Nach nur vier Jahren Bauzeit hat der aktuell größte Flughafen der Welt seine Gates geöffnet – der „Peking Daxing Airport“. Das von Zaha Hadids Architekturbüro entwickelte Mega-Objekt sorgt aber nicht nur ob seiner vielen Superlative für Aufsehen – auch wegen seiner ungewöhnlichen Optik.
Aus der Luft betrachtet, sieht das gigantische Gebäude aus wie ein Krake, der sich gut 70 Kilometer südlich der Hauptstadt Peking etwas Ruhe gönnt. Oder vielleicht auch auf Gesellschaft wartet. Diese jedenfalls wird in naher Zukunft zur Genüge eintrudeln. Schließlich ist dieser Mega-Krake in Wahrheit ein riesiger Flughafen, der soeben seine Gates geöffnet hat.
Krake, Seestern oder Phoenix
Halt – kurze Zwischenlandung, bevor wir es vergessen: In den Augen der berühmten Architekten aus dem Hause Zaha Hadid hat der Flughafen weder mit einem Kraken noch einem Seestern etwas gemein. Vielmehr soll das Gebilde an Phoenix, der aus der Asche steigt, erinnern …
Weiter geht’s. Auf jeden Fall ist dieses Ding das größte seiner „Art“ – in seiner finalen Ausbaustufe soll der „Peking Daxing Airport“ nämlich 100 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen. Eine von vielen unglaubichen Ziffern, die in Zusammenhang mit dem neuen Flughafen auftauchen. Also nähern wir uns den unterschiedlichen Superlativen dieses Baus am besten in Form eines kleinen „Zahlenspiels“:
- 700.000 Quadratmeter Gesamtfläche
- 6 Start- & Landebahnen
- 50 Fluggastbrücken
- 3.000 Info-Displays
- 186 Boarding-Gates
- 422 Check-In-Schalter
- 63 Gepäckbänder
Wie groß die Dimension dieses ruhenden Ungetüms wirklich ist, lässt sich wohl am besten über die Geldsumme ausdrücken, die für den Bau verrechnet wurde: 51 Milliarden Euro! Und um diese Zahl etwas begreiflicher zu machen: Damit könnten 662 Mutige als Weltraumtouristen zum Mond fliegen oder 100 der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt gebaut werden. Man könnte damit allerdings natürlich auch gleich sieben Mal die Hungerkrise der Welt beenden – wenn man die offizielle Hochrechnung der Caritas als Ausgangszahl hernimmt. Aber bleiben wir am Boden der Realität:
Obwohl der gigantische Flughafen genau zu den 70-Jahr-Jubiläumsfeierlichkeiten der Volksrepublik eröffnet wird, kann man ihn keinewegs als Prestige-Projekt oder gar als Machdemonstration Chinas abtun. Trotzdem die Millionenmetropole Peking mit dem „Beijing Capital Airport“ bereits über einen nur minimal kleineren Flughafen verfügt – hier werden jährlich aktuell 94,4 Millionen Passagiere abgefertigt – attestieren westliche Experten der Metropole nämlich tatsächlich die Notwendigkeit eines zweiten Mega-Airports.
Vier Millionen Tonnen Fracht
Dieser sei für die Stadt, in der rund 23 Millionen Menschen leben, in der Tat elementar. Schließlich ist der alte Flughafen aus objektiver Sicht aktuell an seine Kapazitätsgrenze gelangt. Die Anzahl der jährlich abgefertigten Passagiere stieg seit 2010 um über 20 Millionen Personen auf das gegenwärtige Niveau an. Und die Nachfrage in der chinesischen Hauptstadt wird in Zukunft noch weiter wachsen: China bleibt aufstrebende Wirtschaftsnation und so wird der neue Flughafen vor allem auch als Umschlagplatz dienen, um Fracht in der Größenordnung von bis zu vier Millionen Tonnen pro Jahr passieren zu lassen.
Abgesehen davon hat Peking aufgrund seiner ökonomischen Entwicklung auch einen gänzlich neuen Kurs eingeschlagen: Aktuell entsteht hier die neue Metropolregion namens „Jing-Jin-Ji“ die als internationales Vorzeigezentrum einer Hauptstadt erblühen und Peking mit den beiden anderen Städten Tianjin und Hebei vereinen soll.
Peking als Flaggschiff
Das bedeutet: In Peking selbst werden in Zukunft vor allem die repräsentativen Aufgaben einer Hauptstadt zusätzlich hervorgestrichen. Und dazu gehört alles, was mit der Staatsregierung zu tun hat, mit internationaler Kommunikation sowie der Forschung und Entwicklung. Die beiden anderen Städte sollen die weniger glamourösen Aufgaben übernehmen. Im Zentrum dieser neuen Zig-Millionenstadt spielt schussendlich der riesige neue Flughafen freilich eine ganz besonders zentrale Rolle.
Dieser Flughafen ist die größte integrierte Transportdrehscheibe der Welt!
Bai Henhong, Projektleiter
Kommen wir also zurück zu diesem soeben eröffneten Superhafen, dessen Aufsehen erregendes Glas-Stahl-Design mit seiner schillernden Hülle aus dem weltberühmten Architekturbüro der 2016 verstorbenen Zaha Hadid stammt. Abgesehen von seiner spektakulären Optik ist dieses natürlich auch in Sachen Funktionalität bis ins kleinste Details durchdacht.
Kurze Wege, viele Shops
Das fängt schon bei seiner „Kraken-Form“ an: Dank dieser wird garantiert, dass kein Passagier auf seinem Weg zum Flugzeug mehr als 600 Meter zurücklegen muss – alle Arme sind nämlich genau so lang. Außerdem wurde das Gebäude dreistöckig konzipiert, um möglichst viel Platz für Restaurants, Geschäfte und Freizeitanlagen zu schaffen. Um während etwaiger Wartezeiten der Kurzweil Platz zu machen.
„Er ist die größte integrierte Transportdrehscheibe der Welt“, sagt Projektleiter Bai Henhong also zurecht voll Stolz. Allerdings schwingt in China derzeit gerade mit Blick auf Mitteleuropa durchaus Häme und Schadenfreude mit. Schließlich ist gerade aus deutscher Sicht die aktuelle Eröffnung des chinesischen Musterbeispiels nach nur vier Jahren Bauzeit besonders pikant. Versucht man doch in Berlin seit inzwischen 13 Jahren einen weit kleineren Flughafen erfolglos fertigzustellen.
Deutsche sollen lernen
Und so müssen die deutschen „Baumeister“ aktuell damit leben, von den chinesischen Medien kräftig durch den Kakao gezogen zu werden: „Man solle sich etwas abschauen“, heißt es. „Von wegen deutscher Qualität“, wird ebenso zynisch angemerkt.
Vielleicht hat sich deshalb die deutsche Lufthansa dazu entschieden, den neuen Flughafen in Peking gar nicht erst anzufliegen. Man bleibe lieber beim alten Airport, heißt es aus dem Konzern.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Getty Images; Zaha Hadid Architects