OPEN HOUSE WIEN: Sehen, was sonst verborgen glänzt. Zum Beispiel das nachhaltige „vivihouse“. (Bild: Dieter Henkel)
#architektur

Sehen, was sonst verborgen glänzt

Innovative Holzarchitektur, aktuelle Sanierungsprojekte und historische Baujuwele: Beim OPEN HOUSE WIEN Festival 2024 kann man mehr als 50 faszinierende Gebäude bestaunen. Ausnahmsweise auch von innen. Kostenfrei und auch für Laien spannend präsentiert.

Wie man es schafft, Neues zu errichten, das Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und individuelle Bedürfnisse der Nutzer unter einen Hut bringt? Das Pilotprojekt „vivihouse“ (siehe Beitragsbild!) in Wien Floridsdorf macht’s vor: Modular zu 90 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz, Stroh und Lehm gefertigt, erforscht es die Möglichkeiten urbanen Selbstbaus. Dazu gedacht, Gemeinschaften zu stärken – flexibel gestaltbar, inklusiv und für problemlosen Ab- und Wiederaufbau konzipiert.

Baukunst von Innen

Kurzum: Das „vivihouse“ ist ein wahres Gustostück für Architektur-Interessierte. Und eines, das am 14. und 15. September im Rahmen von OPEN HOUSE WIEN besichtigt werden kann. Denn das alljährliche Festival öffnet Besuchern auch heuer kostenlos die Türen beeindruckender Gebäude, die sonst begrenzt oder gar nicht öffentlich zugänglich sind. Das Rahmenthema des Jahres 2024 lautet „nachhaltige Stadtentwicklung“. Und es gibt drei Schwerpunkte, die die Bereiche Holz, Freiraum und Nachnutzung hervorheben.

Grandiose Architektur, hautnah erleben: Auch der von Adolf Loos gestaltete „Bridgeclub“ öffnet im Rahmen des Festivals seine Pforten. (Bild: Dieter Henkel)
Grandiose Architektur, hautnah erleben: Auch der von Adolf Loos gestaltete „Bridgeclub“ und …

Grandiose Architektur, hautnah erleben: Auch die Universitätsbibliothek öffnet im Rahmen des Festivals ihre Pforten. (Bild: Filmgut Thomas Zeller)
… die Universitätsbibliothek Wien öffnen im Rahmen des Festivals ihre Pforten für Besucher.

Mehr als 50 Baujuwele in und um Österreichs Bundeshauptstadt laden diesmal zur Innenschau. Von historischen Prachtbauten und spannenden Sanierungsprojekten bis zu modernen Holzkonstruktionen, wie eben dem vivihouse mit seinem innovativen System zum Selbstbau. Festival-Leiterin Christine Lechner erklärt, warum Letztere im Programm nicht fehlen durften: „Als nachwachsender Rohstoff und bedeutender CO2-Speicher trägt Holz wesentlich zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks bei.“ 

Visionäres aus Holz, Lehm & Stroh

Wie vielfältig Holz eingesetzt werden kann, können Besucher von OPEN HOUSE WIEN heuer natürlich in mehreren Gebäuden live betrachten. Ebenso, wie gelungene Kombinationen dieses Baustoffs mit anderen, nachhaltigen Naturmaterialien. So demonstriert „Strohfloh“ im niederösterreichischen Murstetten, welch angenehmes Raumklima sich im Holzbau durch Dämmung mit Strohballen ergibt. Der kleine Neubau glänzt allerdings auch durch bewusst geringen Bodenverbrauch und Nutzung von Baustoffen aus der eigenen Region. Und in der Wohnanlage „Auenweide“ kann man hautnah erleben, wie umwelt- und menschenfreundlich sich leistbarer Wohnraum schaffen lässt.

Wohnprojekt „Auenweide“: Alternativ finanzierte, nachhaltig gebaute und erschwingliche Lebensqualität. (Bild: Hertha Hurnaus)
Wohnprojekt „Auenweide“: Alternativ finanzierte, nachhaltig gebaute und erschwingliche Lebensqualität.

Ein weiteres interessantes Schaustück ist das Donaustädter Baugruppenprojekt Assemblage Niklas-Eslarn, bei dem Lehm direkt aus der Baugrube verarbeitet wurde. OPEN HOUSE Leiterin Lechner: „Die Kombination Holz-Lehm gewinnt zunehmend an Bedeutung, denn Lehm bietet großartige physikalische Eigenschaften, wie optimale Temperatur- und Feuchtigkeitsregulierung“.

Festival-Thema „Freiräume“

Im Rahmen des Schwerpunkts „Freiräume“ lädt das Festival heuer zur Besichtigung gelungener Beispiele für die Schaffung von mehr Grün im urbanen Raum. „Wir brauchen grüne Freibereiche, um gut in der Stadt leben zu können. Deshalb sind die für die Bevölkerung nun geöffnete Freie Mitte am Nordbahnhof oder die temporäre Begrünung des MuseumsQuartiers besonders begrüßenswert“, betont Co-Festival-Leiterin Barbara Libert.

