Das spanische Architekturbüro SCOB hat die Casa Pich i Pon aus dem frühen 20. Jahrhundert renoviert und daraus das Büroprojekt LOOM Plaza Catalunya gemacht. Die dominante Farbe ist Weiß, was eine angenehme Klarheit und Schlichtheit in die unterschiedlichen Working Spaces bringt.

Da ist zunächst die Grundfarbe Weiß. Weiß steht für Klarheit und Ordnung. Die Farbe Weiß signalisiert aber auch den Frieden. Obendrein soll Weiß laut Farbpsychologie gegen emotionale Verstimmungen helfen und dafür sorgen, dass man sich in schwierigen Situationen gut fühlt.

LOOM Plaza Catalunya: Award für Arbeits-Chic

Ideale Bedingungen für fokussiertes Arbeiten, also. Die sparsam eingesetzten Farbtupfer setzen Akzente, ohne abzulenken – gerade nur so viele, dass der Geist auf Touren kommt, das Arbeitsumfeld wahrlich beflügelnd ist.

Die Rede ist vom neuen LOOM Plaza Catalunya in Barcelona. Ein derart angenehmes Arbeiten scheint dort fast vorprogrammiert. Nicht umsonst gewann das spanische Architekturbüro SCOB den Architizer A+Award 2023 für das Büroprojekt für flexibles Arbeiten.

LOOM Plaza Catalunya

LOOM Plaza Catalunya - viele Verglasungen, damit viel Licht hinein kommt

Und dann ist da das historische Bürogebäude Casa Pich i Pon – eines der unterschätzten architektonischen Juwele der kosmopolitischen Hauptstadt der spanischen Region Katalonien. Der Architekt, Stadtplaner, Kunsthistoriker und Politiker Josep Puig i Cadafalch hat es für den Politiker und Unternehmer Juan Pich y Pon entworfen.

Barcelonas erstes Penthouse

Das Haus an der Plaça de Catalunya, so die katalanische Schreibweise, ist gleich in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Im Jahr 1921 ließ Pich y Pon das erste moderne Penthouse der Stadt errichten. Der Hauseigentümer beschloss, dass die herrschaftlichste Wohnung – anders als sonst – im obersten Stockwerk untergebracht sein sollte. Die Dachgeschoßwohnung erreichte der Hausherr mittels Aufzug.

Puig i Cadafalch führte, als er das Gebäude renovierte, nicht nur das Penthouse ein, sondern auch eine neue Typologie in die zeitgenössische katalanische Architektur: das (moderne) Bürogebäude. Er sorgte für maximale Flexibilität in den Innenräumen. Und er nutzte das natürliche Licht durch die damals neuen, großen Fensteröffnungen an der Außenfassade.

Roaring Twenties

Damals, das waren die sogenannten „Roaring Twenties” oder auch „Goldenen Zwanziger Jahre” genannt. Allerorts war zunächst ein starkes Konjunkturhoch zu verzeichnen – mitsamt blühendem kulturellen Leben.

Doch zurück zur Gegenwart: Die Plaça de Catalunya diente immer als Bindeglied zwischen der Altstadt und der moderneren City. Charakteristisch sind der sternförmige, aus blauen, roten und grauen Fliesen gestaltete Boden sowie der Springbrunnen. Heute münden die stark frequentierte Rambla und der lebhafte Passeigo de Gracia als beliebte Einkaufsstraßen direkt auf die Plaza de Catalunya.

die Plaza Catalunya im Herzen Barcelonas

Noucentisme
Noucentisme war eine kulturelle Strömung in Katalonien, die 1906 aufkam und 1923 endete. „Noucent“ bedeutet auf Katalanisch einerseits „Neunhundert“, andererseits bedeutet „Nou“ „neu“. Der Begriff steht so für das „Neue Jahrhundert“, das mit dem „Alten“ bricht.
Die Strömung gab in der Architektur zwischen 1911 und 1931 die Richtung vor. Man warf dem Modernisme vor, anarchisch und dekadent zu sein.
Im Gegensatz dazu propagierte der Noucentisme Ordnung, Klarheit, Harmonie, das Maß und die Rationalität. Vorreiter war Josep Puig i Cadafalch, mit der Casa Trinxet und der Casa Company, Barcelona. Später adaptierte er die von Louis Sullivan in Chicago neu entwickelte Struktur des Bürogebäudes.

Das Büro SCOB – der Name rührt im Übrigen von den Initialen der beiden Unternehmensgründer Sergi Carulla und Oscar Blasco her – ließ sich bei der Renovierung des Gebäudes von den Prinzipien der Noucentista-Bewegung inspirieren. Die Noucentisten befürworteten Ordnung, Klarheit, Harmonie, das Maß und die Rationalität in der Architektur.

