„Poetizer“: Poesie hat ein Büro in Prag. (Bild: BoysPlayNice)
#interior

Poesie hat ein Büro in Prag

Wer Lyrik mag, kennt es vermutlich schon: Das Start-Up „Poetizer“, das als größtes Netzwerk seiner Art gilt und online Millionen von Gedichten publiziert. Jetzt hat es ein Büro in Prag, das fein zum Thema passt. Geradezu mythisch, kreativ – und umweltfreundlich.

Was Architekt Tomáš Císař and Designerin Johana Sedláčková Vamberská für die Lyrik-Plattform gestaltet haben, wirkt selbst schon fast wie ein Gedicht. Die neuen Büroräume, in denen die Mitarbeiter des Start-Ups „Poetizer“ nun ihrer Arbeit nachgehen können, bieten auf sehr spezielle Art Inspiration.

Poetisches Design

Da gibt es etwa kleine, nur sanft beleuchtete Zimmer – wie geschaffen für Ideenfindung in aller Stille. Andere wieder laden hell und grün zu gemeinsamer Kreativität ein. All dies im vierten Stock eines Bauwerks aus der Zeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik (1980 bis 1938). Und mitten im Zentrum von Prag, in der geschichtsträchtigen, pulsierenden Narodni-Straße.

Mit dem neuen Sitz des Start-Ups „Poetizer“ bekommt Poesie quasi ein eigenes Büro in Prag. (Bild: BoysPlayNice)

Mit dem neuen Sitz des Start-Ups „Poetizer“ bekommt Poesie quasi ein eigenes Büro in Prag. (Bild: BoysPlayNice)

Das 150 Quadratmeter große Büro könnte kaum besser zur „Poetizer“ Philosophie passen. Denn einerseits legt das Team des Start-Ups Wert auf Offenheit: Als größtes soziales Netzwerk seiner Art ermöglicht es jedem Nutzer, seine Werke zu veröffentlichen und feilzubieten. Publiziert wird die Gedichte-Flut in 120 Ländern rund um den Globus. Andererseits hat man sich Umweltschutz zum Ziel gesetzt. Ein Anliegen, das Císař und Sedláčková Vamberská in ihrer Arbeit nicht nur deutlich sichtbar machen. Sie verbinden es auch elegant mit Kunst und Poesie.

Poesie gedeiht im Indoor-Dschungel

Im Mittelpunkt der gestalterischen Geschichte, die das neue „Poetizer“ Büro nun erzählt, steht das Gewächshaus: Ein naturnaher Dschungel, wie ein mythisches Eden, schafft einen Bereich, der das Konzept des „wilden Denkens“ repräsentiert. Damit folgen die Architekten der Vernunftkritik des französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss, der intuitives, assoziatives Denken früher Kulturen mit dem reichen Ökosystem des Regenwaldes verglich und streng rationalem gegenüberstellte. Mit der Conclusio, dass die ursprüngliche Denkweise auch zeitgenössische Dichter beflügle.

Lebendiges Grün, in dem Ideen und Gedichte sprießen: Das Gewächshaus des „Poetizer“ Büros. (Bild: BoysPlayNice)
Lebendiges Grün, in dem Ideen und Gedichte sprießen: Das Gewächshaus des „Poetizer“ Büros.

Das im Herzen des „Poetizer“ Büros installierte Gewächshaus ist ein Ort für informelle Zusammenkünfte. Es bietet Raum für die Übertragung von Dichterlesungen, dient jedoch auch als Ort der Entspannung. Im Skelett des Gewächshauses wuchern 171 Pflanzen, die über 100 Arten zuzuordnen sind. Die Struktur dieses faszinierenden „Dschungels“ besteht aus Aluminium, die Bodenfliesen sind aus Akazienholz gefertigt. 

Kreative Inseln

Der Hauptraum beherbergt auch Einzelarbeitsplätze, die in zwei Inseln angeordnet sind. Sie sind speziell für die tägliche Arbeit und unmittelbare Kommunikation konzipiert. Und sie sind direkt mit der Küche und einem Balkon mit Blick auf die Narodni-Straße verbunden. Die zentrale „Erzählung“ des der Poesie gewidmeten Büros beginnt im Entrée, auf das zwei Besprechungszimmer und ein Konferenzraum folgen.

