Brutalismus, freundlich aufgetürmt
Powerhouse Company hat Eindhovens brutalistischen Maaskant Bunker einer erstaunlichen Umgestaltung unterzogen: Um einen neuen, 100 Meter hohen Wohnturm mit umliegendem Park bereichert und respektvoll restauriert, blickt der Betonbau wieder freundlicher in die Zukunft.
Schön anzusehen fanden ihn auch bisher nur Fans des Brutalismus. Beliebt war der Maaskant Bunker in Eindhoven trotzdem immer. Jetzt hat der 1969 von Architekt Hugh Maaskant als Studentenzentrum konzipierte Betonblock eine spannende Umgestaltung hinter sich: Das niederländische Erfolgsbüro Powerhouse Company und dessen Team haben ihm einen 100 Meter hohen Wohnturm und eine Parklandschaft hinzugefügt. Und nicht nur das. Respektvoll, aber radikal restauriert, soll der graue Riese nun sein gesamtes Umfeld auf freundliche Art neu beleben. Gemeinsam mit seinem „Bunker Tower“, dessen Design sich am ursprünglichen Bauwerk orientiert.
Zubau statt Abbruch
Das ehrgeizige Vorhaben diesen Klassiker des Brutalismus neu zu beleben, konnte jüngst abgeschlossen werden. Zuwege gebracht haben es die Architekten von Powerhouse Company und DELVA Landscape Architecture & Urbanism sowie die Entwickler RED Company und Being Development. Und man zeigt sich mit dem Ergebnis höchst zufrieden. Denn was gelang, ist, wie Powerhouse Company Gründer Nanne de Ru beschreibt, eine „monumentale und doch sensible Intervention“. Eine, die den Maaskant Bunker nun längst nicht mehr so martialisch wirken lässt. Und dies nicht nur, weil er durch den neuen „Bunker Tower“ himmelhoch überragt wird.
Die horizontale Betonkomposition aus kühnen Linien, robusten Materialien und massiven Volumen war baufällig geworden. Dass der Maaskant Bunker der Abrissbirne entging, verdankt er einem von der Universität Eindhoven ausgeschriebenen Wettbewerb, den der Entwurf des Powerhouse Company Teams 2016 gewann. Jetzt hat der Maaskant Bunker wieder Zukunft. Auch deshalb, weil der hinzugefügte Wohnturm zusätzlichen Wert generiert, der die Finanzierung der aufwändigen Restaurierung des ursprünglichen Gebäudes möglich macht.
Den neuen Bunkerturm sieht man schon von Weitem. Kommt man näher, sieht man den Maaskant Bunker. Unser Entwurf verschmilzt verschiedene Maßstäbe, Alt und Neu. Es ist eine monumentale und doch sensible Intervention – wie ein freundlicher Riese.
Nanne de Ru, Architekt und Powerhouse Company Gründer
Außerdem wurde durch den Anbau des Turms eine Tiefgarage geschaffen. Ein essenzieller Punkt, weil der Umwandlung des bestehenden gepflasterten Parkplatzes in einen öffentlichen Park dadurch nichts mehr im Wege stand. Die komplexen Restaurierungsarbeiten und das anspruchsvolle Neubauprojekt wurden von Van Wijnen ausgeführt, die Landschaftsplanung von DELVA. Die neue „Bunker-Park“ Grünanlage und das neue Wohnungsangebot werten die Umgebung des Maaskant Bunkers erheblich auf.
Der Bunker-Park verstärkt die drei grünen Achsen, die die Stadt Eindhoven charakterisieren, und verschafft den Bewohnern mehr Lebensqualität. Optisch wird in der Grünzone die visuelle Sprache des „Bunker-Tower“ genannten Wohnturms fortgesetzt: Einrichtungen wie Bänke oder Fahrradstellplätze spiegeln sein Design.
Grün mit Mehrfachnutzen
Die Begrünung um und auf dem Gebäude dient als Wasserpuffer. Und sie trägt durch ihre einheimischen Pflanzen zur Artenvielfalt bei. Zudem ist der Park als Teil des grünen Keils zwischen Eindhovens de Karpen Viertel und dem Dommel-Fluss ein Modellbeispiel für klugen Umgang mit Wasser im urbanen Raum.
Mit dem Bunker Tower und dem dazugehörigen Park zeigen wir, dass es möglich ist, einen innerstädtischen Standort deutlich zu begrünen, klimagerecht zu gestalten, und gleichzeitig auf die großen Herausforderungen im Wohnungsbau zu reagieren.
Steven Delva, DELVA Landscape Architecture & Urbanism
Hugh Maaskant, der „Vater“ des nun erneuerten Bunkers, gilt als einer der berühmtesten und produktivsten niederländischen Architekten des 20. Jahrhunderts. Seine Bauten verkörpern den Optimismus der Nachkriegszeit. Im Lauf seiner Karriere wandelte sich seine architektonische Sprache von modernistisch zu brutalistisch. Das 1969 für die neue Technische Universität Eindhoven entworfene Studentenwohnheim Maaskant Bunker fällt in letztere Kategorie.
