Verkohltes Holz, perfekte Pizza
In der altehrwürdigen Linzer Tabakfabrik haben Sebastian Rossbach und Marco Barth ihre Pizzeria 22k eröffnet. Der Grundriss konnte aufgrund des Denkmalschutzes nicht verändert werden. Nach der Umgestaltung durch das Design-Studio destilat ist das 50-Quadratmeter-Lokal dennoch nicht wiederzuerkennen.
Vier Hauben hatten die „Rossbarth“-Chefs Marco Barth und Sebastian Rossbach schon. Vielen hätte das gereicht. Doch die Linzer Gastronomen reizte es, neben ihrem Fine-Dining-Tempel an der Klammstraße auch noch ein kleineres Lokal zu betreiben. Eines mit hoher Qualität zu niedrigeren Preisen, mit kleinerer Karte, aber großem Spaß. Als sich ihnen via „will haben“-Inserat die Chance bot, eine frei gewordene Gastronomiefläche im Haus Falk der altehrwürdigen Tabakfabrik am Peter-Behrens-Platz zu beziehen, schlugen sie jedenfalls zu. Schon nach wenigen Minuten Besichtigung stand für die beiden Kochkapazunder fest: „Das ist es.“
Bestens bewährt
Was das gastronomische Angebot sein sollte, war ebenfalls schnell klar. Pizza wollte man anbieten. Mit hochwertigen Zutaten, die ausschließlich aus Italien stammen – von geräuchertem Scamorza aus Kampanien bis hin zu Zwiebeln aus dem kalabrischen Tropea. Auf den ersten Blick (auf die Rossbarth-Karte) mag das verwundern. Doch alle, die dem Haus auch im Corona-Lockdown die Treue hielten, wissen: Als die Pandemie die Gästebewirtung lahmlegte, schlugen Barth und Rossbach den Viren mit Take-away-Pizza ein Schnippchen.
Kurzum: An jener Tür im Erdgeschoss des Falk-Hauses hinter der unter dem Namen „Da Freccia“ und danach „Carbone“ bereits zuvor Pizza serviert worden war, steht nun also wieder „Pizzeria“. Jetzt jedoch mit dem Zusatz „22k“. Dass der Name keck die Ablösesumme für das Lokal kommuniziert, die das Duo berappte, wissen freilich nur Insider. Der Normal-Gast wird bei Nachfrage geheimniskrämerisch auf den Aufdruck am Pizzakarton verwiesen. „You’ll never understand“ ist dort zu lesen. Den meisten wird das beim Biss in die italienischen Spezialitäten aber egal sein. Am Ende zählt halt doch nur, dass die Pizzabäcker verstehen – ihr Handwerk nämlich.
Großmeister des monochromen Designs
Wer sein Handwerk ebenfalls versteht, sind die Planer von destilat, die das Lokal umgestalteten. Das Studio mit Büros in Wien und Linz ist nicht nur österreichweit, sondern auch international in den Bereichen Innenarchitektur und Möbeldesign tätig. Und es gilt als Großmeister des monochromen Interior-Designs. Das Portfolio ist groß, die Liste der Auszeichnungen lang. Für die Gestaltung der niederösterreichischen Weinmanufaktur Clemens Strobl erhielt das Architektenteam zum Beispiel den German Design Award 2021.
2019 bekam destilat diesen Preis übrigens auch für das Design-Konzept des Rossbarths. Kein Wunder also, dass Marco Barth und Sebastian Rossbach für die Gestaltung der Pizzeria 22k wieder auf die destilat-Expertise setzten. Zumal es auch hier galt, ein innenarchitektonisches Gastronomieprojekt in einem denkmalgeschützten Ambiente umzusetzen und es auf die kulinarische „Against all logic“-Unternehmensphilosophie der beiden zuzuschneiden. „Wir machen einfach alles anders die anderen. Dann wird es schon pfeifen“, sagt Barth.
