OCT Chaohu Natural and Cultural Centre
#architektur

Experimenteller Wurmloch-Bau

Gerade Linien oder strenge Geometrien sucht man beim OTC Natur- und Kulturzentrum (fast) vergebens. Von change architects entworfen, spiegelt der außergewöhnliche Bau im chinesischen Kurort Chaohu die umgebenden Berge und die Natur wider.

In Chaohu, einem Kurort, gut 340 Kilometer nordwestlich von Shanghai, wuchs ein Natur- und Kulturzentrum im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Boden. Gebäude und umgebende Natur wurden auf so intuitive und enge Weise miteinander verschmolzen, dass schwer zu sagen ist, wo das Eine aufhört und das Andere beginnt.

Das OTC Natur- und Kulturzentrum ist eine öffentliche Einrichtung mit Symbolcharakter. Sie wurde für die Thermenstadt Chaohu Bantang konzipiert. Die einzigartige Lage am Fuß der Bergkette, die sich über mehrere Kilometer nördlich der Stadt erstreckt, bildet eine Brücke zwischen dem Stadtzentrum und der Natur. Hier wurde auf einer Fläche von 1.500 Quadratmetern ein einzigartiges Gebäude errichtet – finanziert von der OCT Hefei Huanchao Culture and Tourism Real Estate Development Co.

OCT Chaohu Natural and Cultural Centre
Das 1.500 Quadratmeter große OTC Natur- und Kulturzentrum nimmt die umgebende Topografie auf.

Das Design des Gebäudes spiegelt einerseits die lokale Kultur wider und gewährt andererseits einen Ausblick auf den zukünftigen Lebensstil, wie sie Chaohu Bantang bieten möchte und wird. Das organische Bauwerk nimmt sozusagen vorweg, dass eine Umgebung für neue Erfahrungen und neue Möglichkeiten entstehen soll. Der Baukörper versteht sich als Treffpunkt von Natur und Stadt, Vergangenheit und Zukunft.

In enger Beziehung mit der Landschaft

Der vom chinesischen Architekturbüro change architects entworfene Kulturbau ist eine von Menschenhand geschaffene Landschaft: Das Dach ist grasbewachsen, die Oberflächen in Erdtönen gehalten. Gerade Linien oder strenge Geometrien sucht man (fast) vergebens.

OCT Chaohu Natural and Cultural Centre
Der Kulturbau verwächst mit der Umgebung und spiegelt sie.

„Das Gebäude verkörpert natürliche Elemente, Momente der Umformung der Umwelt“, heißt es bei change architects. Die organisch geschwungene Kubatur befindet sich in einem Landstrich, der zwischen den Bergen und der Stadt liegt.

Die Berge standen Pate

Das Gestaltungskonzept orientiert sich an der Natur und ihren fließenden, organischen Formen. Die Architekten haben sowohl die Vegetation als auch die geologische Struktur in den Entwurf einbezogen. Der Grundriss und die Form des Gebäudes sind von den Konturen des Berges inspiriert.

Die Anlage verwächst regelrecht mit dieser Umgebung und spiegelt sie, indem es als Träger und Malgrund für Licht und Schatten, Regen und Schnee sowie die klare Luft und die stillen Wasser der Region fungiert.

OTC Natur- und Kulturzentrum
Einer der Eingänge in das Innere des interessanten Bauwerks.

OTC Natur- und Kulturzentrum
Verspielte, runde, organische Formen: So präsentiert sich der neue Kulturbau in der ostchinesischen Stadt Chaohu.

Das Gebäude fügt sich auf fast schon magische Weise harmonisch in die Topografie und die Umgebung ein. In der Tat so sehr, dass es den Anschein hat, als hätte es sich durch tektonische Prozesse aus dem Boden erhoben. Kurven und Linien des Gebäudes spannen eine symbolische Brücke zwischen Gebirgskette und Ebene.

Stahlträger kombiniert mit Leichtbeton

Das Haupttragwerk des Baus wurde allerdings aus Gründen der Kalkulierbarkeit, Statik und raschen Errichtung aus Stahl gefertigt. Die obere Ebene der Struktur wurde in Ortbeton ausgegossen, während die Dachschalung darunter mit glasfaserverstärkten abgehängten Platten ausgekleidet wurde. Auf die Fertigstellung der Fundamentebene folgte die Formgebung der oberen und unteren Deckschichten mittels Aufspritzen von Leichtbeton. Dieses Verfahren hat die Schaffung der fließenden Formen ungemein erleichtert.

OTC Natur- und Kulturzentrum
Im Winter wirkt das Gebäude durch den Schnee auf seiner Oberfläche fast dramatisch und verschmilzt noch mehr mit seiner Umgebung.

