Kopenhagens neues, grünes Herz
In Dänemarks Hauptstadt entstehen ständig faszinierende Neubauten. Dass auch Erholungszonen wichtig sind, wird dabei allerdings nicht vergessen. Beweis gefällig? Bitteschön: Der neue Opera Park im dichten, historischen Zentrum wurde jüngst eröffnet.
Es stimmt schon: Auch in Kopenhagen gibt’s weniger grüne Erholungsräume als früher. Ein Umstand, den man leicht vergisst, wenn man all die spannenden, neuen Bauprojekte bestaunt, mit denen Dänemarks Metropole aufwartet. Den für grandiose Architektur bekannten Dänen ist’s jedoch zum Glück bewusst. Und weil sie großen Wert auf die Erhaltung der hohen Lebensqualität ihrer Hauptstadt legen, stehen selbstredend auch Freiräume auf der Agenda der Planer. So, wie der jüngst eröffnete, wunderschön gestaltete Opera Park.
Zwischen Oper und „Papierinsel“
Seit der Fertigstellung der Königlichen Dänischen Oper vor fast 20 Jahren war das Gelände nebenan einfach nur eine unscheinbare Wiese. Jetzt bietet der Opera Park dort, zwischen dem Opernhaus und dem bald fertigen Projekt „Papierinsel“, eine romantische, grüne Erholungszone. Den Auftrag, diese auf der ehemaligen Industrieinsel im Innenhafen von Kopenhagen zu gestalten, erteilte die A.P. Møller Stiftung 2019 dem damaligen Wettbewerbssieger: Dem dänischen Top-Büro Cobe, das auch den Masterplan für die „Papierinsel“ entworfen hat.
Die Architekten verwandelten das ursprünglich für neue Wohnanlagen vorgesehene Areal in eine vielfältige, natürliche Landschaft. In ebendiesen neuen Opera Park, der als Kontrapunkt zum ansonsten dicht bebauten Innenhafen fungiert. Und was das Cobe-Team da „wachsen“ ließ, wird Städtern und Besuchern noch viel Freude machen.
Der Opera Park ist ein Ort, an dem die Natur inmitten der geschäftigen Stadtentwicklung an erster Stelle steht.
Dan Stubbergaard, Architekt und Gründer Büros Cobe
Der Opera Park ist ungefähr drei Fußballfelder groß und setzt sich aus sechs verschiedenen Gärten zusammen. Jeder davon ist in Vegetation und Gestaltung einer anderen Region nachempfunden: Dem Nordamerikanischen Wald, dem Dänischen Eichenwald und dem Nordischen Wald. Und dem Orientalischen, dem Englischen und dem Subtropischen Garten, die in einem Gewächshaus und einem Atrium in der Mitte untergebracht sind.
In seinen Gärten wartet der Opera Park mit geschickt gesetzten Überraschungen auf. Dazu zählen etwa ein Springbrunnen und ein Seerosenteich. Ebenso, wie ein Spiegelbecken, in dem Wassertropfen in beruhigendem Rhythmus von einem Mast auf die Wasseroberfläche herniederglitzern. Verschlungene Wege und organisch geformte Blumenbeete verbinden die verschiedenen Elemente der Anlage.
Oase mit Mehrfachnutzen
Harvard Professor und Cobe-Gründer Dan Stubbergaard sieht den Opera Park als „Ort, an dem die Natur inmitten der geschäftigen Stadtentwicklung an erster Stelle steht“: „Das Projekt greift Elemente der historischen, romantischen Gärten Kopenhagens auf, um heutige Herausforderungen wie Rückgang der Artenvielfalt und Wasserwirtschaft zu bewältigen.“ Die „dringend benötigte grüne Oase“ ist ganz auf Erholung und Entspannung ausgerichtet. „Spaziert man durch den Park, hat man das Gefühl, die Stadt verlassen zu haben und in die Natur eingetaucht zu sein. So, dass man fast vergisst, dass man sich mitten im dichten Stadtzentrum befindet“, schildert der Architekt.
Die einladende Grünzone soll allen Arten von Leben das ganze Jahr über eine Bühne bieten. Als frei zugängliche Attraktion, in der nicht weniger als 628 Bäume, 80.000 Stauden und Büsche sowie 40.000 Zwiebelpflanzen aus aller Welt gedeihen. Insgesamt 223 exotische und einheimische Arten bilden eine lebendige, sich ständig wandelnde Kulisse. Aussehen, Duft, Farbe und Dichte der Bepflanzung variieren mit den Jahreszeiten. Vom üppig blühenden Frühling über grün-schattierte Sommer und leuchtende Rot- und Gelbtöne im Herbst bis zu immergrünen Kiefern und gefrorenen Teichen im Winter.
