Haus im Hügel
Das NCaved House auf der griechischen Insel Serifos ist ein Fall von topografischer Camouflage. Von außen ist es kaum auszumachen, im Inneren erwartet den Betrachter ein freier Blick zum Horizont.
Ein eigenes Grundstück an einer einsamen Felsenbucht ist wohl der Traum jedes Griechenlandurlaubers. Frei nach dem Motto: irgendwann einfach dort bleiben. Auf der Kykladeninsel Serifos hat sich ein Bauherrrenpaar diesen Traum erfüllt. Im Gegensatz zu einer von weitem zu bestaunenden Villa, ist dieses Traumhaus für Spaziergänger allerdings kaum auszumachen. Um dem starken Nordwind zu trotzen und möglichst wenig in die Topografie der Landschaft einzugreifen, entwarf das Büro Mold Architects Wohnräume, die unter der Erde liegen. Das NCaved House, was soviel bedeutet wie „eingegrabenes Haus“, betreibt an der Oberfläche Camouflage und überrascht im Inneren mit einem großzügigen Loft und spektakulärem Ausblick.
Der Raum als Negativ
Das Haus befindet sich nur weniger Meter von den Klippen entfernt. Das Prinzip eines höhlenartigen Baues hat etwas Archaisches. Ein durch Erdreich abgegrenzter Raum, der vor Wind, Wetter und Einblicken schützt. Eine Steintreppe gräbt eine Schneise in den Felsen und verbindet die drei Wohnebenen miteinander. Sie mündet am unteren Ende in den Haupteingang, wo sich das Wohnloft befindet.
„Dieser sanfte Abstieg ins Innere offenbart die versteckten Räume des Hauses und schafft einen zweiseitigen Ausblick: eine visuelle Flucht zum Meer hin während des Abstiegs und eine zum Himmel während des Aufstiegs“, beschreibt Mold Architects die Erschließung des Hauses. Diese in die Erde eingelassenen Kubaturen seien im Grunde „Negativ-Räume“, die durch Aushub und Einschnitt in das felsige Terrain entstanden sind. Ein ähnliches Konzept wie beim Dune House in Cape Cod, dessen Architekt von „subtraktiver Architektur“ spricht.
Die Rauheit einer Höhle
Das von der Architektin Iliana Kerestetzi in Athen geführte Büro wählte für den Innenbereich die Materialien Stein, Sichtbeton, Holz und Metall. Diese Materialien haben die Architekten mit ihrer naturbelassenen, rohen Oberfläche, aber in sehr exakten geometrischen Kompositionen eingesetzt. Es sollte eine innere Hülle entstehen, die an das umgebende Material anknüpft. „Es war diese Rauheit einer natürlichen Höhle, die wir mit unserer Wahl an Materialien und Farben nachempfinden wollten.“
Es war diese Rauheit einer natürlichen Höhle, die wir mit unserer Wahl an Materialien und Farben nachempfinden wollten.
Mold Architects
Die Längswände des Hauses bestehen aus Trockensteinmauern, die die Innen- und Außenräume einfassen. „Sie bilden die vertikalen Begrenzungen und lenken den Blick des Betrachters auf den Horizont“, heißt es im Steckbrief des Projektes. Im Gegensatz zu den massiven Steinmauern sind die Querfassaden leicht. Sie bestehen aus Glas und lassen sich über die gesamte Länge öffnen. Während die Front des Hauses einen unverstellten Blick auf das Meer bietet, verfügen die hinteren Räume über einen Ausblick auf begrünte Patios.
Eine dynamische Präsenz
Diese Patios sorgen für die nötige Luftzirkulation und bringen zusätzliches Tageslicht ins Innere. Zusammen mit den Steinfassaden, einer entsprechenden Isolierung und energieeffizientem Glas schaffe das NCaved House hervorragende bioklimatische Bedingungen, wie die Architekten betonen.
Die fest montierten horizontalen Brisesoleils sind die einzigen Bauelemente, die aus der Topografie hervorragen. Aus bestimmten Blickwinkeln wirken diese baulichen Sonnenschutzvorrichtungen wie Flügel, die laut Architekten über der Oberfläche zu schweben scheinen. „Sie sind wie ein Hinweis auf die physische Anwesenheit des Wohnhauses, das in die Landschaft integriert ist und dennoch eine dynamische Präsenz aufweist.“
Die fehlende Absturzsicherung über den Treppen und Terrassen scheint sich mit den örtlichen Bauvorschriften nicht zu spießen. Grundsätzlich ließe sich der Entwurf auch in unseren Breitengraden umsetzen. Dafür müsste das Haus allerdings mit vielen Laufmetern an absturzsicherem Geländer ausgestattet werden.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Yiorgis Yerolympos, Panagiotism Voumbakis, Mold Architects