Neue „bürgerliche” Räume für gemeinschaftliches Tun

Die Noucentistes hatten damals zudem zum Ziel, der Stadt neue „bürgerliche Räume” zu geben, dynamische Treffpunkte für Kultur- und Freizeitveranstaltungen. In dieser Zeit entstanden zahlreiche neue Bibliotheken, Museen, Wohnprojekte, Kulturräume, Institutionen und öffentliche Schulen, die bis heute bestehen.

Und so wollten die Experten von SCOB stilvolle, einfache und komfortable Arbeitsbedingungen schaffen, für gemeinschaftliches Arbeiten in gemeinsamen, offenen und „gesunden” Räumen. Als wesentlich für ein derartiges Umfeld werden gute Beleuchtung und Belüftung sowie die Verwendung hochwertiger Materialien und der Einsatz lokaler Handwerkskunst erachtet.

Wissen im kollektiven Raum teilen

Nimmt man ein Zitat her, das Puig i Cadafalch zugeschrieben wird, nämlich dass „die Architektur den Charakter der Gesellschaft widerspiegeln soll”, so könnte dieses nicht treffender als im Gebäudeinneren der Casa Pich i Pon umgesetzt worden sein.

Das neue LOOM in Barcelona
LOOM ist für seine Coworking Spaces bekannt

LOOM Plaça Catalunya
Farbliche Akzente durch die terrafarbenen Fliesen

Die großen offenen Räume des ursprünglichen Gebäudes, die seit jeher zur vielseitigen Nutzung konzipiert waren, wurden wiederhergestellt. Darin spiegelt sich auch die Maxime, Wissen in einem kollektiven Raum zu teilen. Die offene und gesunde Umgebung soll direkten Kontakt zum Sonnenlicht und zur Umgebung, idealerweise zur Natur ermöglichen.

Konsequenterweise sollten die Materialien in erster Linie organischen Ursprungs sein, etwa Holz, Keramik, Marmor, Samt, Rattan, Kork und Baumwollstoffe. Eleganz und Schlichtheit dominieren.

Ein modernes Athenäum

Für die Architekten von SCOB ist das Gefühl der Gemeinschaft und Zugehörigkeit eng mit dem Geist der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Anstrengungen gekoppelt. Das Büroprojekt stellt daher eine moderne Version der klassischen Athenäen dar. Diese Orte waren erfolgreiche Modelle des sozialen, kulturellen und edukativen Austauschs.

Die vom Noucentisme inspirierte Architektur des Gebäudes Pich i Pon
Vom Noucentisme inspirierte Architektur des Gebäudes Pich i Pon.

im historischen Gebäude Pich i Pon untergebracht
Die Arbeitsräume des LOOM Plaza Catalunya befinden sich entlang der Außenflächen.

Die Vision der hybriden Räume, wo Arbeit und Forschung, informelle Treffen, kulturelle Veranstaltungen und das Gefühl, „zu Hause” zu sein ineinander fließen, ist indes nichts Neues. Sie haben ihren Ursprung in den frühen Strömungen des Noucentisme.

Bedeutung der grafischen Kunst im neuen LOOM

Die grafische Kunst spielte eine wichtige Rolle bei der Förderung und Verbreitung der Ästhetik der Noucentista-Bewegung. In diesem Sinne würdigt das Projekt die Figur des Puig i Cadafalch mit einer Sammlung emblematischer Illustrationen des Künstlers Mariá Andreu. Sie zeigen die typischsten Gebäude und Architekturen im Stadtzentrum von Barcelona.

Viel angenehme Materialien

Viel Weiß im Pich i Pon

Auch in den Beschilderungen zeigt sich eine Referenz an die Epoche ab den 1920ern: Sie sind durchgängig in der Typografie Aloma gehalten. Aloma ist ein Font, eine Schriftart, die von der Hauptfigur des gleichnamigen Romans von Marcé Rodoreda aus dem Jahre 1938 inspiriert ist. Die junge Frau erlebt in der Atmosphäre des Barcelona kurz vor dem Bürgerkrieg eine Liebe und deren Ende.

Die Arbeitsbereiche im neuen LOOM Plaza Catalunya sind entlang der Außenwände der Räume verteilt, während sich die Gemeinschaftsräume im Herzen der Etagen befinden. Dies seien jene Plätze, die Menschen intuitiv überquerten, um gemeinsam genutzte Räume zu erreichen und die die natürliche Interaktion verstärkten, heißt es bei SCOB.

Früher waren die Büros der diversen Unternehmen von Joan Pich i Pon im Haus untergebracht. Auch danach diente das Gebäude zahlreichen Unternehmen und Einrichtungen als Hauptsitz.

