Paris wird grün
Frankreichs Hauptstadt soll sich in ein grünes Paradies verwandeln. Konkrete Pläne und futuristische Architekten-Visionen liegen bereits in der Schublade.
Es sind nicht bloß der Trend zu Naturnähe oder die Urban Gardening-Bewegung, die Stadtplaner vor neue Herausforderungen stellen. Was jetzt rascher Lösungen bedarf, sind die Auswirkungen des Klimawandels: Sollen urbane Ballungsräume künftig lebenswert bleiben, sind innovative Konzepte dringend gefragt.
In diesem Sinne bemüht sich Paris, mit gutem Beispiel voranzugehen: Die Kampagne „Parisculteurs“ sieht unter anderem vor, bis 2020 ein Drittel aller Fassaden und Dächer zu begrünen. Jede Schule soll einen Obstgarten bekommen, jeder Pariser mittels „Begrünungsschein“ eine eigene Grünfläche gestalten dürfen und jedes neue öffentliche Gebäude Platz für Urban Farming bieten.
Visionäres Konzept für 2050
Ein ambitioniertes Programm – und doch eines, das im Vergleich zu Star-Architekt Vincent Callebauts Konzept „Paris 2050“ wie ein Schrebergarten am Rande einer neuen Welt wirkt. Denn die visionären Ideen des in Paris lebenden Belgiers könnten die Stadt in einen grünen Garten Eden verwandeln.
Callebaut hat sich mit seinen futuristischen, auf Nachhaltigkeit, Menschen- und Umweltfreundlichkeit fokussierten Projekten weltweit längst einen Namen als führender Archibiotect gemacht – eine (ursprünglich von ihm selbst geprägte) Bezeichnung, der er immer wieder mit preisgekrönten Bauwerken in aller Welt gerecht wird. Sein Credo: „Ich will Hoffnung für ein besseres Morgen schaffen“. Sein Konzept „Paris 2050 Smart City“ ist ein gutes Beispiel dafür.
Im Zentrum des Vorschlags für die französische Metropole stand das in einer Ausschreibung definierte Ziel, die Treibhausgas-Emissionen der Stadt bis zum Jahr 2050 um 75 Prozent zu senken. Callebauts Idee dazu basiert auf acht Prototypen „gemischter Türme“, die mit innovativer Technologie und üppiger Bepflanzung für bioklimatische Balance und optimale Nutzung erneuerbarer sowie wiederverwertbarer Energie sorgen. Callebauts Studie zufolge könnten diese acht Hochhäuser gemeinsam Energie für die umliegenden Regionen produzieren, dem Phänomen urbaner Hitzeinseln entgegenwirken und Natur in die – sich auf lange Sicht verdichtende – Stadt integrieren. Wo in Paris welcher der Turm-Prototypen platziert werden sollte, findet sich ebenfalls im Studien-Konzept, das der Architekt und sein Team gemeinsam mit den Technikern von Setec Bâtiment schon 2014 erarbeitet haben.
So fremdartig und futuristisch meine Designs auch wirken mögen: Ihr Kern ist ein Versuch, die wahre Bedrohung anzugehen, die Städte für Menschheit und ökologische Balance darstellen.
Vincent Callebaut
Die Mountain Towers im historischen Stadtkern sieht der Architekt als Lösung für das Phänomen urbaner Hitze-Inseln: Mit Solartechnologie, Hydrodynamik und Bepflanzung soll dieser Gebäude-Prototyp wie eine Bio-Klimaanlage wirken und die durch den Klimawandel forcierte Hitzeentwicklung in stark verbauten Zonen stoppen. Verschiedene Wohnraum-Modelle, Parks auf den Dächern, Fassaden mit thermischer Solarabstimmung, Regenwassersammelbecken und ein Wasserpumpenspeicherkraftwerk auf jedem Turm sind bestimmende Faktoren.
Antismog Towers sollen im Herzen von Paris einen 23 Kilometer umfassenden ökologischen Korridor bilden und Luftverschmutzung photokatalytisch reduzieren. Das Konzept bezieht sich dabei auf den Petite Ceinture von Paris, die alte Bahnlinie um die Stadt, deren Umfeld von den Parisern abgelehnt wird, durch das Konzept jedoch begrünt und neu belebt werden könnte.
Im modernen Teil der Stadt (13. Bezirk, Massena) sieht Callebaut thermodynamische Photosynthesis Towers vor: Einen piezo-elektrischen, als vertikale Spirale gebauten Park mit organischen Fassaden aus grüner Alge. Dieser soll bestehende Bauwerke wie den Montparnasse Turm und kleinere Hochhäuser einbeziehen und in eine grüne Insel verwandeln. Zudem sollen in diesem Bezirk thermodynamische „Bamboo Nest Towers“ mit Obstgärten und begrünten Balkonen entstehen, die die 13 Türme des Bezirks umfassen und zu einem natürlichen Ganzen verbinden.
Bepflanzte Brücken über die Seine
Für die Peripherie schlägt das Konzept einerseits Honeycomb Towers vor, die Callebaut als energetisch vernetzte, wabenförmige Wohngebäude designt. Außerdem enthält der Plan für die Außenbezirke den Prototyp eines Farmscraper Towers, einer vertikalen Farm, die natürliche Landschaft in den Stadtkern integriert.
Die Mangrove Towers und die Bridge Towers hat der Visionär speziell für „Future Paris“ – das Paris der Zukunft – im zehnten und zwölften Bezirk von Paris vorgesehen: Erstere sind als lichtempfindliche, in piezoelektrischen Plattformen verwurzelte Türme geplant. Zweitere als bewohnte, bepflanzte „amphibische Brücken“ über die Seine.
Ob Callebaults Konzept je umgesetzt werden wird, ist fraglich. Doch dass sich vor allem Städte rasch gegen die Folgen des Klimawandels rüsten müssen, steht außer Frage. Paris hat bereits erste Schritte getan. Die Vorschläge des Archibiotekten gehen weit darüber hinaus. Wie weit man gehen muss, um urbane Ballungsräume auch 2050 noch lebenswert zu halten, bleibt abzuwarten. Prognosen legen jedoch nahe, dass visionäre Ideen wie jene Callebaults dringend benötigt werden.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Vincent Callebaut