Das Ergebnis dieser architektonischen Gestaltung ist ein Gebäude, das wie ein natürliches Gebilde wirkt, das sich aus tieferen Erdschichten nach oben schiebt und gleichzeitig eine Interpretation des umgebenden Raums darstellt.

Dachbegrünung als
i-Tüpfelchen

Für das begrünte Dach mit seinen Rundungen, Schwüngen und starken Neigungen war eine spezielle Deckschicht aus stabilisierenden Strukturen notwendig. Rutschfeste, profilierte Matten, Netze für leichtere Neigungen sowie perforierte Wabenelemente für stärker abfallende Segmente helfen, die Humusschicht und Bepflanzung an Ort und Stelle zu halten. Die Vegetation, die für das Dach des Gebäudes ausgewählt wurde, verleiht dem OCT Natur- und Kulturzentrum Chaohu eine besondere Wirkung. Dabei wurde auf die in der Umgebung natürlich vorkommende Flora zurückgegriffen.

OCT Chaohu Natural and Cultural Centre
Nur eines der zahlreichen „Wurmlöcher”.

Die Besucher gelangen über drei verschiedene Eingänge in das Centre. Der erste dieser Eingänge ist die Rampe auf halber Höhe an der Vorderfassade. Über sie gelangt man schrittweise in den kuppelförmigen Innenraum. Ein zweiter Eingang ist eine der Aussichtstreppen auf dem Platz, der das Dach überragt. Besucher, die von hier aus eintreten, werden in denselben Kuppelbereich geführt. Der dritte und letzte Eingang führt über das Dach ins Innere. Der obere Teil der Dachkonstruktion spannt sich zwischen dem nördlichen und dem südlichen Bereich als Fußgängerbrücke über die Stadtstraße.

Wie die Halle eines Bergkönigs

Im Sommer spiegelt das OTC Natur- und Kulturzentrum das Erwachen der Natur innerhalb seiner eigenen Struktur wider. Im Winter wirkt das Gebäude durch den Schnee auf seiner Oberfläche fast dramatisch.

Das Restaurant sieht ein wenig wie die Halle eines Bergkönigs aus.
Vom Restaurant aus genießen die Besucher den Blick auf den See.

Auch der Innenraum folgt in seiner Gestaltung dieser engen Anbindung an die Umgebung. Denn vieles im Inneren wirkt wie aus dem Berg geschnitten, wie die Halle eines Bergkönigs mit ihren Höhlen, Kavernen, Durchbrüchen und Grotten. Die Architekten entwickelten insgesamt ein sehr eigenwilliges Konzept, welches das Gebäude in einer Art biomimetischen Architektur als eine
„geologische Formation” darstellt und behandelt.

Biomimetische Architektur in Form von „Wurmlöchern”

Biomimetisch bedeutet, dass biologische Strukturen, Formen und Baupläne nachgeahmt werden. Und so erinnern zahllose gekrümmte Gänge und Röhren an die Behausung von Tieren im Erdreich. Die in das Gebäude eingearbeiteten und geformten „Wurmlöcher” fungieren als Grenze zwischen Innen und Außen. Sie bohren sich gekonnt aus der Oberfläche des Gebäudes heraus und durchstoßen vorhandene Bögen und Flächen. So entstehen große, organische Öffnungen und Aussichtsplattformen, durch die die Gäste die umliegende Landschaft betrachten können.

OCT Chaohu Natural and Cultural Centre
Die Innenräume sind von glatten, weiß gestrichenen Betonflächen und einer üppigen Bepflanzung geprägt.

Für das Interior Design in weiß zeichnet das deutsche Büro Ippolito Fleitz Group verantwortlich.
Für das Interior Design zeichnet das deutsche Büro Ippolito Fleitz Group verantwortlich.

Die Innenräume des Restaurants des Chaohu Natur- und Kulturzentrums sind von glatten, weiß gestrichenen Betonflächen und einer üppigen Bepflanzung geprägt. Sie wurden vom deutschen Design-Büro Ippolito Fleitz Group entworfen und spiegeln die fließenden Formen des Außenbereichs wider.

Eine vollständig verglaste Wand im Innern des Restaurants gibt den Blick auf den See frei. Nachts beleuchtet, spiegelt sich der Bau prächtig im angrenzenden Gewässer. Dies bildet „einen perfekten Moment, in dem Berge, Wasser und Gebäude aufeinandertreffen“, so das Designteam. Nur die gläserne Aussichtsbox, die aus der geschwungenen Kontur des Wahrzeichens auskragt, ist das einzige Element, das sich dem Organischen widersetzt. Mit seiner geraden Geometrie hebt es sich vom Rest des Anlage ab.

Text: Linda Benkö
Fotos: Qingshan Wu, Change Architects

Jetzt Newsletter Bestellen <>