Restaurierung der Originalelemente

Besonderes Augenmerk wurde auf die Restaurierung der Säulen, der Schreinerarbeiten der Terrassen und der Zugangstüren gelegt, da dies die einzigen tatsächlichen Originalelemente aus der Zeit von Puig i Cadafalch waren.

Die Böden sind von der Noucentismo-Ästhetik inspiriert, sowohl in der Zusammensetzung als auch in den Farben, Texturen und Materialien. Auch die Decken der Vorräume des sechsten Stocks und einige Zimmereiarbeiten in diesem Stockwerk sind zwar nicht original, aber eine mehr oder weniger getreue Nachbildung, die bereits in den 1980-er Jahren unternommen wurde. SCOB hat sie belassen.

Die Fliesen vermitteln „zu Hause”-Feeling

Beauftragt wurden für dieses Projekt hauptsächlich Unternehmen und spezialisierte Werktstätten aus der Gegend, ob Tischler, Stuckateur, Marmorarbeiter, Polsterer, Möbelhersteller, Textiler oder Keramiker, Grafiker und Illustratoren.

Entspanntes und inspiriertes Arbeiten im neuen LOOM in Spanien

Sehr zentral gelegenes Coworking Office in Barcelona

Die visuelle Harmonie wird durch die Kombination von natürlichem Holz und Weiß-, Siena- und Weintönen verstärkt. An manchen Stellen, an den Wänden oder in Form der Polsterungen, wurde mit farbigen Motiven ein lebendiger Akzent gesetzt. Bäder und Küchen sind mit erdfarbener Keramik verfliest. Die Verwendung dieser kleinformatigen Kacheln, bringt fast so etwas wie ein behagliches Wohngefühl in das Büroobjekt.

Die Möbel in den Gemeinschaftsbereichen passen ihrerseits perfekt zu den restlichen Materialien des Raumes: Holz, Kork, Seil, Leder, … Die Stoffe sowie einige Vintage-Möbelstücke in den Räumen bilden den Kontrapunkt, der die Vergangenheit des Gebäudes wiederbelebt.

Die Nüchternheit der Sitz- und Arbeitsmöbel wird mit den großen weißen Voile-Vorhängen neutralisiert. Diese lassen die Grenze zwischen Arbeitsbereich und Kultur- oder Freizeit- und Erholungsbereichen verschwimmen.

Mediterranes Barcelona-Flair auf den Terrassen

Die Terrassen sind eines der imposantesten Elemente dieses Projekts: Nicht nur wegen der spektakulären Aussicht auf das Stadtzentrum, sondern auch wegen ihres eigenen Stils. Dekor und Bepflanzung finden sich häufig in den typischen Galerien und Terrassen Barcelonas wieder. So sind auch die Terrassen des LOOM vielfältig nutzbar: zum Ausruhen, zum Besprechen, zum Treffen und Plaudern.

LOOM ist beim spanischen Immobilienverwalter Merlin Properties jene Abteilung, die unterschiedliche offene und private Büro-Lösungen – angefangen von klassischen Büroräumen, festen Arbeitsplätzen über Konferenz- und Event-Räumlichkeiten bis hin zu Coworking Spaces – anbietet und betreibt. Merlin Properties hat SCOB im Rahmen seiner Expansion in Barcelona mit dem Renovierungsprojekt beauftragt.

Dokumentarfilme von SCOB

Ähnlich chic wie das LOOM Plaza Catalunya, aber ungleich viel bunter ist das Coworking-Projekt „Brain Embassy“ in Tel Aviv des Architektur- und Designbüros Roy David.

Die tollen Terrassen des LOOM Plaza Catalunya

Sergi Carulla und Oscar Blasco sind beide Architekten und Landschaftsarchitekten, die in Barcelona ausgebildet wurden. Im Jahr 2005 gründeten sie das Architektur- und Landschaftsbüro SCOB, mit dem sie seither ihre Projekte entwickeln.

Zu den herausragenden Projekten des Unternehmens gehören der Yachthafen Port Vell und das One Cowork Plaza Catalunya. Darüber hinaus entwickeln sie für den Versicherer Zurich ein Gebäude in Barcelona.

Parallel zu ihrer beruflichen Praxis arbeiten sie an der Landschaftsforschung. Ihre Dokumentarfilme Landskating und Picapedrers wurden auf wichtigen Architektur- und Filmfestivals gezeigt, in mehr als 15 Städten in Europa und Amerika. Sie können auch auf der Video-Plattform Vimeo gesehen werden.

Text: Linda Benkö
Fotos: José Hevia / v2com; Sergi Larripa

Jetzt Newsletter Bestellen <>