Öko-Luxus vor dem Big Apple
Der kleine Felsen im Wasser vor New York City hat eine dunkle Geschichte, die ihm den Namen „Rat Island“ einbrachte. Nun soll auf der Privatinsel ein nachhaltiges Luxus-Ressort entstehen.
Er trägt zwar keinen eigenen Namen, doch der stolze Vogel ist wohl den meisten New Yorkern ein Begriff. Schließlich ist der stattliche Blaureiher der einzige bekannte Bewohner von Rat Island. Einer kleinen Insel direkt vor New York City.
Jetzt soll Rat Island aufblühen
Doch wenn es nach dem heutigen Besitzer dieses ungewöhnlichen Stück Land geht, soll sich das schon bald ändern. Gemeinsam mit dem New Yorker Architekten Pablo Jendretzki möchte er ein einzigartiges Hotel auf dem einmaligen Eiland errichten.
Richten wir zuerst einmal den Fokus auf diesen nur dem Anschein nach unspektakulären Steinhaufen und seinen einprägsamen Namen „Rat Island“. Der gut einen Hektar große Klumpen, der vor New York City unregelmäßig aus dem Wasser ragt, besteht großteils aus Schiefergestein. Er ist in Wahrheit der kleinste Splitter jener 44 Inseln, auf denen New York errichtet ist.
Lila Strand mit Beigeschmack
Auf seiner Südseite existiert ein kleiner Kanal, der sich in das Gestein schneidet. Er dient seit jeher zum Anlegen kleiner Boote. Auf der Westseite wirkt ein lila schimmernder Strand auf den ersten Blick einladend. Auf den zweiten erkennt man jedoch, worauf die ungewöhnliche Farbe zurückzuführen ist: Eine Mixtur von Muschelschalen, verwesenden Vogelknochen und struppigem Schilfgras.
Woher rührt der Name „Rat Island“?
Nichtsdestotrotz ranken sich viele Geschichten um diese Mini-Insel. Die Kurzfassung: Während der Typhus-Welle im 19. Jahrhundert wurde sie als Quarantäne-Ort genutzt. Bis zu 40 Infizierte sollen dort hingebracht worden sein. Und dürften wohl auch hier ihr Ende gefunden haben. Von den damals notdürftig errichteten Barracken sind noch ein paar Grundmauern zu sehen, mehr nicht. Jedenfalls aber könnte es sein, dass die mit den Kranken lebenden Ratten der Insel ihren Namen verpasst haben.
Eine andere Geschichte besagt, dass die Insel von flüchtenden Gefangenen der nahe gelegenen Gefängnisinsel Hart Island als Zwischenstation genutzt wurde. Um sich hier für die zweite Schwimmetappe Richtung City Island kurz zu stärken. Die Häftlinge trugen damals den wenig charmanten Beinamen „Ratten“ – daher könnte der Name der Insel also auch von ihnen rühren.
Licht ins Dunkle
Seit dem Jahr 2011 gehört die Insel jedenfalls dem auf City Island lebenden Schweizer Alex Schibli. Der ehemalige Hafeningeneur hatte sich gegen sieben andere Bieter bei einer Versteigerung durchgesetzt und das brachliegende Areal um 160.000 Dollar erworben. Nun möchte der heute 80-jährige Pensionist das Fleckchen Erde von seiner dunklen Geschichte befreien. Und es gleichzeitig den New Yorkern als Naherholungs-Ort erschließen.
„Ursprünglich hatte ich keine großen Pläne, ich wollte bloß mit meiner Freundin hier in Ruhe hinfahren, um zu picknicken“, erzählt er. Doch dann hat sich Architekt Pablo Jendretzki bei ihm gemeldet. „Er hat gemeint, er wolle mir eine Idee für die Insel unterbreiten.“
Jendretzki nämlich war schon zuvor von dem kleinen Felsen fasziniert gewesen und hatte sich bereits Gedanken über ein modernes Hotelprojekt gemacht. „Die Idee, dass man sich für ein Wochenende oder einen Monat in eine private Hütte auf einer kleinen Insel, nur 30 Minuten vom Central Park entfernt, zurückziehen kann, hat mich einfach immer schon fasziniert“, erzählt er heute.
Jedenfalls gelang es ihm, den neuen Besitzer für seine Idee zu begeistern. Seither tüfteln die beiden an der Realisierung ihrer Vision eines Öko-Hotels, das als Glamour-Erlebnisort fungieren soll.
Insel ohne Ressourcen
Tatsächlich gibt es auf Rat Island keine natürlichen Ressourcen, weshalb die geplanten zehn zusammengehörigen Holzhäuschen völlig autark funktionieren müssen. Das bedeutet: Strom kann nur direkt und vor Ort erzeugt werden. Regenwasser muss gesammelt und aufbereitet werden. „Wir untersuchen derzeit die neuesten Technologien für Sonnen- und Windenergie, Regenwassersammlung und -reinigung sowie geschlossene Aufbereitungssysteme“, so der Architekt. Große Projekte wie etwa die neue Google-Zentrale oder die London-Zentrale von Bloomberg könnten hierfür vielleicht als Vorlagen dienen.
Wir haben die Hütten ohne Fenster an der Seite entworfen, damit die Privatsphäre gewahrt bleibt.
Pablo Jendrezski, Architekt
Während hinsichlich des unabhängigen Betriebs also noch Fragen zu klären sind, steht das architektonische Konzept bereits fest: Nachdem das felsige Gelände nicht wirklich bebaubar ist, müssen alle Bestandteile und Objekte am Festland gefertigt sein, um schließlich auf dem felsigen Gelände der Insel installiert zu werden. Das Verankerungs-System und die notwendigen Stützen und Träger bilden also den Dreh- und Angelpunkt des Projekts.
Öko-Wohneinheiten mit Intimsphäre
Die Wohneinheiten selbst sollen mit einem möglichst geringen CO2-Fußabdruck hergestellt werden und jedes für sich einen Rückzugsort für gestresste New Yorker bilden. „Wir haben die Hütten ohne Fenster an der Seite entworfen, damit die Privatsphäre gewahrt bleibt“, sagt Jendretski. Dafür sollen große Fenster einen spektakulären Ausblick auf das Meer und den Big Apple ermöglichen.
Außerdem haben die beiden Männer einen kleinen Yachthafen mit einem schwimmenden Piersystem für zwölf Boote und eine mögliche Ankunft für das NYC-Wassertaxi eingeplant. Der alte, bestehende Kanal, der die Insel durchschneidet, wurde als Zufahrtsmöglichkeit für kleine Boote und Kanus in das Konzept integriert.
Was jetzt alledings noch fehlt: Das nötige Kleingeld. Denn Schibli selbst verfügt aktuell nicht über die finanziellen Mittel, um den Bau alleine zu stemmen. Also ist er derzeit gezielt auf der Suche nach Investoren.
Ein Unterfangen, das wohl große Chancen auf Erfolg hat. Schließlich gibt es in New York kein vergleichbares Projekt und auch keine andere Möglichkeit, ein solches zu realisieren: Rat Island ist die einzige Insel New Yorks, die sich in Privatbesitz befindet.
Rat Island wird zu Malina Island
Doch bevor gut betuchte Urlauber dem aktuell noch über die Insel herrschenden Blaureiher den Rang ablaufen, möchte Schibli zumindest einmal den schäbigen Namen seiner felsigen Enklave loswerden.
Schon bald soll Rat Island in Malina Island umgetauft werden. Dem Namen seiner geliebten Enkelin.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Jendretzki Architects