Holz, das Sturm und Wellen trotzt
Mit dem Maritime Center im dänischen Esbjerg haben WERK Arkitekter und Snøhetta ein kleines Wunderwerk geschaffen: Ein vom Bootsbau inspiriertes Holzgebäude, das allen Wettern trotzt und Wassersport-Profis wie auch Laien einen attraktiven Treffpunkt bietet.
Starker Wind und raues Wetter sind an Dänemarks Küste nichts Außergewöhnliches. Das jüngst eröffnete Maritime Center der Hafenstadt Esbjerg hingegen schon. Und zwar gleich in vielfacher Hinsicht. Denn das von WERK Arkitekter und Snøhetta entworfene Gebäude ist sowohl ein Gewinn für die lokale Gemeinschaft als auch ein Musterbeispiel für robusten Holzbau, der Umwelt und Menschen Freude macht.
65 Kilometer Kiefernholz
Schon der Name des Neubaus klingt nach Schutz und Wärme: Das als „The Lantern“ (die Laterne) bekannte Maritime Center ist so konzipiert, dass ihm weder Sturm noch Hochwasser etwas anhaben können. Um dies auch dann zu garantieren, wenn das Wasser den neuen umliegenden Damm übersteigt, wurde zwar die Basis bis zum ersten Stock aus in einem Zug gegossenem Beton gebaut. Fassaden- und Dachkonstruktion jedoch bestehen aus rund 65 Kilometern europäischem, thermobehandeltem Kiefernholz.
Die Holzfassade hält rauer Witterung solide stand. Und im Inneren des Gebäudes sind Besucher auch geschützt, wenn das Wetter unliebsame Kapriolen schlägt. Inspiration fürs Design holten sich WERK Arkitekter und Snøhetta bei der Geometrie und Handwerkskunst des Bootsbaus. So geriet das Maritime Center Esbjerg zu einer schönen Hommage an die maritime Tradition und ihre Bedeutung für die Hafenstadt an der dänischen Westküste.
Vielseitiger Treffpunkt
Im oberen Stockwerk logieren verschiedene Wassersportorganisationen. Dazu zählen etwa Ruder-, Kajak-, Segel-, Tauch- und Triathlon-Clubs. Außerdem befinden sich dort Gemeinschaftsräume, ein Bildungszentrum und Trainingseinrichtungen. Die untere Ebene ist über eine Brücke direkt mit dem Meer verbunden und beherbergt die Bootslager- und Werkstatträume.
Die gesamte Fassade ist mit großen Fenstern bestückt, die für viel Tageslicht sorgen. Zugleich eröffnen sie den Blick nach Innen und verbinden das Maritime Center Esbjerg mit seiner Umgebung. Dringt dann nachts warmes Licht aus dem Gebäude nach draußen, wird „die Laterne“ ihrem Namen umso mehr gerecht.
Wir wollten ein einzigartiges Ziel zu schaffen, das die dänische Westküste beleuchtet. So, dass jeder seinen Weg zu neuen Gemeinschaften am Meer finden kann.
Thomas Kock, WERK Arkitekter Creative Director
Zwischen Terrasse, Bootslager und Vorbereitungsbereich lassen runde Öffnungen natürliches Licht von oben bis in den Kern des Erdgeschosses. Diese zum Himmel offenen „Löcher“ schaffen zugleich eine visuelle und soziale vertikale Verbindung.
Dass der Holzbootbau den Architekten als Inspiration diente, machen der Rhythmus und die repetitiven Muster der Fassade besonders deutlich. Diese spiegeln die Energie des Meeres und jenen horizontalen Welleneffekt wider, der entsteht, wenn man einen Stein ins Wasser wirft.
Solarkraft fürs Maritime Center Esbjerg
Die wechselnden Winkel der Paneele ergeben unterschiedliche Schatten, die an die Formen von Kajaks erinnern. Ein feines, ansprechendes Design-Spiel mit Holz, das sich auf dem Dach fortsetzt, wo sich in einem Gürtel um den oberen Rand integrierte Solarzellen befinden.
Das kreisförmige, offene Design des Maritime Center Esbjerg lockt von jeder Seite her zum Besuch und schafft einen zugänglichen und integrativen Treffpunkt. Damit erfüllt der Neubau genau das, was der Auftraggeber, die Gemeinde Esbjerg, wünschte: Ein architektonisches Wahrzeichen, bei dem Gemeinschaft im Vordergrund steht. Und ein maritimes Zentrum, das Besucher aller Alters- und Interessengruppen zum Lernen, zu Aktivität und Engagement anregt.
Das Maritime Center bietet Platz für alle: Vom erfahrenen Taucher oder professionellen Kajakfahrer bis zur Schulklasse, die Krabben fängt, oder zufälligen Passanten. Es lädt alle ein, einen Blick ins maritime Leben und aufs Meer mit seinem endlosen Horizont zu werfen.
Frank D. Foray, leitender Architekt und Projektmanager bei Snøhetta
Das Herzstück des faszinierenden Bauwerks ist eine angehobene, öffentlich zugängliche Terrasse. In diesem gemeinschaftlichen Bereich laufen alle Aktivitäten zusammen.
Einblick mit Aussicht
Die Terrasse ist mit dem ersten Stockwerk verbunden und von den beiden Haupttreppen aus zugänglich. Dadurch entstand eine Art Amphitheater. Entlang der beiden Aufgänge können Besucher die Aussicht genießen und das maritime Treiben auf kleineren, windgeschützten Terrassen im ersten Stock genießen.
Den Zuschlag für das (einschließlich Terrasse und Boostlager) 3.800 Quadratmeter umfassende Projekt erhielten WERK Arkitekter und Snøhetta 2019 als Sieger des entsprechenden Wettbewerbs. Und die Kooperation der innovativen dänischen Baukünstler mit den vielfach prämierten norwegischen Kollegen von Snøhetta hat ein beeindruckendes Gebäude hervorgebracht.
An Umweltschutz-Engagement, Erfahrung mit Holzbau und Gemeinschaft fördernden Projekten fehlte es beiden nicht. Man denke nur an WERK Arkitekters kluge Umgestaltung und Neubelebung einer verwaisten Schulanlage im dänischen Horbelev. Oder an Snøhettas Konzept einer ökologisch und sozial nachhaltigen Siedlung im Entwicklungsgebiet Wendelstrand nahe Göteborg.
Das im Dezember 2022 fertiggestellte und nun bereits eröffnete Projekt an der dänischen Westküste vereint die Expertise beider Studios. Entworfen mit der Vision, das Poetische mit dem Praktischen zu verbinden.
Wahrzeichen Maritime Center Esbjerg
Das Maritime Center hat der Hafenstadt Esbjerg ein außergewöhnliches, verbindendes neues Wahrzeichen beschert. Einen einladenden Treffpunkt, der Umwelt und Menschen gleichermaßen zugutekommt – auch wenn raues Wetter herrscht.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: wichmann+bendtsen photography