Wenn Waffen zur Kultur werden
Im schweizerischen Sion wurden zwei ehemalige Militär-Arsenale zu einem Kulturzentrum umgestaltet. Meier + Associés Architectes schufen mit Les Arsenaux aber weit mehr: Es entstand ein symbolhafter Ort für Generationen.
Die Umwandlung von militärischen Anlagen in kulturelle Zentren. Gerade in Zeiten wie diesen haben derartige Projekte wohl eine ganz besondere Bedeutung. Das Kulturzentrum Les Arsenaux in Sion im schweizerischen Kanton Wallis zählt zu ebensolchen Projekten. Ein Kulturzentrum, das aus zwei historischen Gebäuden besteht: Dem 1895 errichteten Arsenal Cantonal sowie dem Arsenal Fédéral aus dem Jahr 1917. Letzteres hatte der Kanton bereits 1986 dem Schweizer Bund abgekauft, um die Waffen- und Militärausrüstungsdepots gemeinsam seiner neuen, kulturellen Bestimmung zuzuführen.
Kultur schaffend
Die Transformation der militärischen zu einer kulturellen Einrichtung wurde damals in die Wege geleitet, dauerte bis zu ihrer endgültigen Fertigstellung allerdings schließlich mehr als drei Jahrzehnte. Nachdem die Kantonsbibliothek zur Mediathek Wallis geworden war, wurde für sie ein unterirdisches Depot errichtet, bis schließlich 2011 Meier + Associés Architectes mit Sitz in Genf den Auftrag erhielten, die Zusammenführung der beiden ehemaligen Militär-Arsenale zu einer neuen kulturellen Einheit architektonisch umzusetzen.
Das Ziel der Neugestaltung war laut Meier + Associés Architectes klar: „Ein Zentrum für Kultur, Wissenschaft und Geschichte zu schaffen, das den interdisziplinären Austausch ebenso fördert wie Forschung und Bildung. Und als Treffpunkt fungiert. Zudem soll es die Verwaltung und Erhaltung des Walliser Erbes sowie dessen Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit optimieren und Vernetzung von Künstlern und Kulturvertretern möglich machen.“
Spiegelnder Blickfang
„Das Projekt umfasste den Zusammenschluss zweier Gebäude mit hohem Kulturwert und sollte deren Erweiterung in ein zusammenhängendes Ensemble sicherstellen“, so das Architekturbüro. Die Herausforderung dabei war, ein Element zu kreieren, das die gegebenen Unterschiede der beiden Arsenale miteinander verbindet. Und obwohl seine Funktion in erster Linie darin besteht, als Übergang zwischen den bestehenden Gebäuden zu dienen, sollte es auch als Bezugspunkt für die Menschen dienen. Ein Blickfang, den alle Besuchenden durchschreiten.
Entstanden ist ein Gebäude, bei dem eine geometrische Form alles dominiert: Das Dreieck. Es findet sich sowohl in der gefalteten Struktur als auch in der Edelstahlfassade wieder. Deren reflektierende Fläche symbolisiert zudem die Bergkristalle, für die das Wallis berühmt ist. „Sie spiegeln die Landschaft, den Himmel und die bestehenden Gebäude wider und bieten so einen sich ständig verändernden Blick auf das historische Erbe dieses Orts“, so Meier + Associés Architectes.
Dreieckige Aussparungen in der Fassade sorgen für natürlichen Lichteinfall und geometrische Projektionen an den Wänden im Inneren. Einem Inneren, das in bewusstem Kontrast zum spiegelnden Außen steht, welches aufgrund seiner Spiegelflächen einen wahren optischen Overload erzeugt. Innerhalb des Verbindungsgebäude dominieren dagegen weiße Wände und dunkle Böden. Keinerlei Einrichtung stört den Minimalismus.
Moderne Historie
Die Schwierigkeit bei der Umsetzung des Projekts, so das Studio, bestand in weiterer Folge darin, bestimmte Räume in den beiden Arsenalen für ihre neue Bestimmung zu adaptieren, da sie ursprünglich für andere Zwecke als für ein Kulturzentrum errichtet worden waren. „Mit anderen Worten mussten wir zeigen, dass ein zeitgenössischer Eingriff die historische Substanz des Ortes diese dennoch bewahren kann“, so die Architekten.
Die dominierende Farbe ist ein kräftiges Rot, kombiniert mit einigen Elementen in Beige, Braun oder Weiß. Während im Arsenal Fédéral das Staatsarchiv beheimatet ist, fand die Mediathek im Arsenal Cantonal Platz. In dessen großem Saal wurden – ohne Zwischenwände einzuziehen – die Cafeteria sowie ein Teil der Mediathek eingerichtet. Deren anderer Teil befindet sich im ersten Stock hinter Glas. In diesem Raum werden unter perfekten Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsbedingungen seltene Bücher und Antiquariate aufbewahrt. In den ebenfalls auf dieser Ebene untergebrachten Büros ist zudem Platz für 44 Arbeitsplätze.
Im Spätsommer 2019 wurde schließlich die Eröffnung von Les Arsenaux gefeiert. Seitdem sitzen Kinder hier gemeinsam mit ihren (Groß-)Eltern lesend auf Sitzsäcken, Studierende kommen zum Lernen, Forscher vertiefen sich in Archivdokumente. Die Walliser Kunstszene trifft sich im Kulturzentrum, um neue Projekte zu entwickeln. Eine Militäreinrichtung wurde zu einem Ort für Generationen. Eine wahrlich ganz besondere Bedeutung.
Text: Michi Reichelt
Bilder: Yves André, Wikipedia/Pimentvert