Eine andächtige Sache
Die edlen Tropfen des Weinguts Château Angélus werden nun zusätzlich in Libourne in Frankreich erzeugt. Der neue Weinkeller, von Eric Castagnotto entworfen, wirkt wohl nicht zufällig wie ein Kirchenschiff.
Château Angélus hat eine neue Weinkellerei. Entworfen hat sie der französische Architekt Eric Castagnotto. Das BREEAM-zertifizierte Gebäude ähnelt einem Kirchenschiff und bietet damit einen würdevollen Rahmen für die himmlischen und vielfach prämierten Produkte, die darin entstehen.
Im neuen Weinkeller in Libourne, in der französischen Weinregion Bordeaux, wird der Wein Carillon d’Angélus sowie der neueste von Château Angélus, der Tempo d’Angélus, hergestellt.
„Wein saufen ist Sünde, Wein trinken ist beten“, lautet eine Wein-Weisheit. Und so könnte man die Herstellung der edlen Tropfen als andächtigen Vorgang verstehen – zumal Weinkultur und Kirche seit jeher eine fruchtbare Kombination sind. Davon gibt es viele Zeugnisse, beispielsweise die Bezeichnungen vieler Lagen.
Eine Kellerei wie ein Kirchenschiff
Auch der Name des heute bereits in achter Generation der Familie de Boüard-Rivoal geleiteten Weinguts verrät kirchliche Affinität: Es erhielt seinen Namen aufgrund seiner Nähe zu drei örtlichen Gotteshäusern. Der Angelus oder „Engel des Herrn“ ist eine alte Gebetstradition.
Architekt Eric Castagnotto dürfte all diese Zusammenhänge bei der Planung der neuen Kellerei ins Kalkül gezogen haben. Denn sie sieht ein wenig wie ein Kirchenschiff aus.
Die alte Weinkellerei von Carillon d’Angélus, die sich auf dem traditionellen Weingut in Saint-Emilion befindet, war zu eng geworden. Jedoch waren die Möglichkeiten für neue, effizientere und innovativere Anlagen in der UNESCO-Weltkulturerbestätte limitiert.
Zur Erprobung von Prototypen geeignet
Und aufgrund der daraus resultierenden architektonischen Zwänge machte man sich gleich auf die Suche nach einem geeigneten Stück Land, um von Grund auf neu zu errichten.
Die neue Kellerei liegt mit einer Fläche von 4.400 Quadratmetern auf einem 3,3 Hektar großen Grundstück. Und sie ist mit allem bestückt, was dazu beiträgt, dass große Weine entstehen können: Traubenannahme mit optischer Sortierung, Keller für die malolaktische Gärung und für die Reifung, Abfüll- und Etikettieranlage.
Energieautarker Weinkeller
Die moderne Stickstoffproduktionsanlage hilft die unerwünschte Oxidation während der Weinbereitung und des Ausbaus vermeiden. Zudem eigne sich die neue Weinkellerei unter anderem mit elektronischen Mostmessgeräten hervorragend, um neue Prototypen zu erproben, heißt es bei Château Angélus.
Mit Hilfe von Photovoltaik-Paneelen kann ein Teil des für den Betrieb des neuen Gebäudes benötigten Stroms selbst erzeugt werden. Das Gebäude ist nach dem britischen Standard BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) zertifiziert.
Spektakuläre Kellerei-Architektur als Marketinginstrument
Neue Kellertechniken verlangen nach dazugehörigen Kellereien und auch Schau- sowie Verkostungsräumlichkeiten. Und so ist in den vergangenen Jahren die Beauftragung namhafter Architekten beziehungsweise die Auslobung von Architektenwettbewerben für Neu- und Umbauten von Weinkellereien schwer in Mode gekommen. Die Weingüter erhalten so kreative und innovative Lösungen, die internationales Aufsehen erregen. Zudem eignet sich interessante Kellerei-Architektur prächtig als Marketing- und Weintourismusinstrument.
Auch Größen wie der spanische Star-Architekt Santiago Calatrava mischen hier mit. Auf sein Konto geht die 2001 fertig gestellte Bodegas Ysios am Fuße des Laguardia-Gebirges gelegen. Die Struktur des Daches besteht aus riesigen Aluminiumstäben, die mit der umgebenden Natur harmonieren. Der Hauptteil des Gebäudes aus kupferfarben lasiertem Zedernholz ist eine Referenz an die riesigen Weinfässer.
Riesig und mit einer spektakulären Treppe präsentiert sich das Weingut Beronia in Ollauri in der Region La Rioja, ebenfalls in Spanien, nach einem Entwurf von IDOM.
Auch in Österreich findet sich innovative Kellerei-Architektur, die die Handschrift internationaler Star-Architekten trägt: So wurde beispielsweise erst vor kurzem der Erweiterungsbau des Loisium durch Steven Holl Architects fertig.
Fassade folgt der Topographie
Beim Weingut in Chianti in Italien, nach einem Entwurf der Architekten von IB Studio, stimmt die Hauptfassade mit der einzigartigen Topographie des Ortes überein: Es ist eine bogenförmige Steinmauer, die der Struktur des Bodens und der Hügel folgt. Über verschiedene Wege können die Besucher die umliegende Landschaft aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Und alle münden in einen versteckten Garten, in dem sich der gläserne Pavillon für Verkostung und Verkauf befindet.
Kein geringer als der einflussreiche britische Architekt Norman Foster hat sich der Planung des Weinguts Le Dôme von Jonathan Maltus angenommen. In Bordeaux gelegen, nähern sich die Besucher dem Weingut über eine von Bäumen gesäumte Allee. An deren Ende liegt das kreisförmige Gebäude mit den zwei Rampen: Die äußere Rampe betont den Bezug zum Gelände, die innere ermöglicht es, die verschiedenen Stadien der Weinherstellung zu durchlaufen.
Beide Rampen führen zu einer Galerie im Obergeschoss, die das soziale Herz des Gebäudes mit Verkostungstischen, einer eleganten Weinbar und Multimedia-Räumen bildet. Von dort aus hat man einen 360-Grad-Blick auf die angrenzenden Weinberge.
Das Weingut Malibu Rocky Oaks, designed vom Architekten Bob Easton, schießt aber fast den Vogel ab: In den USA nahe bei den Santa Monica Mountains gelegen hat dieses Weingut im toskanischen Stil viel aufzuwarten: Hubschrauberlandeplatz, Infinity-Pool, Weinberg natürlich, plus ein beeindruckender Panorama-Blick über die sanften Hügel bis zum Meer.
Text: Linda Benkö
Fotos: Deepix / v2com, IB Studio / Arch. Invernizzi & Bonzanigo, Art Anderson / wikimedia, Nigel Young / Foster + Partners