Holz für Londons Skyline
Forscher der Cambridge University helfen dabei, Londons fantastische Vision eines Woodscrapers umzusetzen. Der Oakwood Timber Tower soll 300 Meter in den Himmel ragen und sich mit dem höchsten Gebäude der Stadt messen.
Die geplante Lage könnte nicht sinnbildlicher sein. In der Mitte von Londons denkmalgeschützter Beton-Siedlung, dem Barbican Estate, soll ein neuer Skyscraper entstehen, der zu einem großen Teil aus Holz gebaut ist. Eine hölzerne Speerspitze der nachhaltigen Architektur, die aus dem CO₂-intensiven Erbe des Brutalismus ragt. Metaphorischer geht es kaum. Der als Wohnprojekt geplante Oakwood Timber Tower ist ein Entwurf von PLP Architecture, der in Kollaboration mit dem Center for Natural Material Innovation der Universität Cambridge entstanden ist.
Wer sich bereits auf die Aussicht von Londons neuem Woodscraper auf die umliegenden Wolkenkratzer freut, muss enttäuscht werden. Das Projekt befindet sich derzeit noch im Forschungsstadium. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Architekten arbeitet fieberhaft an der Machbarkeit des gigantischen Holzturms. Sie forschen auf allen Ebenen – von der mikroskopischen Zellstruktur des Holzes bis zur Belastbarkeit des Hochhauses bei starkem Wind.
Holzbau im Höhenflug
Das Forschungskollektiv hat es sich zum Ziel gesetzt, den Einsatz von Holz als Hauptbaumaterial für Highrise-Konstruktionen voranzutreiben. Derzeit setzen Experten bereits weltweit auf den nachwachsenden Rohstoff als Baumaterial der Zukunft. Neben seiner Fähigkeit, CO₂ während des Wachstums zu binden, hat Holz ausgezeichnete Materialeigenschaften und ein geringes Eigengewicht. Der hohe Grad an Vorfertigung verkürzt zudem die Bauzeit.
Modulare Paneele aus Brettsperrholz können oft in einem Drittel der Zeit gebaut werden. Sie brauchen weniger Arbeitskraft und erzeugen weitaus weniger Lärm als Beton-Elemente.
Kevin Flanagan, PLP Architecture
Während man beim Berliner WoHo und Eindhovens Dutch Mountains gerade dabei ist, die 100-Meter-Marke im Holzbau zu knacken, sind die Ziele für Londons Skyline-Zuwachs deutlich höher gesteckt. Mit geplanten 300 Metern Höhe liegt der Oakwood Timber Tower knapp unter jener von The Shard. Der 310 Meter hohe Tower von Architekt Renzo Piano ist der derzeit höchste Wolkenkratzer Londons und der Europäischen Union.
Vorsprung durch Brettsperrholz
Das Zauberwort für den höhentauglichen Holzbau lautet Cross Laminated Timber (CLT), zu Deutsch Brettsperrholz. Die Entwicklung von entsprechenden Produkten hat seit den 1990er-Jahren an Fahrt aufgenommen. Österreich und Deutschland zählen zu den wichtigsten europäischen Produzenten und Exporteuren in diesem enormen Wachstumsmarkt.
„Modulare Paneele aus Brettsperrholz können oft in einem Drittel der Zeit gebaut werden. Sie brauchen weniger Arbeitskraft und erzeugen weitaus weniger Lärm als Beton-Elemente“, betont Kevin Flanagan, der architektonische Leiter des Oakwood Timber Tower. Das geringe Gewicht des Holzes biete zudem enorme Vorteile im Städtebau.
Holzgebäude sind von Natur aus sehr leicht und benötigen ein weniger tiefes Fundament. Das heißt, sie sind ideal für Bauplätze in großen Städten.
Kevin Flanagan, PLP Architecture
Vorteile der Leichtbauweise
„Holzgebäude sind von Natur aus sehr leicht und benötigen ein weniger tiefes Fundament. Das heißt, sie sind ideal für Bauplätze in großen Städten, unter denen sich Infrastruktur wie etwa Tunnels befinden“. In Holz gebaut hat der Tower in etwa ein Viertel des Gewichtes, das eine entsprechende Struktur aus Stahl und Beton haben würde.
Immer wieder geäußerte Bedenken zum Brandschutz von Holz-Hochhäusern kann Flanagan durch aktuelle Forschungsergebnisse entkräften. So, wie der Holz-Tower geplant ist, würde er die bestehenden Brandschutzvorschriften mehr als nur erfüllen. „Die Kreuz-Laminierung ermöglicht ein neues Maß an Qualitätskontrolle und Brandschutz. Sie bringt eine neue Struktur und eine neue Form mit sich“, führt Flanagan aus.
Eine neue Dimension im Städtebau
Für die Architekten bricht mit dem Bau von Holz-Hochhäusern eine neue Ära an. „Genauso wie die Innovationen in Stahl, Glas und Beton die Bauwerke des 19. und 20. Jahrhunderts revolutionierten, so können die Innovationen im Holzbau eine neue Dimension im Städtebau des 21. Jahrhunderts eröffnen“, wie es heißt.
PLP Architecture zählt zu den globalen Playern der Baubranche und hat mit dem Projekt 22 Bishopsgate bereits das höchste Niedrigenergie-Hochhaus der Welt vorgelegt. Mit dem Oakwood Timber Tower auf dem Gelände des Londoner Barbican wollen die Architekten den mittlerweile nostalgisch beäugten Beton brut der Vergangenheit mit dem zukunftsweisenden Holzbau der Zukunft versöhnen.
Text: Gertraud Gerst
Bilder: PLP Architecture