Singapurs grüne Achse
Singapur unterzieht das öffentliche Straßen- und Verkehrsnetz einer gründlichen Begrünung. Gemeinsam mit dem dänischen Architekturbüro Henning Larsen entsteht mit dem North-South-Corridor, einem der wichtigsten Hauptverkehrswege des Landes, eine grüne Achse der Verbindung.
Man stelle sich vor: eine Millionenstadt mitten im Grünen. Blühende Blumenbeete und breite Alleen rahmen das Stadtbild. Von Staus und Autolärm gibt es weit und breit keine Spur, stattdessen dominieren Fuß- und Fahrradwege das bunte Verkehrstreiben. Nebenher surren leise Elektrobusse auf eigenen Fahrstreifen vorbei. Der dicht begrünte, öffentliche Raum stellt eine Begegnungszone dar, in der kulturelle Highlights zur Schau stehen und sich die ganze Nachbarschaft zum Plaudern trifft.
Was zunächst sehr utopisch klingt, soll mit Hilfe des renommierten Architekturstudios Henning Larsen und der Unternehmen Ramboll, Cistri, Gehl, Participate in Design, und Camphora in Singapur bald Realität sein.
Pläne und Ideen, den öffentlichen Raum und das Verkehrsnetz grundlegend zu überarbeiten, gibt es im südostasiatischen Inselstadtstaat bereits seit etwa 2008. Ursprünglich war dabei hauptsächlich eine Schnellstraße, der North-South-Expressway, vorgesehen, die das hohe Verkehrsaufkommen ins und aus dem Stadtzentrum beziehungsweise entlang der Nord-Süd-Achse des Inselstaats entlasten sollte. Durch einige Verzögerungen musste man die Pläne mehrfach überarbeiten und den Fokus, entsprechend der Klimaziele Singapurs, auf die Integration von gemeinschaftsorientierten Räumen sowie eines Walk-Ride-Cycle-Konzepts setzen. Damit soll sowohl das Sozialgefüge gestärkt als auch der öffentliche Verkehr sowie Fußgänger und Fahrradfahrer begünstigt werden.
Lebensraum der Vielfalt
Das gesamte Projekt umfasst einerseits das Konzept für den North-South-Corridor-Expressway, der als Tunnel oder Viadukt verläuft. Andererseits ist vor allem die Oberflächengestaltung des Projekts von Bedeutung. Und damit der Aufgabenbereich der Teams von Henning Larsen und Co. Das Stadtumgestaltungsprojekt misst insgesamt rund 22 Kilometer und unterteilt sich in die vier Segmente Industrie, Ökologie, Wellness und Gesundheit sowie eines rund um das kulturelle Erbe Singapurs. Entlang des North-South-Corridors sollen also verschiedenste Lebensbereiche von Arbeit bis Freizeit, Erholung und Sport sowie Natur und Kultur miteinander verknüpft werden können.
Der Masterplan hinter dem Projekt entspricht der Vision Singapurs, eine grüne Stadt – beziehungsweise Nation – zu werden. Der Korridor soll Inklusivität und die lokale Kultur widerspiegeln und fördern, indem er anpassbare, öffentliche Räume schafft. Räume, die den Anforderungen von gegenwärtigen wie zukünftigen Generationen entsprechen. Mit Hilfe einer grünen Transformation soll der Korridor Stadtteile verbinden, an bestehende Parks und Grünflächen anschließen, sowie die städtische Artenvielfalt und ihre Ökosysteme verbessern.
Hand in Hand mit der Bevölkerung
Unabhängig von den verschiedenen Segmenten finden sich entlang des Korridors mehr als 20 Stationen, die die Vielfalt und Einzigartigkeit der angrenzenden Viertel widerspiegeln sollen. Auch den Spitznamen „Korridor für die Nation“ hat man sich zu Herzen genommen. Dafür spricht beispielsweise, dass das Projekt in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Anwohnern umgesetzt werden soll. So wurden unter anderem eine Reihe von Workshops organisiert, um die Meinungen und Ideen der Öffentlichkeit miteinzubringen und die Einbindung der Bevölkerung sicherzustellen.
Wir gestalten nicht nur eine Autobahn neu. Wir schaffen einen dynamischen, atmenden Lebensraum. Lebensraum, der auch in Zukunft noch als Vorzeigemodell für Mobilität und urbane Lebensführung herangezogen werden kann.
Leonard Ng, Country Market Director, Henning Larsen Singapur
Leonard Ng, Country Market Director bei Henning Larsen Singapur, fasst zusammen: „Wir gestalten nicht nur eine Autobahn neu. Wir schaffen einen dynamischen, atmenden Lebensraum. Dieser kann auch in Zukunft noch als Vorzeigemodell für Mobilität und urbane Lebensgestaltung herangezogen werden und weltweit zu ähnlichen Transformationen in Städten inspirieren. In Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft bauen wir einen Korridor, der mit der Stadt mitwächst. Und der sich mit ihr entwickeln wird, damit Singapur auch für zukünftige Generationen weiterhin resilient, inklusiv und farbenfroh bleiben kann.“
Laut den Architekten von Henning Larsen und Co soll man den Masterplan noch bis 2026 ausarbeiten und fertigstellen. Ab 2027 will man die Bauarbeiten dann schrittweise in Angriff nehmen. Geplant ist die Fertigstellung des gesamten Projektes bis Ende des Jahres 2029.
Text: Rabea Scheger
Fotos: Vivid Vision, Henning Larsen Architects