Neues Planetarium und neue Sternwarte im nordfranzösischen Douai, vom norwegnschen renommierten Architekturbüro Snøhetta entworfen
#architektur

Fixstern für alle Astronomiebegeisterten

Das Planetarium und Observatorium Orionis etabliert sich als neuer Anziehungspunkt in Nordfrankreich. Verantwortlich für das elliptisch geformte Gebäude mit Holz- und Vorhangfassade zeichnet das renommierte norwegische Architekturbüro Snøhetta.

Bittet man Menschen ein Sternbild zu nennen, so liegen die Chancen gut, dass Orion genannt wird. Dieses markante Sternbild liegt am Himmelsäquator, weshalb es weltweit Mitte Dezember gut zu sehen ist – dann nämlich befindet sich die Sonne auf der Gegenseite des Sternenhimmels.

Orionis: neues Planetarium in Douai

neue Sternwarte in Douai hört auf den Namen Orionis - GW Orionis ist ein Expolanet

Unvergesslich ist älteren Semestern sicher auch das „Raumschiff Orion“. Es war dies die erste und bekannteste deutsche Science-Fiction-Fernsehserie. Sie wurde ab dem 17. September 1966 vierzehntäglich samstagabends nach der Tagesschau in sieben Teilen ausgestrahlt. Doch das ist eine andere Geschichte.

Sternsystem Orionis fungierte als Namensgeber

Den wenigsten Menschen dürfte jedoch bekannt sein, dass es einen Exoplaneten namens Orionis gibt. Und dieser ist Namensgeber des neuen Planetariums und Observatoriums in der nordfranzösischen Stadt Douai. Besonderheit des Sternsystems „GW Orionis“, das etwa 1.300 Lichtjahre von uns entfernt ist: Es gilt als einziger Exoplanet, der womöglich drei Sonnen hat.

Das vom renommierten norwegischen Architekturbüro Snøhetta Arkitektur og Landskap A/S entworfene Gebäude ist jedenfalls von der elliptischen und kontinuierlichen Bewegung der Sterne inspiriert.

Orionis

Orionis

Warum elliptisch? Fest steht: Die Planeten bewegen sich auf einer leicht elliptischen Bahn um die Sonne. Und die Sterne? Diese Gaskugeln sehr hoher Temperatur, die laufend Energie und Materie in Form von Plasma und elektromagnetischer Strahlung in den Raum abgeben, scheinen doch irgendwie fix am Himmelsgewölbe zu sein. Deswegen gibt es doch die Einteilung in Fix- und Wandelsterne.

Diese frühere Unterscheidung ist freilich längst widerlegt: Die als Lichtpunkte erscheinenden Sterne bewegen sich gegeneinander. Doch diese Bewegung ist auf Grund der großen Entfernung mit dem bloßen Auge nicht erkennbar: Der Stern mit der größten Eigenbewegung, Barnards Pfeilstern, verändert laut Astronomen seine Position in circa 180 Jahren nur um einen Vollmonddurchmesser.

Orionis: Bemerkenswerter Standort

Das Orionis in Douai vollzieht zwar keine Eigenbewegung, verfügt aber über eine interessante Lage: Das Planetarium hat seinen Standort zwischen dem angrenzenden Fluss Scarpe, dem archäologischen Museum Arkéos und einem nahe gelegenen Wohnkomplex – fast so, als hätten alle Planer und Projektbeteiligte diese Elemente harmonisch verbinden wollen.

Orionis

Orionis

Das Orionis wird sich jedenfalls zum Fixstern des Besucherstroms an Astronomiebegeisterten entwickeln. Dafür sorgt allein schon der Entwurf von Snøhetta: Eine zusammenhängende, kurvig Struktur, die die beiden Kuppeln des Vorführraums und des Observatoriums umhüllt.

Leistungsstarkes „Bürgerteleskop“

Das Gebäude mit einer Fläche von 1.500 Quadratmetern, in der sich die Sternwarte befindet, ist mit modernster Technik ausgestattet. Die Sternwarte verfügt über leistungsstarke Teleskope, die es sowohl dem Publikum als auch den Astronomen ermöglichen, den Himmel direkt zu beobachten. Die Betreiber rechnen mit mehr als 75.000 Besuchern jedes Jahr, darunter auch reichlich Schulklassen.

Die spiralförmig nach oben verlaufende Außenhülle besteht aus einer Holzfassade und einer Vorhangfassade aus Stahl-Brise-Soleils. Die zwei Kuppeln, in denen sich das Observatorium und ein Projektionsplanetarium befinden, krönen das Gebäude.

Mit dem Bau hat Snøhetta schon 2019 – in enger Zusammenarbeit mit CET Ingénierie, Impact Conseil et Ingénierie, Cicanord, Studio Dap und Atelier Silva Landscaping – begonnen. 2023 schließlich wurde Orionis der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Zeitlose Ellipsen

Snøhettas Ziel war es, einen außergewöhnlichen Treffpunkt und einen neuen Anziehungspunkt – nicht nur für die Einwohner von Douai – zu schaffen. Und sowohl Programm als auch Funktion des Gebäudes von außen durch seine Formen zu verdeutlichen.

Kontinuierlich, fließend, immerwährend … das sind Begriffe, die wir in dem Projekt neu interpretiert haben. Nicht nur in Bezug auf die Form, sondern auch auf die Erfahrung, die die Besucher des Planetariums mit allen Sinnen machen werden.

Kjetil Trædal Thorsen, Mitbegründer von Snøhetta

In die lokale Umgebung integriert

Das Konzept der kontinuierlichen Bewegung hat das gesamte Projekt inspiriert und bestimmt alles: Vom Empfangsbereich über die Ausstellungsräume und das Amphitheater bis hin zu den Kuppeln. Letztere sind ein weithin sichtbares visuelles Signal, jedoch auf sehr unaufdringliche Art und Weise.

