Markenkeramik aus dem 3D-Drucker
Studio RAP hat die berühmte Porzellanware Delfter Blau als 3D-Version aus dem Drucker geholt. Im Rahmen des Projekts New Delft Blue hat das Design-Büro zwei Torbögen mit 3.000 einzigartigen blauen Fliesen ausgekleidet – in Delft natürlich.
Es wird philosophisch: Soll man wirklich versuchen, alles was möglich ist, mit dem 3D-Drucker herzustellen? Mutet es nicht fast etwas pietätlos an, jahrhundertealte Handwerkskunst auf eine hochtechnisierte Serienproduktion runter zu brechen? Letztendlich kann das jeder nur für sich beantworten.
3D-Druck-Pionierprojekt New Delft Blue
Zweifellos aber ist die berühmte Keramikart Delfter Blau, die seit dem frühen 17. Jahrhundert in den Niederlanden in zahlreichen Töpfereien gebrannt und bemalt wird, eine Kostbarkeit. Die Fayencen mit der typischen Farbgebung werden übrigens immer noch hergestellt, von Royal Delft.
Nicht minder beeindruckend, als die historischen kunsthandwerklichen Schätze, ist das Ergebnis des Projekts New Delft Blue des niederländischen Studios RAP. Die Designer verstehen ihre 3D-gedruckte Porzellan-Version als Hommage an die beliebte niederländische Marke. Nun wurden Treppen und zwei Torbögen in einem Wohngebäude in Delft mit nicht weniger als 3.000 der einzigartigen, algorithmisch gestalteten, blau eingefärbten Fliesen ausgekleidet.
3D-gedruckte Architekturtechnologie ermöglicht mittlerweile sehr viel: Von Mikro-Häusern bis hin zu großen Gebäuden. Aber bisher sahen die Projekte eher uninspiriert aus. Der 3D-Druck wird bisher hauptsächlich mit Kunststoffprodukten oder Betonkonstruktionen in Verbindung gebracht.
Dabei ist so viel mehr möglich, wie Studio RAP beweist. Und: Die neuen Delfter Blau-Relieffliesen seien nicht nur ein Prototyp, sondern ein vollwertiges Veredelungsmaterial, wie es heißt.
Einladendes blaues Prunkstück
Die genannten Torbögen gehören zu einem kürzlich fertiggestellten Wohnprojekt, das PoortMeesters-Haus am Rande des historischen Zentrums von Delft. Es ist ein urbanes und charaktervolles Wohngebäude mit 59 großzügigen Stadthäusern und 55 Luxuswohnungen am „Ufer“ von Nieuw Delft.
Die Durchgänge umrahmen den Zutritt zum Innenhofgarten im Zentrum der Wohnsiedlung. Sie haben eine Breite von etwa vier Metern, eine Höhe von acht Metern, und eine Tiefe von zwölf Metern.
Die Anordnung der Fliesen wurde durch einen von Studio RAP erstellten Algorithmus bestimmt. Die Muster in blattähnlicher Form basieren auf jenen des historischen Delfter Porzellans.
Die Fliesen, die nun Außentreppen und Durchgänge verzieren, ziehen die Menschen mit ihren figurativen Blattmustern regelrecht in den Innenhof hinein. Inspiriert von den Naturszenen und der pastoralen Idylle, die in der traditionellen Delfter Keramik üblich sind, deuten das Relief, die Erhebungen der Fliesen sanfte Hügel und Täler an.
Blau in allen Schattierungen
Jede Fliese ist für sich genommen einzigartig, jedes Blatt ein Unikum. Jedes Mal, wenn man durch eines der Tore geht, entdeckt man möglicherweise etwas anderes, ein neues Detail.
Das Projekt steht auf zeitgemäße Weise für die unvergleichliche Identität und Geschichte von Delft. Gleichzeitig verweisen die algorithmisch gestalteten, von der Natur inspirierten Kacheln in blau, die mithilfe modernster Design- und 3D-Druck-Technologie entstanden sind, auf Delft als Stadt des Wissens.
Lucas ter Hall, Mitbegründer von Studio RAP
Denn beim Auftragen der transparenten, blauen, flüssigen Glasur erhält man auf den konvexen Teilen der Fliesen eine hellblaue Farbe, während sich in den konkaven Tälern tiefblaue „Glasurpools“ bilden. Insgesamt entstehen so sanfte Übergänge zwischen sämtlichen Blautönen.
Betrachtet man den Herstellungsprozess von der technischen Seite, so zeigen sich die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des 3D-Drucks.
Volle Kontrolle über das komplexe Design
Die Herstellungsweise von New Delft Blue hätte dem Studio jederzeit die volle Kontrolle über das komplexe Design gegeben. „Mit dem 3D-Druck erhielten wir mehr Kontrolle über den endgültigen Entwurf, die Zeitplanung und die Baukosten“, erklärt Lucas ter Hall, Mitbegründer von Studio RAP. Die Torbögen von PoortMeesters waren das erste Großprojekt, bei dem dieses Material zum Einsatz kam.
Im 3D-Druck lassen sich maximaler Überstand, exakte Breite, Höhe und Tiefe definieren. Im Rahmen von Vorstudien haben die RAP-Designer das Verhalten des Materials während der Produktion, seine Schrumpfung und die Merkmale der inneren Stütz- und Tragstruktur untersucht.
Bei der Herstellung gelangt ein Extruder zum Einsatz. Das ist eine Art Förderanlage, mit der die Tonmischung unter hohem Druck durch eine formgebende Öffnung gepresst wird. Jede Fliese misst etwa 30 Mal 40 Mal sieben Zentimeter. Es dauert pro Fliese rund 15 Minuten bis sie fertig ist. Nach der Formgebung wurden die Fliesen glasiert und gebrannt. Bei den Formen kann man freilich variieren. Der Prozess gleicht einer poetischen Art des „Malens mit Formen“, heißt es bei Studio RAP.
Über Studio RAP
Das Team von Studio RAP besteht aus Architekten, Designern, Entwicklern und Forschern. Man heftet sich nichts geringeres auf die Fahnen, als „den Beruf des Architekten neu zu definieren“. Jedenfalls möchte Studio RAP die bedeutende Rolle des Architekten im Entwurfs- und Realisierungsprozess der gebauten Umwelt zurückgewinnen.
Das in Rotterdam ansässige Studio RAP wurde von Ter Hall zusammen mit Wessel van Beerendonk und Léon Spikker gegründet. Abgesehen von den Torbögen von PoortMeesters hat Studio RAP bereits eine 3D-gedruckte Außenfassade für eine Luxus-Boutique in Amsterdam hergestellt.
Text: Linda Benkö
Fotos: Riccardo De Vecchi / Studio RAP