Was passiert, wenn ein über 200 Jahre altes, bäuerliches Holzhaus auf den modernen Holzbau trifft? Im erweiterten Museum Bezau ist die gelungene Liaison von Alt und Neu zur eigenen Attraktion geworden.

Die schindelgedeckte Fassade, die geschossweise mit einem leichten Schwung Gesimse ausbildet, ist an Eleganz kaum zu übertreffen. Diese Vorsprünge erfüllen zugleich eine wichtige Funktion: Sie schützen die Holzfenster vor Witterungseinflüssen, indem das Regenwasser an diesen Kanten abtropfen kann. Das ursprüngliche Bauernhaus, das in einem weiten Talboden im Bregenzerwald liegt, stammt aus dem 18. Jahrhundert.

1920 gründete Anna Katharina Feuerstein hier gemeinsam mit dem Heimatschutzverein ein Museum. Sie war eine Vordenkerin ihrer Zeit und erkannte bereits sehr früh, wie wichtig der Erhalt des kulturellen Erbes ist.

Museum Bezau, Erweiterung, Holzbau, Innauer Matt Architekten, Vorarlberg
Kante zeigen: Alter und neuer Holzbau treffen stimmig auf einander.

Jetzt, rund hundert Jahre später, hat man das Heimatmuseum in der Vorarlberger Ortschaft Bezau um einen Anbau erweitert. Der alte und der neue Holzbau treten im Entwurf des ortsansässigen Architekturbüros Innauer Matt in einen spannenden Dialog.

Eine architektonische Erzählung

Schon von außen lassen sich vereinzelt die hellen Schindeln ausmachen, die zur Ausbesserung an der Fassade angebracht wurden. Mit der Zeit werden sie ebenfalls vergrauen und sich irgendwann homogen in die Materie dieses historischen Bestandes einfügen. 

Museum Bezau, Erweiterung, Holzbau, Innauer Matt Architekten, Vorarlberg
Das Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert wurde um eine „Scheune“ erweitert.

Dort, wo im Inneren alter und neuer Holzbau auf einander treffen, entstehen faszinierende Kontrastmomente, die zu einem dichten Narrativ verwoben sind. Das über die Jahrhunderte dunkel verfärbte Holz mit seiner rustikalen Optik trifft auf die makellose Schlichtheit eines gezimmerten Türrahmens in hellem Holz. Und plötzlich tritt man aus dem dunklen Raum der Vergangenheit und schreitet in die hellen Gefilde der Gegenwart. 

Museum Bezau, Erweiterung, Holzbau, Innauer Matt Architekten, Vorarlberg
Die Gründerin des Bezauer Heimatmuseums, Anna Katharina Feuerstein, war eine Vordenkerin ihrer Zeit.

Der Erweiterungsbau greift die Fäden der Geschichte auf und entwickelt diese in eigenständiger Sprache weiter.

Innauer Matt Architekten

Es ist ein ständiges Wechselspiel aus dunkel und hell, gestern und heute, alt und neu, das den Museumsbesuch zu einem immersiven Erlebnis macht. Eine architektonische Erzählung, die dem Museum Bezau neben den Ausstellungen eine weitere Attraktion verschafft. “Der Erweiterungsbau greift die Fäden der Geschichte auf und entwickelt diese in eigenständiger Sprache weiter“, heißt es dazu vom Büro Innauer Matt.

Abwechslungsreiches Raumgefüge

Ein weiterer Kontrast ergibt sich in der räumlichen Gliederung. Während die Decken im alten Bauernhaus beklemmend niedrig sind – an manchen Stellen nur 1,70 Meter hoch – macht der Neubau nach oben hin auf. Zwar bestand die Baubehörde auf eine Angleichung der Raumhöhe an den Bestand, dafür öffneten die Architekten an manchen Stellen die Geschossdecken. Dadurch ergeben sich hohe Raumnischen und spannende Blickbezüge. 

Museum Bezau, Erweiterung, Holzbau, Innauer Matt Architekten, Vorarlberg
Das über die Jahrhunderte dunkel verfärbte Holz mit seiner rustikalen Optik trifft auf die makellose Schlichtheit eines gezimmerten Türrahmens.

Museum Bezau, Erweiterung, Holzbau, Innauer Matt Architekten, Vorarlberg
Und plötzlich tritt man aus dem dunklen Raum der Vergangenheit und schreitet in die hellen Gefilde der Gegenwart. 

Die räumliche Struktur ist geprägt von horizontal und vertikal ineinandergreifenden Raumschichten. Alt und Neu verweben sich dadurch zu einem räumlich wie inhaltlich erlebbaren Ganzen.

Innauer Matt Architekten

„Die räumliche Struktur ist geprägt von horizontal und vertikal ineinandergreifenden Raumschichten. Alt und Neu verweben sich dadurch zu einem räumlich wie inhaltlich erlebbaren Ganzen“, so die Beschreibung der Architekten. Der dreistöckige Neubau bietet nicht nur mehr Raum, sondern auch mehr Flexibilität in der Nutzung, was für einen zeitgemäßen Museumsbetrieb unerlässlich ist.

Angehängte Scheune

Bei der Typologie des Anbaus haben sich die Architekten am traditionellen Bauernhaus der Region orientiert. Während der vordere Bereich zum Wohnen diente, bestand der rückwärtige Teil meist aus Scheune und Stall. Dem holzverschindelten Blockbau hat man also im übertragenen Sinn eine Scheune angehängt, die dieselbe vertikale Lattung aufweist wie traditionell üblich. Das Museum Bezau weist damit die typischen Proportionen eines „Wälderhauses“ auf.

Museum Bezau, Erweiterung, Holzbau, Innauer Matt Architekten, Vorarlberg
Das über die Jahrhunderte dunkel verfärbte Holz mit seiner rustikalen Optik trifft auf die makellose Schlichtheit eines gezimmerten Türrahmens.

Museum Bezau, Erweiterung, Holzbau, Innauer Matt Architekten, Vorarlberg
Und plötzlich tritt man aus dem dunklen Raum der Vergangenheit und schreitet in die hellen Gefilde der Gegenwart. 

Dass die Museumserweiterung in Holzbauweise entstehen sollte, war dem achtsamen Umgang mit dem Bestand geschuldet. Auch in der Bauweise selbst passte man sich an das historische Gebäude an. Statt tragender Bauteile aus Brettsperrholz setzte man auf Stützen und Träger in Brettschichtholz, die mit traditionellen Holzdübeln verbunden sind. Unterstützt durch den Handwerkerverein Bezau, konnte die Erweiterung weitgehend von lokalen Handwerksbetrieben umgesetzt werden.

Mit seiner Bedachtsamkeit gegenüber Ort und Kultur, die das neue Museum Bezau repräsentiert, wäre es wohl ganz im Sinn seiner visionären Gründerin gewesen.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Dominic Kummer

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