Der Gedanke der Zeitlosigkeit stellt sich auch ein, wenn man sich des nahe gelegenen Flusses Scarpe gewahr wird, mit seinem kontinuierlichen Strom, seiner permanenten Bewegung. Der Fluss und die umgebende Landschaft stellen eine physische und visuelle Verbindung zum Planetarium her.

Das Projektionsplanetarium mit Platz für bis zu 130 Personen ist so konzipiert, dass es nahtlos an das Arkéos-Museum anschließt. Denn die beiden kulturellen Einrichtungen sind über gemeinsame Grünflächen und Parkplätze verbunden. Um die Parkplätze und den Vorplatz zu integrieren, wurde gesamthaft ein stimmiges, einheitliches Konzept zur Bepflanzung mit Bäumen und weiteren Pflanzen umgesetzt.

Orionis

Orionis

Bepflanzung zur Erhöhung der Biodiversität

Landschaftsplanerisch wurde das Projekt so gestaltet, dass die biologische Vielfalt gefördert wird und die im Umland vorhandenen Materialien gewählt wurden. Das Dach ist mit Wildgras bepflanzt. Dies bietet ein organisches visuelles Element, das auch im Inneren des Gebäudes gut wahrnehmbar ist.

Der Weg zum Planetarium ist mit natürlichem, schmuckem belgischem Blaustein gepflastert. Eine leicht geneigte Rampe verschafft den Zugang zum Gebäude. Sie ist von außen durch die teilweise transluzente Fassade des Gebäudes sichtbar.

Barrierefreier Rundgang

Der Besucherrundgang führt vom Eingang über den Geschenkeladen und den Ausstellungsraum bis hin zum Erlebnisraum. Anschließend führt die Rampe die Besucher zurück ins Erdgeschoss und zum Ausgang.

Bestimmte Bereiche haben einen eigenen Zugang, um sicherzustellen, dass sich die Besucherströme nicht überschneiden, beispielsweise der Observatoriumsbereich und die Büros im ersten Stock.

Materialität als Schlüsselelement

Die Außenhülle des Planetariums ist von der Umgebung und den Materialien inspiriert, die in den umliegenden Gebäuden wie dem Arkéos-Museum und den Backsteinhäusern verwendet werden. Das Projekt prägen damit die drei Hauptfarben: die Farbe des Holzes der Pappeln ringsum, die Rostfarbe des Stahls und die hellgraue PVC-Membran, die die Kuppel des Projektionsraums bedeckt.

Orionis

Der bepflanzte und verglaste zentrale Innenhof ist von allen Innenräumen aus sichtbar – dies ermöglicht Querblicke zwischen den verschiedenen Räumen. Er wirkt wie eine stille Oase und stellt die Verbindung zur natürlichen, umgebenden Landschaft her. Konsequenterweise ist auch der Innenhof von elliptischer Form.

Orionis

Die Farbe der Stahlpaneele vor den Vorhangfassaden an der Hauptfassade und die Holzverkleidung, die beide vom Arkéos-Museum inspiriert sind, machen aus dem Design ein kohärentes Ganzes. Die die Kuppel des Vorführraums bedeckende hellgraue PVC-Membran entfaltet ihre optische Wirkung durch schlichte Eleganz.

Orionis

Sonnendurchflutet und mit White-Cube-Charakter

Durch die raumhohen Glasfenster kann das natürliche Licht ungehindert durch die Innenräume fluten. Die Helligkeit und Aufgeräumtheit wird durch den White-Cube-Charakter im Eingangsfoyer und in den Ausstellungsbereichen verstärkt. Dieser wird lediglich durch Akzente aus Holz und Stahl durchbrochen.

Das Innere der großen Kuppel fungiert als Projektionsfläche für die Wiedergabe des originalgetreuen Sternenfirmaments. Hier werden auch interessante Filme zum Thema Astronomie, Ökologie, Natur und so weiter gezeigt. In der kleineren Kuppel gegenüber befindet sich die Sternwarte. Workshops zur wissenschaftlichen Praxis für Schulen und die breite Öffentlichkeit runden das Angebot ab.

Im Erdgeschoß steht außerdem eine Ausstellungsfläche von 200 Quadratmetern für temporäre Schauen zur Verfügung. Das ganze Jahr über sind Veranstaltungen geplant.

Ambitionierte Nachhaltigkeit

Nicht nur Design und technologische Ausgeklügeltheit, auch die Nachhaltigkeit spielte bei der Planung des Projekts eine wichtige Rolle. So wird die Fußbodenheizung des Ausstellungsraums von geothermischer Energie gespeist. Sie versorgt das Gebäude im Winter mit Wärme und im Sommer mit Kühlung.

das neue Planetarium in Douai in Nordfrankreich

das neue Planetarium in Douai in Nordfrankreich

Außerdem wurden an mehreren Öffnungen Sensoren installiert, um eine intelligente natürliche Belüftung zu ermöglichen. Das begrünte Dach und Sonnenschirme tragen zur effizienten Temperaturregulierung und zum Regenwassermanagement bei. Dank der Materialien aus der Region konnten auch die Transportwege und damit der CO2-Ausstoß so gering wie möglich gehalten werden.

Ein ebenfalls sowohl optisch und architektonisch ansprechendes als auch nachhaltiges Planetarium ist das Strassburger Universitätsplanetarium, das aus einer Kooperation der Büros frenak+jullien, Cardin Julien und m+ mathieu holdrinet entstand. Das Besondere: es wurde komplett aus Holz erbaut.

Text: Linda Benkö
Fotos: Jad Sylla, Snøhetta Arkitektur og Landskap A/S

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