Alles (lernen) unter einem Dach
Das Projekt Learning Architecture for Learners des Studios VUILD an der Tokyo Gakugei University besticht nicht nur optisch. Die innovative Bauweise der „Lernbasis“ ist ein Versprechen für künftige Projekte.
Alles begann mit der Explayground Organisation, ins Leben gerufen von der Tokyo Gakugei University (TGU) und der japanischen Start-Up-Investmentfirma Mistletoe Japan Inc. Die Lehramts-Fakultät der TGU hatte das Projekt angeregt, nachdem man sich die Frage gestellt hatte, welche Art von Bildung für unsere heutige Zeit angemessen wäre; wie Menschen im 21. Jahrhundert lernen sollten.
Im Rahmen von Explayground können alle Lernenden, von Schülern über Studenten und Fakultätsmitglieder bis hin zu Unternehmen, gemeinsam innovative „Dinge tun, die sie tun möchten“, wie es seitens der Verantwortlichen heißt. Und das spielerisch. Die Teilnehmer schlagen unabhängig voneinander Themen vor, die sie interessieren, und bilden ein sogenanntes LAB-Projekt mit anderen, die ihre Interessen teilen – wobei der Fokus auf moderner Fertigungstechnologie liegt. Was dafür fehlte, war ein zentrales Gebäude. Eine Basis für die zahlreichen Projekte (mittlerweile mehr als 40). VUILD Architects kreierten ebendiese Basis unter einem nicht alltäglichen Namen: Learning Architecture for Learners.
Da bist du „Blatt“
Das Studio mit Sitz in Kawasaki entwarf dafür eine 23 Meter breite und 12 Meter tiefe Holz-Stahlbeton-Struktur mit einer maximalen Höhe von 6,5 Metern. Es entstand weniger ein tatsächliches Gebäude als ein Dach, unter dem sich die Projekt-Teilnehmer künftig zusammenfinden sollten. Das Ziel war nämlich, keinen fertigen Raum zu schaffen, sondern einen, in dem flexibel und ohne Einschränkungen alle Projekte durchgeführt werden können. Erste Planungen, die Glasfassaden und die Installation einer Klimaanlage vorsahen, wurden daher verworfen und die Learning Architecture for Learners offen gestaltet. Eine Dachkonstruktion gewissermaßen, ohne Seiten- oder Innenwände, tür- und fensterlos.
Als Inspiration für die Formgebung diente dem Architekturteam dabei die Blätter eines Baumes: eine konkave Form mit Verstärkungen, die wie die Adern des Blattes angeordnet sind. VUILD wählte für die Struktur Brettsperrholz (CLT), das mittels einer 5-Achs-CNC-Fräsmaschine zu 240 Millimeter dicken Platten zugeschnitten wurde. Die Träger der Konstruktion, ebenfalls aus CLT, wurden mit einem Längsschnitt als Sinuskurve entworfen. Voraussetzungen für die Gesamtkonstruktion war ein von den Architekten erstelltes CAD-Modell, nach dem die insgesamt 963 CLT-Teile mittels Metallbeschlägen vor Ort zusammengesetzt wurden.
Maximale Effizienz
In die CLT-Schale goss man Stahlbeton ein, wodurch eine acht Zentimeter dicke Abdeckung entstand. Diese wurde schließlich mit wasserfester Farbe lackiert und versiegelt.
Laut VUILD wurden mit dieser Bauweise auf 60 Prozent von normaler Rohbauweise reduziert werden. Der CAD-Algorithmus ermöglichte demnach aufgrund der optimierten Vorgabe der Form und der Platzierung aller vorab produzierten Teile höchste Effizienz bei Material- und Zeitaufwand.
„Es wurden mehrere Arten von CLT-Platten mit einer maximalen Größe von 1.350 mal 4.000 Millimetern hergestellt“, so VUILD. „Die Platten waren dann in vier verschiedenen Stärken zwischen 60 und 210 Millimetern verfügbar. Aufgrund eines 3D-Diagramms mit Farbcodierung war es dann einfach, die Teile mit jeweils unterschiedlicher Dicke passend zu platzieren. Nachdem diese Vorgangsweise dem Bauteam erläutert worden war, konnten wir die Struktur optimal erstellen.“
Mehr noch: Die Teilnehmer an den LAB-Projekten profitieren von der Konstruktionsweise in doppeltem Sinn. Das Architekturbüro überließ nämlich nach Beendigung seines Auftrags jene CNC-Maschine, mit der die Struktur hergestellt wurde, dem Explayground. Sie ist nun in der Learning Architecture for Learners selbst für die LAB-Projekte nutzbar. Bleibt zu hoffen, das unter den „Dingen, die sie tun möchten“, auch Fräsarbeiten sind …
Text: Michi Reichelt
Bilder: Takumi Ota