Holzbau als 3D-Puzzle
Mit dem Pavilion of Floating Lights hat die historische Pavillon-Architektur Ostasiens ein Update erhalten. Das Büro JK-AR zitiert mit dem kunstvollen Holzbau das kulturelle Erbe und nutzte für die Montage Augmented Reality.
Mit seinem leicht geschwungenen Dach thront der historische Chokseokru-Pavillon auf einer Felsenklippe über dem Fluss Nam. Er ist einerseits ein Zeugnis von Südkoreas reichem architektonischen und kulturellen Erbe. Andererseits liefert der kunstvoll verzierte Holzbau aus dem Jahr 1241 ein eindrucksvolles Beispiel für die Langlebigkeit des Naturbaustoffs. Zwar wurde der strategisch bedeutungsvolle Pavillon in der Stadt Jinju Anfang der 1950er-Jahre, während des Koreakrieges, zerstört und anschließend wieder aufgebaut. Die Jahrhunderte davor hatte er aber ohne größere Schäden überstanden. Für den Bau eines neuen Pavillons am gegenüber liegenden Flussufer haben die Architekten des Büros JK-AR von der Stadt den Auftrag bekommen, die historische Pavillonarchitektur neu zu interpretieren. Der Pavilion of Floating Lights, wie das Bauwerk heißt, lässt die baukulturelle Tradition des leim- und nagelfreien Holzbaus wieder aufleben.
In seinem Design nimmt der Neubau Anleihen am Chokseokru, dem historischen Wahrzeichen der Stadt, das vom neuen Pavillon aus zu sehen ist. Ebenso wie sein geschichtsträchtiges Vorbild, ist die Konstruktion in sechs Stützen aufgeteilt. Diese sind nach oben hin – ähnlich wie ein Baum – ausladend verästelt und tragen zusammen das geschwungene Dach. Die einzelnen CNC-gefrästen Sperrholzelemente sind mit Zangenkonstruktionen aus Holz verbunden. Ganz so, wie die beliebten Holzbausätze für 3D-Puzzles, nur im Großformat.
Montagehilfe durch Augmented Reality
Beim Zusammensetzen der einzelnen Bauteile hatte das Montageteam digitale Unterstützung in Form von Augmented Reality.
Auf diese Weise zeigt der Pavilion of Floating Lights, wie die vergessene Handwerkskunst ostasiatischer Architektur mithilfe der Technologie unserer Zeit wieder zum Leben erweckt werden kann.
JK-AR, Architekturbüro
Auf einem Bildschirm wurde die Baustelle in Echtzeit mit einer dreidimensionalen Grafik erweitert, die die genauen Positionen der unterschiedlichen Elemente anzeigte. „Auf diese Weise zeigt der Pavilion of Floating Lights, wie die vergessene Handwerkskunst ostasiatischer Architektur mithilfe der Technologie unserer Zeit wieder zum Leben erweckt werden kann“, erläutert das zuständige Architektenteam von JK-AR.
Mit dem Pavillon der Schwimmenden Lichter, wie er frei übersetzt heißt, wollte die Stadtverwaltung das gegenüber der Altstadt liegende Ufer aufwerten. Benannt ist das Gebäude nach dem weithin bekannten Jinju Namgang Yudeung Festival, das den Fluss zur nächtlichen Bühne für tausende schwimmende Laternen macht.
Der neue Pavillon mit seiner leicht gefalteten Glasfassade bietet den besten Beobachtungsposten für dieses alljährliche Spektakel. Abgesehen davon hatte man für den Bau anfangs keine konkrete Funktion vorgesehen. Mittlerweile hat im Gebäude auch ein Café eröffnet und ab und zu finden Veranstaltungen statt.
Ein Pfad durch den Wald
Die ursprüngliche Typologie des „-ru“-Pavillons bezeichnete ein erhöhtes, repräsentatives Bauwerk, das für Feierlichkeiten und als militärische Beobachtungsstation diente. In der Neuinterpretation von JK-AR wird der Pavillon zum öffentlichen Raum erklärt, wie es in der Projektbeschreibung heißt. Er schafft ein Observatorium an der Schnittstelle zwischen natürlichem und urbanem Raum, das die Sujets Stadt, Land, Fluss in die explorative Waagschale wirft.
Die Baumsäulen erzeugen einen Innenraum, der Erinnerungen an einen Pfad durch den Wald weckt.
JK-AR, Architekturbüro
Vor der Besiedlung des Flusses war das Ufer von dichten Bambuswäldern umgeben, was ebenfalls Inspiration für die Formgebung lieferte. „Die Baumsäulen erzeugen einen Innenraum, der Erinnerungen an einen Pfad durch den Wald weckt“, wie es heißt.
Mit seinem hohen Wiedererkennungswert und dem starken Bezug zur Baugeschichte bildet der Pavilion of Floating Lights ein neues Wahrzeichen in der südkoreanischen Stadt mit dem reichen kulturellen Erbe. Der Holzbau bringt Vergangenheit und Zukunft in Einklang und schafft so einen Ort, der Identität stiftet.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Rohspace