Vereint zum Sonnengruß
Gäste des balinesischen Intaaya Retreats machen ihren täglichen Sonnengruß vor spektakulärer Kulisse. Das Manta Yoga Shala überblickt den Indischen Ozean und ist zur Gänze aus Bambus gebaut – dem Weltmeister unter den nachwachsenden Baustoffen.
Der japanische Stararchitekt Kengo Kuma beschreibt Bambus als „das Material der Zukunft“. Warum er damit Recht haben könnte, zeigt ein Blick auf die Eigenschaften dieser einzigartigen Pflanze. Um zu gedeihen benötigt das Riesengras nur sehr wenig Wasser, keine Pestizide oder Düngemittel. Dabei wächst es schneller als alle anderen Pflanzen und kann innerhalb weniger Jahre geerntet werden. Beim Laubholz dagegen dauert es 40 bis 60 Jahre bis zur Schnittreife. Müssen Bäume nach ihrer Ernte nachgepflanzt werden, regeneriert sich der Bambus aus seinem Wurzelstock und wächst von selbst wieder nach. Zusammen mit seiner hohen Wachstumsrate macht ihn das zum nachwachsenden Rohstoff schlechthin. Auch als CO2-Senke schlägt Bambus vergleichbare Harthölzer um Längen. Einer Studie zufolge absorbiert ein Bambuswald rund 30 Prozent mehr Kohlendioxid und gibt an die 35 Prozent mehr Sauerstoff ab – als immergrüne Pflanze macht er das nämlich das ganze Jahr über.
Zu seiner außerwöhnlichen Langlebigkeit kommen bauphysikalische Eigenschaften wie die hohe Zugfestigkeit, die sogar jene von Stahl übertreffen kann. War Bambus vor allem in vormodernen asiatischen Kulturen als Baustoff verankert, so rückt er in Zeiten der Klimakrise wieder in den Vordergrund. Die beachtliche Biegsamkeit und Robustheit der Halme hat man sich bei einem Bauprojekt in Indonesien zunutze gemacht.
Ein Ort der Einkehr
Manta Yoga Shala ist ein organisch geformter Pavillon, der von den Klippen der balinesischen Insel Nusa Penida den Indischen Ozean überblickt. Für Yoga-Begeisterte dürfte es wohl kaum einen schöneren Ort für den täglichen Sonnengruß geben als diese Plattform mit dem geschwungenen Bambusdach.
Intaaya ist eine Hommage an die Natur und beruht auf einer Architektur, die aus der Landschaft hervorgeht und sich vor deren Wesen verneigt.
Pablo Luna Studio
Sie ist Bestandteil des Intaaya Retreats, das als nachhaltiges Luxus-Resort einen Ort der Einkehr bieten will, der das Hier und Jetzt feiert. Es sollte ein Raum aus den Ressourcen der Natur entstehen, der inspirierend und heilsam ist.
Entsprechend hat man sich beim Bauen auf das besonnen, was die direkte Umgebung hergibt. „Intaaya ist eine Hommage an die Natur und beruht auf einer Architektur, die aus der Landschaft hervorgeht und sich vor deren Wesen verneigt“, erklärt das Architekturbüro Pablo Luna Studio, das für Entwurf und Planung der gesamten Anlage verantwortlich zeichnet.
Kalkstein, Stampflehm und Bambus
So sei jede Entscheidung in diesem Projekt – von der Art der Bauweise bis hin zu den Baumaterialien – mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit getroffen worden. Für Stützmauern kam Kalkstein zum Einsatz, der direkt vom Grundstück stammt, während Bambus aus Bali das Baumaterial für die Primärkonstruktionen des gesamten Resorts bildet. Daneben gibt es Stampflehmwände, deren erdfarbene Sedimentschichten einen dezenten Backdrop für das biophile Interiorkonzept bilden.
Die bogenförmigen Stützen des Yoga-Pavillons bestehen aus Halmen des schwarzen Riesenbambus Petung, der auf Indonesien heimisch ist. Die sekundäre Gitterschalenkonstruktion ist aus demselben Material, während zur Deckung des Daches handgefertigte Schindeln aus Ulin-Holz zum Einsatz kamen. Diese Holzart, die aufgrund ihrer außergewöhnlichen Festigkeit und Dichte auch als „Eisenholz“ bekannt ist, ist besonders widerstandsfähig gegenüber den klimatischen Bedingungen der Region.
Die Struktur schafft eine Synthese aus Funktionalität und Ästhetik, die Architektur und Natur in einem harmonischem Ausdruck vereint.
Pablo Luna Studio
Über die Designstrategie heißt es in der Projektbeschreibung: „Die Struktur vereint einen technischen Ansatz bei der Verwendung von Bambus und lokalem Stein mit einer achtsamen Einbettung in das Gelände. Auf diese Weise schafft sie eine Synthese aus Funktionalität und Ästhetik, die Architektur und Natur in einem harmonischem Ausdruck vereint.“
Meeresbewohner als Inspiration
Wie der Name Manta Yoga Shala vermuten lässt, lieferte ein Bewohner des Ozeans die entscheidende Inspiration bei der parametrischen Formgebung. „Der Mantarochen dient als direkte Referenz für die fließende und organische Struktur, die die Bewegungen dieses majestätischen Meerestiers widerspiegelt“, heißt es vonseiten des Büros.
Auch bei anderen Bauteilen des Resorts lehnte man sich an der Meeresfauna an. Das Dach des Teehauses etwa ist einer Fischflosse nachempfunden, während das Restaurant die Form einer Muschel aufweist. Das Architekturbüro Pablo Luna Studio mit Sitz in Bali ist auf die Verwendung von natürlichen, heimischen Materialien und das parametrische Design spezialisiert. Damit wolle man die Umweltbelastung beim Bauen so gering wie möglich halten.
Der Bambus als Baumaterial könnte künftig auch in unseren Breitengraden an Bedeutung gewinnen. Im Rahmen des Forschungsprojektes COMBOOO Cross Laminated Timber (CCLT) arbeitet man an der Berliner Hochschule für Technik an einem neuen Brettsperrholz-Werkstoff mit einer Kernlage aus Bambusringen. Die darin eingeschlossene Luft soll die Dämmwirkung verbessern und Material einsparen.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Pablo Luna Studio