Baudenkmal Maaskant Bunker
Das monolithische Gebäude, das rasch den Spitznamen „De Bunker“ erhielt, wurde zu einem wichtigen sozialen Treffpunkt für die Studenten und die Gemeinde. Mit seinen schrägen Wänden, seiner einfachen Geometrie, ausgeprägten Asymmetrie und den Primärfarben markiert es eine wichtige Etappe der niederländischen Nachkriegsarchitektur.
Ins Jetzt geholter Brutalismus
Powerhouse Companys Entwurf verbindet den neuen Wohnturm mit dem alten Maaskant Bunker, indem er dessen Ausdruck und Materialität aufgreift. Die renommierten Architekten entschieden sich gegen traditionelle Lösungen: Sie bauten bewusst nicht „rund ums Denkmal“, setzten nicht auf strikte Trennung oder deutlichen Kontrast zwischen Alt und Neu. Im Gegenteil: Ihr Konzept hat den neuen Turm zu einer kühnen und interessanten Fortsetzung von Maaskants architektonischem Stil gemacht.
Der Turm verjüngt sich nach oben hin und nimmt die schrägen Wände des brutalistischen Vorbilds auf. Auch die asymmetrische, gestufte Form folgt dem Beispiel des Baudenkmals. Dies lässt das Hochhaus von verschiedenen Stadtteilen her betrachtet unterschiedlich aussehen. In drei Abschnitten jedoch interpretiert der Turm Maaskants Designsprache neu, indem er sich dreht und mit zunehmender Höhe immer heller und offener wird.
Wohnen überm Maaskant Bunker
Die großen Glasflächen des „Bunker Tower“ symbolisieren die Öffnung des zuvor mit Brettern verkleideten Gebäudes zur Stadt. Und sie bieten den Bewohnern des Neubaus grandiose Ausblicke.
Der originale Beton, aus dem der Maaskant Bunker einst errichtet wurde, wurde aufwändig restauriert. Acht Monate Arbeit waren dazu nötig. Und 20 Varianten, um den richtigen Farbton zu finden.
Nicht minder herausfordernd: Die Gestaltung der Fassade des neuen Bunker Towers in einer Materialpalette, die mit den von Maaskant verwendeten Materialien harmoniert. Der schieren Monumentalität wegen lag es nahe, Naturstein zu verwenden. Diesen haben die Architekten mit Glas und Holz kombiniert und in einen stetigen Rhythmus von horizontalen Bändern integriert.
Lebensqualität im „Bunker Tower“
Der neue Turm, der den Maaskant Bunker so imposant überragt, bietet 210 hochwertige Miet- und Eigentumswohnungen auf 32 Etagen. Großzügige Grundrisse, Loggien und Balkone sowie luxuriöse natürliche Materialien versprechen Komfort. Und riesige Fenster garantieren beste Aussicht.
Im nun gekonnt restaurierten Maaskant Bunker selbst befinden sich die hochwertigen, 3000 Quadratmeter großen Büroräume des Online-Bildungsanbieters Goodhabitz. Doch auch die ursprüngliche soziale Funktion des alten Beton-Riesen wird fortgeführt: Ein zum Teil öffentliches Grand Café lädt zum Besuch und soll dafür sorgen, dass das Baudenkmal wieder zu jenem beliebten Treffpunkt wird, als der es schon so viele Jahre galt.
Das Gebäude hat eine starke menschliche Präsenz, auch weil es mit den Geschichten der Vergangenheit verbunden ist.
Laurens Leenders, Being Development
Wie schon beim Maaskant Bunker selbst, wird wohl auch seinem neuen Turm nicht jedermanns Gunst beschieden sein. Weil das Design des Neubaus sich stark an jenem des wuchtigen alten Gebäudes orientiert und sich die Geister scheiden, wenn es um Brutalismus geht.
Ansichtssache Brutalismus
Manchen sind Relikte dieser architektonischen Ära eher ein Dorn im Auge, während andere wiederum sie dringend vorm Abbruch bewahren wollen. Dass ihr Erhalt durchaus erfreuliche Ergebnisse hervorbringen kann, zeigt etwa auch Raad Studios Konzept „The Strand“ für einen solchen Beton-Riesen in London.
Die sonst eher für besonders nachhaltige Projekte wie ihr „schwimmendes Büro“ aus Holz bekannten Powerhouse Company Architekten bemühen sich inzwischen übrigens auch um die Zukunft einer weiteren Ikone: Sie haben den Zuschlag für die Runderneuerung der in den frühen 1980er Jahren errichteten Zentralbibliothek von Rotterdam bekommen. Und die hat zwar mit Brutalismus nichts gemein, sorgt allerdings genau wie Werke dieses Stils seit jeher für Differenzen zwischen Fans und Gegnern.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Sebastian van Damme