Zukunftsmusik in alter Kirche
Das Büro Powerhouse Company hat eine historische Kirche in Rotterdam in die Muziekwerf verwandelt. In eine moderne Zukunftswerkstatt, die jungen Talenten alles bietet, was sie brauchen.
Der Standort im Zentrum Rotterdams, an dem sich seit Kurzem alles um Musik dreht, hat Geschichte. Einst befand sich dort eine Schutzkirche, die 1940 deutschen Bomben zum Opfer fiel. Ab 1951 lud ebendort eine Mennoniten-Kirche zum Gebet: Ein schlichtes, von Architekt Gerrit Kuiper entworfenes Gebäude. Das als Juwel der Nachkriegszeit gelobte Bauwerk wurde jüngst vom Büro Powerhouse Company zur Muziekwerf umgestaltet. Jetzt dienen der Betonbau und sein aus Ziegel errichteter Nebentrakt als Zentrum zur Förderung junger Talente. Mit modernen Proben- und Konzertsälen, die alles bieten, was Musiker brauchen – in achtsam renoviertem Umfeld, das die Vergangenheit des Hauses würdigt.
Letzte und Erstes seiner Art
Den Auftrag zur Verwandlung des verwaisten Bethauses erteilte die philanthropische Stiftung Droom en Daad mit dem Ziel, einen neuen, inspirierenden Begegnunsraum für sechs bis 26-jährige Musikerinnen und Musiker zu schaffen. Einen Ort, an dem gemeinsam gearbeitet, gelernt, geübt und präsentiert werden kann. Und das niederländische Büro Powerhouse Company hat diese letzte mennonitische Kirche der Stadt gekonnt zu Rotterdams erstem Kulturzentrum seiner Art gemacht.
Zu den größten Herausforderungen zählte etwa der Einbau akustischer Lösungen, die störende Schallübertragung innerhalb der Betonstruktur ausschließen. Um den Komfort zu erhöhen, wurde in den Musikstudios eine Fußbodenheizung installiert.
Sichtbare Geschichte, moderner Komfort
Bei der Installation von Deckenstrahlplatten in größeren Räumen wurde darauf geachtet, die Betonbinder sichtbar zu belassen. Die dezente Farbpalette im neuen Musiksaal, den Proberäumen und dem Klavierstudio ist als respektvolle Hommage an die historische Essenz gedacht.
Unser Ziel war es, diesen imposanten Betonbau in einen einladenden und komfortablen Raum für seine neuen Nutzer zu verwandeln und diesem Nachkriegsjuwel neuen Glanz zu verleihen.
Nanne de Ru, Architekt und Gründer des Büros Powerhouse Company
Vieles, das einst kirchlicher Nutzung diente, hat im Zuge der Umgestaltung eine neue Funktion bekommen. Schließlich ist das Büro Powerhouse Company bekannt für kreative, nachhaltige Lösungen. Und das Architekten-Team betont, natürlich auch diesmal einen zirkulären Ansatz verfolgt zu haben: „Nachhaltige Materialien waren eine gemeinsame Priorität für den Kunden und das Designteam.“
Recycling bis zur Kirchenbank
So wurden die alten Kirchenbänke zu neuen Sitzgelegenheiten und Wandverkleidungen im Foyer. Die ursprünglichen Bakelit-Türbeschläge und -Lampen wurden restauriert und wiederverwendet. Und auch andere Details sollen die Muziekwerf möglichst umweltfreundlich machen: Für die Herstellung der bunten Stühle griffen die Gestalter zu recycelten PET-Flaschen. Bei Bodenbelägen fiel die Wahl auf klimapositives Marmoleum, und bei der Dacheindeckung auf recycelbares PVC-Material.
Um mehr natürliches Licht in die oberen Bereiche des Nachkriegsbaus zu lassen, setzte das Team auf eine Kombination aus blauen Samtvorhängen und lichtspiegelndem Glas auf dem Balkon. Helle Eichenböden und schalldämpfende Paneele an Böden und Decken schaffen warme, einladende Räume. Im Haupttrakt spielt das Design subtil auf die Kirchenbänke an, die einst den heutigen Konzertsaal füllten.
Stilistischer Zeitraffer
Das Ergebnis ist eine gelungene Mischung aus Alt und Neu. Sanfte Farbpaletten harmonieren mit rohen Betonstrukturen, die die Geschichte des Gebäudes offenbaren. Elemente wie Wolken im Putz, Betonfensterrahmen und Originalfliesen verschmelzen mit Details, die auf die 1950er Jahre zurückgehen.
Gemeinsam mit Powerhouse Company ist es uns gelungen, das Erbe des Gebäudes zu bewahren und einen Ort zu schaffen, an dem Kreativität und Vielfalt gedeihen.
Roswitha Abraham, Direktorin Muziekwerf, Stichting Droom en Daad
Zwischen hohen Gebäuden und einer ruhigen Wasserstraße gelegen, bietet die Muziekwerf einen angenehmen Rückzugsort von der Hektik des Stadtzentrums. Das jahrelang für die Öffentlichkeit nahezu unsichtbare Kirchenbauwerk lockt nun regelrecht zum Besuch.
Kleiner Zubau, große Wirkung
In den einzigen Neubau des jetzt 930 Quadratmeter umfassenden Projekts haben die Powerhouse Company Architekten ein glitzerndes Extra gesetzt: Einen neuen Haupteingang, dessen Design von Wasserspiegelungen inspiriert ist. Mit wellenförmiger Decke aus reflektierendem Material ausgestattet, verbindet er bisher getrennte Trakte und führt zu einem freundlich anmutenden Foyer.
Was dem Powerhouse Company Team auf jeden Fall gelungen ist, ist eine elegante Kombination aus historischem Erbe und zeitgenössischem Design. Und ein Gebäude, das die passenden Gegebenheiten für das Ziel des Auftraggebers schafft: einen Ort, an dem Zukunftsmusik gedeihen und erklingen kann – aus Mauern, die Geschichte haben.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Powerhouse Company / Sebastian van Damme