All-Architektur: Mit Mars und Ziel
Weil der Mond so unwirtlich ist, wollen Elon Musk und Jeff Bezos bekanntlich den Mars erobern. Und bevor noch einer der beiden auf dem roten Planeten war, haben sich andere bereits mit der zukünftigen All-Architektur befasst. Ein überirdisches Spektakel.
Es ist ein milliardenschweres Wettrennen um die Vorherrschaft im Weltraum. Elon Musk will mit seinem SpaceX-Programm Mond und Mars gleichzeitig erobern. Jeff Bezos wiederum ist der Meinung, man müsse zuerst den Mond besiedeln, um von diesem den Mars zu entern. Wie auch immer – die beiden superreichen Masterminds stecken jedenfalls seit einigen Jahren richtig viel Asche in das Unterfangen Weltallherrschaft.
All-Architektur als neue Disziplin
Da liegt es auf der Hand, dass so manches Architektur-Studio mit Rang und Namen die große Chance wittert, mit einmaliger All-Architektur in die Geschichte des Universums einzugehen. Um es deutlich zu sagen: Abseits des Duells der Multimilliardäre hat ein zweites Rennen um die architektonische Vormachtstellung im interstellaren Raum begonnen. Doch während sich die faszinierenden Entwürfe alle überraschend stark voneinander unterscheiden, haben sie alle auch eines gemeinsam: Den Baustoff.
Tatsächlich sind sämtliche Architektur-Büros, die sich mit All-Architektur befassen, zu dem überraschenden Schluss gekommen, dass man zuerst das Problem des Baustoffs lösen sollte. Idee: Man muss auf dem Mars selbst Beton herstellen! Klingt logisch, ist aber nicht so einfach. Stichwort: Wasser. Dieses ist auf dem Erdnachbarn genauso Mangelware wie Holz oder Stahl. Was also tun?
Marsbeton als All-Heilmittel?
In diesem Fall haben offenbar alle Architekten ein einschlägiges Forscherteam der Northwestern University in Illinois befragt. Eine Handvoll Wissenschaftler hat sich eingehend mit eben dieser Frage auseinandergesetzt und kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der beschrieben wird, wie sich aus Materialien, die auf dem Mars reichlich vorhanden sind, ein stabiler Baustoff herstellen lässt. Einer, der in seinen Eigenschaften unserem Beton nahe kommt, sich in seiner Zusammensetzung aber deutlich von seinem irdischen Pendant unterscheidet.
Schwefel statt Wasser
Wie das ganze sinngemäß funktioniert? Man nehme ausreichend Marsstaub, vermenge ihn mit auf 240 Grad Celsius erhitzten Schwefel (der wird bei dieser Temperatur nämlich flüssig) und lasst die ganze Sache in einer passenden Form abkühlen. Schon ist der Marsbetonziegel fertig.
Vom Mond zum Mars
Auf eben dieses – zugegeben noch nicht sonderlich erprobtes – Material beziehen sich jedenfalls höchst optimistisch nahezu alle Konzepte, die da gerade im Universum der All-Architektur herumgeistern. Aber fangen wir bei Bjarke Ingels an. Der Gründer des Super-Studios BIG hat sich schließlich mit seinem kürzlich präsentierten Projekt zur Besiedelung des Monds als All-Architekt der ersten Stunde hervorgetan.
Und so arbeitet seine Bjarke-Ingels-Gruppe bereits intensiv an einem Projekt namens „Mars Science City“. Dabei handelt es sich vor allem um eine Forschungsstation, die als „vorsichtiger erster Schritt auf dem Mars“ angepriesen wird. Die Forschungsstadt soll als „lebensfähiges und realistisches Modell“ für die Simulation der menschlichen Besiedelung der Marslandschaft dienen.
3D-Druckern gehört die Zukunft
Selbst beschreibt er es so: Mit einer geplanten Fläche von etwa 176.000 Quadratmetern wird die Mars Science City zur größten Weltall-Modellstadt, die jemals gebaut wurde.“ (Man darf zurecht fragen, mit welcher anderen Stadt, die noch nicht gebaut wurde, hier verglichen werden soll). Um die Wände seines Forschungszentrums hochzuziehen, will Ingels jedenfalls den Marsbeton gar per 3D-Drucker in Form bringen.
Auf die gleiche Verwendung des Marsbetons pocht das Architektur- und Technologieunternehmen AI SpaceFactory bei seiner MARSHA-Mission. Diese sieht eine Art Kokon vor, der mittels automatisiertem 3D-Drucker auf der Marsoberfläche von Robotern errichtet wird, bevor die ersten Menschen landen. Um dann – für ein Kokon vermutlich irritierend – hinein- statt hinauszuschlüpfen.
Auch die Erde hat etwas davon
Hierbei muss man aber anmerken, dass die Entwickler trotz hochfliegender All-Architektur-Plänen trotzdem Bodenhaftung behalten haben: Zusätzlich zu MARSHA haben die Ingenieure TERA entwickelt. Ein Kokon, der mittels automatisiertem 3D-Drucker auf der Erdoberfläche errichtet wird – aber viel mehr Fenster hat, als sein roter Bruder.
Das Projekt MARS Case wiederum will sozusagen den irdischen Tiny-House-Trend ins Universum bugsieren. Dabei handelt es sich um ein energieautarkes und aufblasbares Wohnmodul mit den Maßen 2,4 x 2,4 x 2 Meter. Alle Komponenten im Haushalt lassen sich zu kleineren Einheiten zusammenfalten, um den Transport zu erleichtern.
Mini-Ökosystem zum Mitnehmen
Die Entwickler von „OPEN Architecture“ meinen: „Mars Case ist nicht nur mobil, sondern auch smart – elektronische Vorrichtungen im Inneren können zentral von einem einzigen Gerät gesteuert werden. Jedes der Mars Case-Module besitzt ein komplexes Ökosystem mit Luft- und Wasseraufbereitungsanlagen und erneuerbaren Energieträgern. Auf diese Weise wird der Ressourcenverbrauch auf ein Minimum reduziert.“ Besonders fein: Man braucht nicht einmal Marsbeton.
Auf diesen verzichtet übrigens auch das vielleicht ungewöhnlichste aller All-Architektur-Projekte namens „Seed of Life“. Die malaysischen Designer Amir Amzar und Warith Zaki sind davon überzeugt, dass der ideale Baustoff auf dem Mars ausgerechnet Bambus ist!
Bambus als Mars-Pflanze?
Sie sind gar davon überzeugt, diesen Baustoff auf dem fremden Planeten züchten zu können. Schließlich sei „Bambus eine wunderbar unkomplizierte Pflanze, die extreme Temperaturschwankungen aushält, nicht auf Bestäubung angewiesen ist und zum Wuchern neigt.“ Ideal also, um damit eine Kolonie auf dem Mars zu bauen, zumal die Atmosphäre dort hauptsächlich aus Kohlenstoffdioxid besteht, was das Pflanzenwachstum zusätzlich beschleunigen und einen Anbau vor Ort begünstigen würde.
Wer auch immer das Rennen machen wird, steht jedenfalls noch in den Sternen. Schließlich müssen erst einmal Musk und Bezos den Weg zum Mars finden, ehe dessen Besiedelung Thema wird. Wir werden jedenfalls an dieser Stelle gerne über den Gewinner des All-Architektur-Wettbewerbs berichten. Das allerdings frühestens in ungefähr 1000 Tagen. Denn so lange würde nach heutigen Berechnungen eine Reise hin und retour ungefähr dauern.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: BIG; AI Space Factory; Karim Moussa; OPEN Architecture