„Bühne“ für die Natur
Mit seiner großen Pflanzenvielfalt schafft der Opera Park reichhaltigen Lebensraum für Vögel und Insekten. „Der Park ist eine Bühne für das Naturerlebnis im Herzen von Kopenhagen. Wie eine Opernbühne, ist er eine komponierte Landschaft mit einem Vorder-, Mittel- und Hintergrund“, beschreibt Dan Stubbergaard. Was er meint, erklärt er etwa so: „Die 80.000 Pflanzen und mehr als 600 Bäume sind so platziert, dass sie auf natürliche Weise eine malerische Kulisse mit Blick auf den Hafen bilden. Das Gelände und die Bäume sind dort am höchsten, wo sie den Hintergrund bilden. Und im Vordergrund, zum Hafen hin, sind sie am niedrigsten.”
Neben den Gärten verfügt der Opera Park über ein zentrales Gewächshaus mit einem Café. Das hübsche Gebäude ist eine organisch geformte Glasstruktur mit schwebendem Dach, das durch die Grünanlage spazierende Besucher überraschen und anziehen soll. Zu jeder Jahreszeit. Auch im Winter, wenn andere Parks der Stadt zusehends verwaisen. Im Inneren des Gewächshauses liegt auch der Zugang zur Tiefgarage, die bis zu 300 Autos fasst. Hier haben sich die Architekten eine elegante Lösung einfallen lassen: Das subtropische Biotop verwebt den Park vertikal mit seinen unterirdischen Ebenen.
Vom Opera Park bequem zur Oper
Wer direkt vom Opera Park zur angrenzenden Königlichen Oper wandeln möchte, kann dies bequem bei jedem Wetter tun: Ein überdachter Steg auf einer begrünten Brücke sorgt für eine geschützte Verbindung. Und auch hier hat das Cobe Team eine elegante Idee umgesetzt: In Anlehnung an die Architektur des Gewächshauses harmoniert der Weg mit seinem geschwungenen Glas und schwebendem Dach mit der achtsamen Gestaltung der gesamten Anlage. Als eine von drei Brücken zur Insel ist die Verbindung wie ein Stück Natur designt, das den Hafenkanal überquert.
So genial urbanes Grün mit Direktverbindung zu Hochkultur auch ist: Nachhaltigkeit musste selbstverständlich ebenfalls gegeben sein. In diesem Sinne hat das Büro Cobe mehrere Maßnahmen gesetzt. So wird etwa Regenwasser als wertvolle Ressource für den Park betrachtet: Vom Dach der Königlichen Oper in unterirdische Reservoirs geleitet, wird es zur Bewässerung genutzt. Auch die begrünten Dächer von Landschaftsbrücke und Gewächshaus fangen Regenwasser auf und geben es zeitverzögert ans Gelände ab.
Sonnenkraft & Rad-Stellplätze
Solarzellen auf dem Dach der Oper versorgen Tiefgarage, Park und Gewächshaus mit Strom. In der Parkgarage stehen den Gästen E-Ladestationen zur Verfügung. Und, passend zur mit komfortablen Radwegen brillierenden Stadt, gibt’s auch 100 Fahrrad-Stellplätze.
Die für die neue Grünanlage gewählten Materialien sind robust und vollständig wiederverwertbar. Die vielen Bäume und Pflanzen wirken wie ein Schutzschirm, der den Opera Park gegen den starken Wind vom Hafen und vom Meer wappnet. Und das erhöhte Gelände schützt die Insel vor Überschwemmungen bei Starkregen und Anstieg des Wasserspiegels im Hafen.
Erholsam schöne Attraktion
Täglich von sieben bis 23 Uhr kostenlos zugänglich, hat der – von der A.P. Møller Foundation gestiftete – Opera Park der Stadt Kopenhagen ein schönes Highlight hinzugefügt. Eines, das sich ebenso zu besuchen lohnt, wie all die faszinierenden Neubauten, die die Stadt zur veritablen Wunderwelt für Architekturbegeisterte machen.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Francisco Tirado / Cobe