Die Arche Chinas
Die Zhangjiang Zementfabrik gehörte früher zu den drei größten Zementfabriken Shanghais. Nun soll sie renoviert und neu genutzt werden – MAD Architects entwarfen dafür ein Projekt der Vielfalt: The Ark.
In Shanghai, der bevölkerungsreichsten Stadt Chinas und einer der weltweit größten Metropolen, wohnen über 26 Millionen Menschen. Als internationales Finanz- und Handelszentrum am Jangtsekiang repräsentiert Shanghai Chinas Aufstieg zur Wirtschaftsweltmacht Nummer 1. Und das auch architektonisch. Die Stadt fasziniert mit ihrer beeindruckenden Skyline, zu der auch der Shanghai Tower gehört, eines der höchsten Gebäude der Welt.
Ein Paradebeispiel für den Wandel, der in den letzten Jahrzehnten in China stattgefunden hat, ist die Zhangjiang Zementfabrik. Sie gehörte am Ende des letzten Jahrtausends zu den drei größten Zementfabriken in Shanghai. Seit ihrer Errichtung im Jahr 1971 spielte sie eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Metropole. Bis sie schließlich 2013 geschlossen wurde. Das Wanmicang-Lagerhaus, ursprünglich ein Knotenpunkt für die Rohmaterialannahme der Fabrik, ist nach wie vor das größte stehende Bauwerk der Zementfabrik.
Die Arche
Für das alte Lagerhaus hat das Pekinger Studio MAD Architects nun einen futuristischen Renovierungsvorschlag vorgestellt. Mit diesem möchten die Architekten die Moderne mit der Geschichte Chinas in einem Bau verbinden und dem vergessenen Industriestandort neues Leben einhauchen – ein Ort für Kultur, Kreativität, Büros und neue Geschäfte unter dem Namen The Ark, die Arche.
So, wie in der Bibel Noah seine Arche baute, um Altes zu bewahren, wollen auch die Architekten mit ihrem Vorschlag für die alte Zementfabrik deren ursprünglichen industriellen Charakter erhalten. Das Dach jedoch ersetzen sie durch die archeartige Metallstruktur, die man auch begehen und nutzen kann. Die rustikale Fassade wird saniert und verstärkt. In der Mitte trennt eine vorgehängte Glasfassade die Lagerhalle in zwei Teile – ein gläserner Vorhang sozusagen, der das Alte vom Neuen trennt.
„Das industrielle Erbe wird nicht nur wegen der historischen Erinnerungen bewahrt und genutzt, sondern vor allem, weil es der Zukunft ein Gefühl für die Geschichte gibt. Wir müssen hier also nicht die industrielle Ästhetik zelebrieren und konsolidieren, sondern uns auf den Geist der Gegenwart und der Zukunft konzentrieren“, erklärt Ma Yansong, Gründungspartner von MAD Architects.
Ein Ort für Alle
Das Potenzial des Inneren der Lagerhalle nutzt MAD Architects voll aus. Vor der Glasabtrennung lädt das Gelände zum Verweilen ein. Dahinter führt eine Metalltreppe von der Halle durch eine Art Portal hinauf in den Dachbereich. Hinein in die eigentliche Arche.
Unter dieser Metalltreppe befinden sich stufenartige Plattformen, auf denen verschiedene Dinge wie Kaffees oder Bücherregale untergebracht sind. Durch die Säulen, Bodenbinder und große Balken, die The Art von der Halle aus stützen, bekommt das Dach (beziehungsweise die Arche) einen schwebenden Effekt. Von oben hat man schließlich auch einen weiten Blick auf den Jangtsekiang. Wer auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses steht, kann The Art über eine neu gestaltete Brücke erreichen.
Der Kontrast zwischen der Rauheit des alten Betons und der Glätte des neuen Metalls haucht dem verfallenen Fabrikgebäude neues Leben ein, während sich der ursprüngliche Industrieraum in einen multifunktionalen urbanen Lebensraum für die Besucherinnen und Besucher verwandelt. Schließlich war es auch die Vielfalt, die Noahs Arche einst ausmachte. Die mit ihr erhalten werden sollte.
Und egal, ob man an die Erzählungen der Bibel glaubt oder nicht: The Art von MAD Architects ist auf jeden Fall real. Der Abschluss der Bauarbeiten ist für 2026 geplant.
Text: Resi Reiner
Fotos: MAD Architects