Küche für „Poetizer“ Mitarbeiter: Poesie hat ein Büro in Prag. (Bild: BoysPlayNice)
Balkon, Küche (oben) und Einrichtung …

„Poetizer“: Poesie hat ein Büro in Prag. (Bild: BoysPlayNice)
… des Poesie-Büros sorgen für Komfort.

Císař und Sedláčková Vamberská haben Farben und Materialien fürs Büro der Poesie gewählt, die den Zweck der Räume widerspiegeln. Das Weiß, das in den Bereichen für konzentrierte Arbeit dominiert, ist eine Metapher für das Papier, auf dem Gedichte geschrieben werden.

Gekonntes Spiel mit Farben

Dunkelgrün hingegen kennzeichnet jene Räume, die – online oder persönlich – für die Kommunikation vorgesehen sind. Und orangefarbene Akzente ziehen sich durch die gesamte Einrichtung und knüpfen damit an die Corporate Identity des Start-ups an.

Architekt Tomáš Císař and Designerin Johana Sedláčková Vamberská haben für „Poetizer“ ein Büro voll Poesie geschaffen. (Bild: BoysPlayNice)

Bei den Böden abseits des Gewächshauses entschieden sich die Gestalter für Keramikfliesen mit Terrazzo-Struktur und dunkelgraue, geknüpfte Teppiche. Auf teure Designstücke wurde verzichtet. Vermutlich auch aus Budgetgründen: Die Gesamtkosten der Neugestaltung werden mit 61.000 Euro beziffert. 

Schlicht & sparsam

Möbel und Beleuchtungskörper wurden etwa bei KARE, Schränke bei Lockers und Bürostühle bei LD Seating beschafft, die Küchentische bei IKEA. Fürs Gewächshaus holten die Architekten die Spezialisten des britischen Unternehmens Vitavia ins Boot. 

Das Entrée des „Poetizer“ Büros in Prag. (Bild: BoysPlayNice)
Das einladende Entrée des „Poetizer“ Büros in Prag.

Poesie hat ein Büro in Prag: Viel Licht und Grün dominieren in den Räumen für kommunikative Team-Arbeit. (Bild: BoysPlayNice)
Viel Licht und Grün für kommunikative Team-Arbeit.

Dass ein derart perfekt zum Kunden „Poetizer“ passender Arbeitsort entstand, ist wohl der gekoppelten Expertise des Designer-Teams zu danken. Johana Sedláčková Vamberská ist geschäftsführende Direktorin des Bildungs- und Beratungsunternehmens European Leadership & Academic Institute (ELAI). Spezialgebiete der Oxford-Absolventin sind Arbeitsplatzgestaltung und Büro-Interieur – unter anderem mit Fokus auf Verwendung natürlicher Elemente und Pflanzen zur Verbesserung des Wohlbefindens.

Top-Expertise fürs „Poetizer“ Büro

CisarStudio-Chef, Architekt und Stadtplaner Tomáš Císař verfügt nicht nur über Erfahrung mit internationalen Architektur- und Interior-Projekten. Sein gemeinsam mit Bildhauer David Černý gegründetes Büro Black n‘ Arch ist bekannt für Aufsehen erregende Werke, vor allem in Prag: Neben dem preisgekrönten „Cyber Dog“ und Plänen für den Umbau der Smichov Distillery zählt dazu auch der spektakuläre Entwurf für den „Top Tower“, an dessen Fassade ein riesiges Schiffs-Wrack emporragen soll.

Kleine, feine Wunderwelten: Die Räume des neuen Büros der Poesie in Prag. (Bild: BoysPlayNice)
Kleine, feine Wunderwelten: Die Räume des neuen Büros der Poesie in Prag.

Im Fall des „Poetizer“ Sitzes gelang Sedláčková Vamberská und Císař, der für seine Innenarchitektur im Black n‘ Arch Studio den Art of Space Award erhielt, ein faszinierendes Exempel: Ein Büro für eine Gedichte-Plattform, das selbst wie eine lyrische Komposition wirkt. Davon, dass es den Mitarbeitern des Start-Ups zusagt und ihre kreative Arbeit fördert, darf ausgegangen werden.

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: BoysPlayNice

Jetzt Newsletter Bestellen <>