Wer im Glashaus sitzt
Ein slowenisches Architekturstudio hat in der Wüste Spaniens ein Wohnhaus mit besonders viel Weitblick erbaut: einen Pavillon aus Glas.
Rote Erde, Steine, Gräser – eine hügelige und felsige Landschaft prägt die Wüste von Gorafe, im Süden Spaniens. Hier gibt es, soweit das Auge reicht, nichts, das zum Verweilen einlädt. Oder etwa doch?
Hier, mitten in der Wüste Andalusiens, lässt sich eine kleine Hütte ausmachen. Ein Pavillon aus Glas. Die Kulisse gleicht einer Filmszenerie und der Pavillon gleicht einem geheimen Ort, von dem nur Ausgewählte wissen. Dieses Wohnhaus der etwas anderen Art wurde vom slowenischen Architekturbüro OFIS Arhitekti in Zusammenarbeit mit dem US-Glasproduzenten Guardian Glass entworfen. Eine Unterkunft, die Schutz vor den Wetterverhältnissen der Wüste bietet, und trotzdem das Gefühl vermittelt, gänzlich Teil dieser wilden Umgebung zu sein.
Die Wüste von Gorafe in der Provinz Granada gehört zu den rauesten Gegenden Südeuropas. Hier steigen die Temperaturen im Sommer auf über 40 Grad, während die Nächte oft erstaunlich kühl sind. Im Winter können die Temperaturen wiederum sogar auf Werte unter null sinken. Traditionell wurden hier Häuser in den Lehmboden gegraben, um sich in der Erde vor Hitze und Kälte zu schützen. Doch der Glaspavillon erhebt sich gegen diese jahrhundertealte Bauweise: Statt sich in die Erde zurückzuziehen, steht er auf der Hochebene, offen und transparent.
Gläserne Stärke
Guardian Glass forderte OFIS Arhitekti heraus, ein Gebäude zu entwerfen, das die Grenzen des Materials auslotet. Das Ergebnis: Ein 20 Quadratmeter großer Pavillon, dessen vertikale Verglasungspaneele nicht nur für die unvergleichliche Aussicht sorgen, sondern auch als tragende Strukturelemente dienen. Hier gibt es keine massiven Wände. Das Glas allein hält auf der etwas erhöht errichteten Plattform den starken Wüstenwinden stand und trägt dabei das Dach. Verwendet wurde dafür das Guardian SunGuard-Glas, das über eine fast unsichtbare Beschichtung verfügt, die Sonnenstrahlen filtert und so ein angenehmes Raumklima schafft – ohne die Notwendigkeit externer Verschattungen. Die Wahl des Glases war von essenzieller Bedeutung: „Hätten wir minderwertiges Glas verwendet, wäre der Innenraum unerträglich heiß und unbewohnbar“, erklärt Architektin Spela Videcnik.
Der Pavillon wurde als Kurzzeitapartment für eine Einzelperson oder ein Paar konzipiert. Drei Räume gruppieren sich um einen zentralen Kern: ein Wohnbereich, ein Schlafzimmer und ein eingelassener Jacuzzi. Der Kern selbst besteht aus einer kleinen Küche, Stauraum und dem Badezimmer. Außen schützt der Dachvorsprung vor Sonne und schafft durch die natürliche Erweiterung eine Verbindung zwischen Innenraum und Natur. Dach und Plattform sind aus, mit Spiegelpaneelen verkleidetem, Holz gestaltet. In ihnen spiegelt sich die Umgebung und verstärken so das Drinnen-Draußen-Gefühl.
Material der Zukunft
Trotz seiner minimalistischen Erscheinung ist der Pavillon ein voll funktionsfähiger Wohnraum. Zudem wirkt er aufgrund seiner schlichten Gestaltung aus Glas auf seine Art und Weise luxuriös. Wer hierher zieht, tut dies wegen der Natur und ihren Schauspielen. Denn besonders in der Nacht entfaltet der Pavillon seine wahre Magie – dann öffnet er, bei klarer Nacht, den Blick auf einen atemberaubenden Sternenhimmel. Jeder noch so kleine Leuchtkörper kann hier gesichtet werden, hier gibt es weit und breit keine Lichtquelle, die den Sternen Konkurrenz machen könnte.
Der Glaspavillon steht aber nicht nur für außerordentliche Architektur, er ist auch ein Forschungsprojekt. Der Pavillon demonstriert, wie Glas als strukturelles und klimatisches Element genutzt werden kann – ein Konzept, das zukünftig in extremen Klimazonen Anwendung finden kann. Das Projekt von OFIS Arhitekti zeigt demnach eindrucksvoll, wie moderne Architektur mit extremen Umgebungen interagieren kann. In der Wüste von Gorafe ist nicht nur ein innovatives Gebäude entstanden, sondern auch ein Ort, an dem Architektur und Natur in einem einzigartigen Dialog stehen. Und wer hier unter dem endlosen Sternenhimmel sitzt, spürt, dass dieser Glaspavillon weit mehr ist als nur eine Unterkunft – er ist eine Erfahrung.
Text: Eva Schroeder
Fotos: OFIS Arhitekti