Loft im Heuschober
Holzhaus im Scheunenstil und Industrial Design passen nicht zusammen? Das Wohnhaus Zilvar im böhmischen Tafelland beweist das Gegenteil. Der preisgekrönte Holzriegelbau mit Niedrigenergiekonzept verlagert die Loft-Architektur aufs Land.
Das tschechische Lodín ist ein böhmisches Dorf im wahrsten Sinn. 310 Einwohner und eine Straße, die einen im Nu von einem Ende zum anderen bringt. Dazwischen liegen langgestreckte Höfe, ein Campingplatz und Häuser mit bröckelnder Fassade. Einen Hinweis auf moderne Architektur findet man hier nicht. Ganz am Ortsrand, dort, wo die weiten Felder beginnen, hat das Prager Architekturbüro ASGK Design ein experimentelles Wohnhaus errichtet, das mit dem renommierten Architizer A+ Award ausgezeichnet wurde. Die Loft-Architektur gesellt sich jetzt zu Bauernhöfen & Co.
Von der Vorgabe zum Konzept
Die Vorgabe der Bauherren – einem Paar mit kleinem Kind – war eine offene, Loft-artige Raumgestaltung im Inneren, hohe Energieeffizienz und der Einsatz von Holz als Baumaterial. Eine Verbindung zur umgebenden Landschaft sollte sowohl im Innen- als auch im Außenbereich hergestellt werden, so die Architekten.
„Die Flora, der Naturteich im Garten und die umgebenden Dorfhäuser brachten uns zu einer einfachen, kompakten Form mit variierten Dachschrägen“, beschreiben die verantwortlichen Architekten Gabriela Kaprálová und Peter Hričovec die formgebenden Einflüsse. Das Mikroklima des böhmischen Tafellandes mit häufigem Niederschlag, starken Westwinden und heißen Sommern bezogen sie bei der Planung ebenfalls mit ein. Es sollte ein gemütlicher Rückzugsort fernab des hektischen Alltags werden, der das ganze Jahr über ideales Wohnklima schafft.
Die durchgehende Beplankung sorgt für die optische Illusion eines vergrößerten Raumes.
Architekten Gabriela Kaprálová und Peter Hričovec
Der daraufhin kreierte Entwurf basiert auf einem Holzriegelbau mit einem Rahmen aus Lärche. Sowohl außen als auch innen wurde eine Verkleidung aus einheitlichen Lärchenbrettern angebracht. Um sie im Außenbereich wetterfest zu machen, wurden sie geflammt und gebeizt. Die Holzdielen im Wohnbereich und auf der Veranda sind symmetrisch verlegt und nur durch die großen Glas-Schiebetüren getrennt. „Die durchgehende Beplankung sorgt für die optische Illusion eines vergrößerten Raumes“, so die Architekten über den ästhetischen Kniff. Sind die Terrassen-Schiebetüren im Sommer offen und die Sonnenschutzelemente vorgeschoben, ist der Wohnraum tatsächlich um die Veranda vergrößert.
Energiekonzept mit vielen Facetten
Die großformatigen Glaselemente und Panoramafenster im Erdgeschoß sorgen für lichtdurchflutete Räume und lassen im Winter reichlich Sonne zur Wärmegewinnung ins Haus. Zur Erreichung der vorgegebenen Energieeffizienz wurde eine hinterlüftete Fassadenbauweise mit diffusionsoffener Außenwand gewählt. Zur Isolierung sahen die Architekten eine Dämmung mit Mineralwolle vor, die im Zwischenraum des Holzriegels eingebracht wurde.
Die Fenster aus einer Holz-Aluminium-Konstruktion sind dreifach verglast und haben einen hohen Dämmwert. Das Warmwasser kommt von einem bivalenten Wassertank, der an Solarkollektoren angeschlossen werden kann. Geheizt wird mit Infrarot-Paneelen und einem zusätzlichen Holzofen. Durch die leichte Anhebung des Baus entsteht ein zusätzlicher hinterlüfteter Bereich unter dem Boden, der klimaregulierend wirkt.
Auch wenn es für ein Tiny House zu groß ist, so entspricht die Kompaktheit der Wohnfläche dem aktuellen Downsizing-Trend. Die ungewöhnliche Form des Hauses geht auf das jüngste Familienmitglied zurück. „Die Inspiration für Zilvars Formgebung kam vom Sohn der Bauherren, der sich ein Haus in Form eines Kriechtieres wünschte, das sich zur großen Eiche hinauf streckt“, so die Architekten.
Die beiden Dachauskragungen gegen Süden und gegen Norden schaffen Raum für zwei separate Schlafbereiche, die im Obergeschoß liegen. Das nördliche Schlafzimmer hat durch die Nähe zur Eiche Baumhaus-Feel, das südliche gibt den Blick über die weiten Felder frei. Verbunden sind die Geschoße durch Treppen im Industrial Style. Schwarze Design-Elemente schaffen Kontrast zur Holzverkleidung, die vom Boden bis zur Decke eine Einheit bildet.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Petra Hajska, ASKG Design