OPEN HOUSE WIEN: Wohnkomfort in Holz und Stroh: Das kleine „Strohfloh“ Haus ist ein Modell für zukunftsorientiert nachhaltige Bauweise. (Bild: Juri Troy)
Wohnkomfort in Holz & Stroh: Das extravagante „Strohfloh“ Haus …

OPEN HOUSE WIEN: Wohnkomfort in Holz und Stroh: Das kleine „Strohfloh“ Haus ist ein Modell für zukunftsorientiert nachhaltige Bauweise. (Bild: Juri Troy)
… ist ein Top-Modell für zukunftsorientiert nachhaltige Bauweise.

Auch von den Akteuren selbst getragene Initiativen stehen auf dem Besuchsprogramm der beiden Festival-Tage. Dazu zählen etwa die gemeinschaftliche Initiative Schwimmverein Donaukanal sowie in Beteiligungsprozessen geplante und umgesetzte Projekte wie „Stadt aufmöbeln“ im Fritzi-Massary-Park oder die neue Wohnstraße TikTak Galilei in der Galileigasse.

Wie Fabriken Lebensräume werden

Wie gut sich indes einstige Fabriken und Gewerbehallen in moderne Wohn- und Arbeitsräume, Kulturzentren oder Freizeitbereiche verwandeln lassen, eröffnet OPEN HOUSE den Besuchern unter anderem in der ehemaligen Sargfabrik „Fabrik1230“.

Nicht minder spannend und diesmal mit im Programm: Die Favoritner „Gösserhalle“ und die erst seit kurzem leerstehende Ankerbrotfabrik mit dem ehemaligen Getreidespeicher. Letztere wird bald zum „Zukunftsanker“: Einem 120.000 Quadratmeter großen, Co2-neutralen Ökosystem, das bis zu 4.000 Arbeitsplätze für Unternehmen und Akteure schafft, die sich mit Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft beschäftigen.

Klein, aber fein: Das Projekt „Stadt aufmöbeln“ setzt einen offenen Treffpunkt in die Stadt. (Bild: Dieter Henkel)
Klein, aber fein: Das Projekt „Stadt aufmöbeln“ setzt einen offenen Treffpunkt in die Stadt.

Umnutzung zugunsten der Stadtbewohner: Die verwaiste Ankerbrotfabrik wird zum „Zukunftsanker“. (Bild: Filmgut Thomas Zeller)
Umnutzung statt Abrissbirne: Die verwaiste Ankerbrotfabrik wird zum „Zukunftsanker“.

Dass man – wie jedes Jahr – heuer auch wieder das Innenleben grandioser historischer Gebäude erkunden kann, versteht sich von selbst. So öffnen diesmal faszinierende architektonische Kunstwerke wie der von Adolf Loos gestaltete, jahrzehntelang verschollen geglaubte „Bridgeclub“ in einem Innenstadtpalais ihre Türen. Ebenso, wie die von Heinrich von Ferstel konzipierte Universitätsbibliothek oder das Volkskundemuseum im Gartenpalais Schönborn, dessen Originalzustand bald einer Generalsanierung weichen wird.

Faszination Stadtarchitektur

Weil OPEN HOUSE WIEN heuer sein zehnjähriges Jubiläum feiert, haben sich die Festival-Leiterinnen zudem ein Extra einfallen lassen: Neben vielen erstmals teilnehmenden Gebäuden wird auch eine Auswahl der beliebtesten Objekte der vergangenen Jahre erneut Besuchern offen stehen.

Wie eine Zeitreise: Das Gartenpalais Schönborn, das seiner Sanierung entgegengeht, kann beim OPEN HOUSE WIEN Festival letztmals im Originalzustand betrachtet werden. (Bild: Kollektiv Fischka Kramar)
Wie eine Zeitreise: Das Gartenpalais Schönborn, das seiner Sanierung entgegengeht, kann beim OPEN HOUSE WIEN Festival letztmals im Originalzustand betrachtet werden.

Am Ziel des Festivals hat sich seit dessen Geburtsstunde nichts geändert: Es soll der Öffentlichkeit Stadtgestaltung und Architektur nahebringen. In für Laien verständlicher Sprache, kostenlos und mit viel interessanter Hintergrundinformation. Weil Architektur das Leben aller beeinflusst. Und weil die Beschäftigung damit den Blick für die Stadt selbst und die Identifikation mit dem eigenen Umfeld fördert. 

OPEN HOUSE WIEN & um die Welt

Eine Vision, die übrigens nicht allein die Organisatoren des OPEN HOUSE WIEN beflügelt. Denn das Festival ist Teil der weltweiten Initiative OPEN HOUSE WORLDWIDE, die mit rund 60 solchen Veranstaltungen auf allen fünf Kontinenten regelmäßig mehr als eine Million Besucher lockt. 

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Dieter Henkel, Juri Troy, Filmgut Thomas Zeller, Kollektiv Fischka Kramar, Hertha Hurnaus

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