Wiederholungstäter am Werk
Im Falle der Pizzeria 22k haben sich die beiden Haubenküche im radikal funktionalistischen Industriebau jedenfalls eine lässige Kulinarik-Spielwiese schaffen lassen. Am Grundriss selbst durfte zwar aufgrund der strikten Denkmalschutzauflagen nichts geändert werden – die Hallen der Tabakfabrik wurden von Peter Behrens und Alexander Popp in den Jahren 1929 bis 1935 als erster Stahlskelettbau Österreichs im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet. Dennoch hat es destilat geschafft, den nur 50 Quadratmetern großen Raum völlig zu verwandeln.
„Denkmalgeschützten Bauten tritt man am besten mit großer Wertschätzung entgegen, aber keinesfalls mit Furcht. Statt vor der Geschichte in die Knie zu gehen, stellen wir dem Industriedenkmal eine ebenso starke Innenarchitektur gegenüber“, so destilat-Gründer Henning Weimer.
Die Essenz dieses Prozesses ist das Produkt. Konzentriert, reduziert, destilliert.
Wir nennen es bei unserem Namen.“
Der Raum mit gegossenem Asphaltboden (Bestand) wurde von oben bis unten in tiefes Schwarz getaucht. Sämtliche neu verwendeten Holzelemente der kulinarischen Bühne sind in der Tradition der japanischen Technik Shou Sugi Ban verkohlt – eine jahrtausendealte Veredelungsmethode, die den Werkstoff auf natürliche Weise konserviert und wasserresistent macht. Das Ergebnis sind Holzoberflächen in verschiedenen dunklen Schattierungen. Jede hat ihre eigene Textur, eine besondere Ästhetik und einen unverwechselbaren Charakter.
Das Alte und das Neue
Die Technik verleiht dem Innenraum nicht nur eine zeitlose, natürliche Schönheit. Sie vermag es auch, das Alte mit dem Neuen nahtlos und auf organische Weise zu verbinden. Für den Rest sorgt die Inneneinrichtung. Die Designer entschieden sich für schwarze Thonet-Möbel. Sie sorgen für einen Hauch klassischer Eleganz, der den gesamten Raum zusammenhält.
Denkmalgeschützten Bauten tritt man am besten mit großer Wertschätzung entgegen, aber keinesfalls mit Furcht.
destilat-Gründer Henning Weimer
Zentrales Element des Raums ist aber die Bar aus terrakottafarbenen Planziegeln aus der „Werkstatt“ der Innenarchitekten. Anders als regulär vorgesehen wurden sie mit der Hohlraumseite nach außen auf Sicht gestapelt. So ergibt sich eine spannende Wabenstruktur. Mit dunkler Fugenmasse ausgekleidet und geschliffen, mit Schwarzblech eingefasst und effektvoll hinterleuchtet wirkt der rohe Tresen inmitten des monochromen Interiors wie ein geheimnisvolles Kunstwerk, das gleichzeitig das Engagement der Pizzeria für Nachhaltigkeit und innovatives Design unterstreicht.
Wermutstropfen im gelungenen Cocktail
Insgesamt verleihen die kühnen Designentscheidungen für die Pizzeria 22k dem altehrwürdigen Linzer Bau eine moderne, lebendige Note – ohne dessen Geschichte und historische Architektur zu negieren. Der einzige Wermutstropfen in diesem einzigartigen Cocktail: Das Lokal hat – auch wenn es zusätzlich einen überdachten Gastgarten gibt und auch Hocker an der Bar – nur wenige Sitzplätze.
Ein kleiner Trost für alle, die keinen Platz im Lokal ergattern: Wenn auch man auf das Gesamterlebnis aus Kulinarik, Wein und Design verzichten muss, kann man zumindest die Pizza genießen. Aus den Erfahrungen des Lockdowns heraus haben die 22k-Besitzer nämlich ein perfektes Abholprozedere entwickelt – Vorbestellsystem mit Reservierungszeiten inklusive.
Sattessen, nicht sattsehen
Dass das Bestellsystem die Wartezeit bei der Abholung auf maximal fünf Minuten begrenzt, ist dann aber fast schon wieder bedauerlich. Denn selbst wartend und im Stehen ist das Interior-Design der Pizzeria 22k ein Genuss.
Sattsehen? Wird man sich hier nie.
Text: Daniela Schuster
Bilder: Jürgen Grünwald