Nachhaltigkeit mit Nano-Präzision
Ein Denkraum für die Technologien der Zukunft verpackt in mondänes, beständiges Design. So präsentiert sich das neue Headquarter von Yangtze River Delta Investment in Shanghai. Zwei international geschätzte deutsche Unternehmen haben daran mitgewirkt.
Nachhaltigkeit ist ein viel strapazierter Begriff. Das ist auch gut so, denn für die Erhaltung und Gestaltung einer lebenswerten Welt sollte in so vielen Bereichen wie möglich nach Entwicklungen und Optimierungen geforscht werden. Vor allen, wenn man nachhaltig als „was sich langfristig bewährt“ definiert.
Deutsche Architektur-Kompetenz
Im Westen Shanghais hat man sich so einem progressiven Zugang zur Nachhaltigkeit verschrieben. Dazu dient ein neuer Tech-Campus, der vom renommierten deutschen Büro gmp Architekten entworfen wurde. Für das innenarchitektonische Design zeigte sich die vielseitige und angesehene Ippolito Fleitz Group aus Stuttgart verantwortlich.
Bauherr und Inhaber ist der aktiennotierte Konzern Yangtze River Delta Investment, der laut Wall Street Journal sehr breit aufgestellt ist: von Produktion, Verkauf und Vertrieb über Transport, Logistik und Handel bis zu Vermietung und Entwicklung von Grundstücken und Immobilien. Dazu ist man im Tourismus- und Restaurantgeschäft tätig.
Weiße Strahlkraft für Innovation und Präzision
Im Tech-Campus im Qingpu District sollen sich neben dem Headquarter des Industrie- und Immobilienmultis auch bis zu 200 nationale und internationale IT-Unternehmen ansiedeln. Dabei soll der Fokus auf so zukunftsträchtigen Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Biotech, Healthcare (Gesundheitswesen) und New Materials (neue Werkstoffe) liegen.
Für die Innenarchitekten der Ippolito Fleitz Group stand dabei diese Designsprache im Vordergrund: „In unserem Interieur übersetzen wir die Präzision eines Nanochips in eine strukturelle Klarheit, in der Weiß-auf-Weiß-Formen und -Oberflächen miteinander verschmelzen und einen Raum schaffen, der für die Strahlkraft der Innovation spricht und auf eine Kombination aus Präzision und Vitalität setzt.“
Kräftige italienische Stilnoten
Gleich in der weitläufigen Lobby beweisen die Gestalter, wie sie beeindruckende Eleganz mit einer Jahrhunderte überdauernden Beständigkeit verbinden. „Hier trifft weißer, glattpolierter Marmorboden auf die ausdrucksstarke Modellierung eines italienischen Wandterrazzos, der durch seine angeschrägte Versetzung gezielt Tageslicht in den Eingangsbereich durchbrechen lässt“, heißt das in ihren Worten.
Der ideelle Zweck dahinter: „Die offene und lichthelle Gestaltung macht in ihrer Großzügigkeit die visionären Dimensionen der neuen zukunftstreibenden Technologien spürbar, die hier im Entstehen sind.“ Auch die Form- und Farbgebung spielen dabei eine wesentliche Rolle und „erzeugen im Zusammenspiel ihrer Materialität eine Wahrnehmungstiefe, die das Abstrakte als Möglichkeitsraum hervortreten lässt.“
Der Riesenring des Fortschritts
Das zentrale Highlight dieser ausladenden „Halle der Ideen“ ist ein jadegrüner Empfangstresen aus Marmor. Dieser „zieht sich spitz und scharfkantig durch den Raum und sucht mit seiner Faserung den Kontakt zu Boden und Decke“, erläutern die Designer. An einem Ende durchläuft der Riesen-Steintisch einen Ring, der fünf Meter im Durchmesser groß ist und „wie ein Rad im Raum zu stehen scheint“.
Gute und nachhaltige Entwicklung setzt etwas in Bewegung, zieht Kreise, geht über, findet ihren Abschluss in der Unabgeschlossenheit – um dann aufs Neue loszurollen.
Ippolito Fleitz Group
Der Ring wiederum ist ein Ausdruck für „das Grundverständnis von Fortschritt und Entwicklung als iterative Prozesse“ – also sich ständig wiederholende. „Deshalb reagiert auch der Boden auf die Installation und zitiert das Grün des Tresens. Als wäre ein Kieselstein ins Wasser geworfen worden“, so die Architekten der Ippolito Fleitz Group. „Denn gute und nachhaltige Entwicklung setzt etwas in Bewegung, zieht Kreise, geht über, findet ihren Abschluss in der Unabgeschlossenheit – um dann aufs Neue loszurollen.“
Ein zweiter Empfangsbereich
Auch in den Aufzugsvorräumen setzt sich die Gestaltungssprache der Lobby konsequent fort, wobei die bekannte Paarung aus weißem und grünem Naturstein um eine schwarze Metallverkleidung ergänzt wird. Mit dem Lift geht es in den 9. Stock hinauf, wo sich über zwei Etagen der eigene Empfangsbereich der Immobilien-Inhaber erstreckt.
Erneut dient ein futuristisch anmutendes Element, um zwei Stockwerke miteinander zu verbinden und dabei die Grenzen des Unendlichen anzudeuten. In diesem Fall ist das eine weiße Treppe, „die weich und geschwungen eine ikonografische Wirkung erzielt“, wie die Designer erklären. „In ihrer Größe wirkt sie skulptural, aber dynamisch, abstrakt und trotzdem voller Persönlichkeit.“
Yangtze River Delta – Vielfältige Arbeitswelten
Ab dem 9. Stock beginnen auch die Büroräume, die auf vier Etagen 120 feste Arbeitsplätze bieten. Dort wollten die Architekten besonders auf die sich stetig ändernden Office-Tätigkeiten hinweisen. „Neues entsteht in Räumen, in denen Begegnungen stattfinden, Querverbindungen gezogen und spontane Assoziationen zu wegweisenden Lösungen weitergedacht werden.“
Diesem Trend begegnet man mit folgender Philosophie: „Unsere Innenarchitektur schafft den Rahmen für Arbeitsabläufe, die in ihrem Kern nicht mehr aus dem Befolgen und Abarbeiten linearer Prozesse bestehen, sondern in denen werteorientierte Zusammenarbeit in und an einem großen Ganzen geschieht.“
Klassische Büros und Communication Hubs
Um diesen unterschiedlichen Anforderungen an Kommunikation und Kollaboration im Arbeitsalltag gerecht zu werden, finden sich in jedem Stockwerk zahlreiche Open Meeting Areas, Lounges und Communication Hubs, also Kommunikations-Knotenpunkte. Nichtsdestotrotz gibt es auf jeder Etage ebenso klassische, abgegrenzte Büro- und Besprechungsräume.
Eine große Terrasse lädt außerdem zum informellen Austausch und zu Team-Events unter freiem Himmel ein. Denn gerade an der frischen Luft und umgeben vom Vogelgezwitscher entstehen oft die nachhaltigsten Ideen – und das gilt auch für progressive High-Tech- Unternehmen.
Text: Martin Obermayr
Fotos: Zhu Di 朱迪