung. Die Entscheidung, über dem Bodenniveau auf Stahl zu verzichten, brachte von Beginn an wesentliche Auswirkungen mit sich. Das darum eingesetzte modulare Rastersystem übernimmt somit – nicht nur metaphorisch – eine tragende Rolle.
Fokus auf Holz
Um die Konstruktion ausreichend zu stützen und optimale Stabilität zu gewährleisten kam das in der Region um Hyderabad häufig vorkommende Maddi Holz zum Einsatz. Dieses zeichnet sich vor allem durch seine hohe Dichte und, in diesen Breiten nicht irrelevant, Termitenresistenz aus, weshalb sich das Holz als zuverlässiges Baumaterial eignet. Die Entscheidung für eine Holzbauweise brachte maßgebliche strukturelle und gestalterische Konsequenzen mit sich. Angefangen von der Raumgröße und -aufteilung bis hin zur Gesamtästhetik wurde das ganze Konzept davon beeinflusst.
Sanftes Licht
Herzstück im Innenraum ist das Wohnzimmer mit doppelter Raumhöhe im Erdgeschoss. Als Zentrum des Hauses wird es zu beiden Seiten jeweils von der Küche und einem Schlafzimmer flankiert. Gelegen direkt unter dem verglasten Dachgiebel taucht das von oben einfallende Sonnenlicht die freiliegenden Holzbalken und den Raum in eine friedliche, beinahe sakrale Atmosphäre. Das obere Geschoss besteht derzeit aus zwei weiteren Schlafzimmern und einer Galerie – kann jedoch dank des modularen Aufbaus auch in Zukunft erweitert und ausgebaut werden. Insgesamt verteilen sich die Räumlichkeiten des Pott House auf rund 250 Quadratmeter.
Das Projekt wurde bei den indischen Kohler Design Awards 2024 für außergewöhnliches Design im Wohnbau ausgezeichnet. Auch hier gab es besonderes Lob für die lichtdurchlässige Dachkonstruktion und das Holzträgersystem. Somit kann das Pott House seither offiziell als eines der relevantesten zeitgenössischen Architekturprojekte Indiens bezeichnet werden – wobei es das in Wahrheit seit seiner Fertigstellung ohnehin stets war.
Text: Rabea Scheger
Bilder: Vivek Eadara