Ein Vagabund mit High-Tech Wagen
Weil er ständig auf Achse war, suchte Technologie-Unternehmer Jeff Kleck nach einer cleveren Homeoffice-Lösung. Die zündende Idee: Einen alten Airstream zum wahrscheinlich weltbesten mobilen Smart-Office namens „Kugelschiff“ umzubauen.
Tetris. Sie kennen ihn doch sicher, diesen Spielklassiker aus Russland (ja, der kommt wirklich aus Moskau), bei dem man unterschiedliche Steine wie ein Puzzle ineinanderfügt.
Jedenfalls ist Tetris im Vergleich zu der Aufgabe, die Architekt Robert Edmonds zuletzt vor sich hatte, ein Kinderspiel. Der Gründer des Studios Edmonds + Lee Architects stand nämlich plötzlich vor einem alten Airstream und sollte in dessen acht Quadratmeter all das reinpacken, was sonst in einer Wohnung samt Büro zu finden ist. Außerdem sollte die Sache auch noch technisch alle Stückerl spielen. Weil: Smart Office, bitteschön.
Ein Kugelschiff auf großer Fahrt
Eines gleich vorweg: Die Sache ist gelungen – und trägt nun den klingenden Namen „Kugelschiff“. Aber rollen wir die Sache jetzt einfach von hinten auf: Der amerikanische Technologieunternehmer Jeff Kleck hatte genug von seiner Bürosituation. Außerdem nahmen seine beruflichen Reisen langsam aber sicher zeitraubend große Dimensionen an. Die Corona-Pandemie hatte zuletzt auch noch gänzlich neue Bedingungen geschaffen.
Er erinnert sich: „Ich brauchte einen Raum, in dem ich von zu Hause aus arbeiten konnte, und überall dort, wo ich für Meetings sein musste, und überall dort, wo ich für Inspiration sein wollte.“ Und weiter: „Ich brauchte etwas Hochtechnologisches mit Internet- und Cloud-Konnektivität, das groß genug war, damit ein paar Leute zusammenkommen konnten.“
Aus Airstream wird Kugelschiff
Als er das seiner Tochter Alaina erzählte, hat diese die spontane Idee, einen alten Airstream zu kaufen und diesen in das coolste und smarteste Homeoffice der Welt umzubauen. Und damit traf die Tochter beim Vater wohl nicht ganz unerwartet ins Schwarze. Er sagt: „Moderne Design-Umgebungen waren schon immer meine Vorliebe, da sie eine Atmosphäre des Optimismus ausstrahlen.“
Doch noch bevor Architekt Robert Edmonds überhaupt loslegen konnte, mussten unerwartete Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden. Der Grund: Jeff hatte sich auf das ikonische Modell Airstream Bambi II kapriziert, das nur zwischen 1964 und 1965 gebaut wurde. Heißt: Es gibt fast keine mehr. Wie und zu welchem Preis er schlussendlich an das heutige Kugelschiff gekommen ist, darüber verliert Jeff kein Wort. Jedenfalls aber engagierte er an einem besonderen Tag Edmonds Büro.
Was geht auf 8 Quadratmeter?
Der kann sich an diesen Tag auch noch besonders gut erinnern. Schließlich war das notwenige Puzzle-Design für Edmonds + Lee Architects eine völlig neue Herausforderung. Robert Edmonds: „Die Sache wurde schnell zu einem Experiment. Uns hatte der Ehrgeiz gepackt und wir wollten wissen, ob wir unsere umfassenden Vorstellungen von Raum und Architektur auf acht Quadratmeter verdichten können.“
Das bedeutet: „Nahtlose, multifunktionale programmatische Elemente sind Bestandteile, die wir in all unsere Projekten integrieren, weil sie eine ehrliche Antwort auf die Art und Weise sind, wie Menschen ihr Leben leben. Aber in den Zwängen dieses Raumes musste dies mit unglaublich präzisen Details verbunden werden, die enge, ineinander greifende Funktionalitäten miteinander verbinden.“
Um sich an die Lösung des großen Problems eines kleinen Raums heranzutasten, bediente sich Edmonds artfremdem Know-how: „Ich sah mir Lösungen aus der Luftfahrtarchitektur an, wo man die traditionellen Vorgaben – Kante, Ecke und Begrenzung – über Bord wirft. Ich versuchte, den Raum als ein dreidimensionales System, das viele Dinge auf einmal sein muss und dennoch stark stilisiert ist, zu verstehen.“
Jede Nische wird genutzt
Das Ergebnis: Die Küche befindet sich in der Mitte, und wenn sie nicht gebraucht wird, kann die Spüle mit einer abnehmbaren Blende verdeckt werden. Der Kühlschrank ist unter der Theke und hinter der Mühle verborgen. Der Puzzle-Architekt hat zudem einen Schreibtisch auf Kolben montiert, der auf die Höhe einer benachbarten Bank abgesenkt werden kann, so dass er in ein Bettgestell wandelbar ist .
„Die umfangreiche Ausrüstung, die der Airstream benötigt, um sich fortzubewegen und netzunabhängig zu funktionieren, befindet sich in den Küchenschränken, der Bankettbestuhlung oder verborgen in den Böden und Wänden,“ sagt Edmonds.
Und wenn schon so viel auf so wenig Platz sein muss, dann muss das Design stimmen. Heißt: Weiß lackierte Aluminium-Innenwandpaneele, Fußböden und Schränke aus weißer Esche und Arbeitsplatten aus Corian. „Das glänzende Finish des lackierten Aluminiums minimiert die visuelle Unordnung und betont das Lichtspiel auf der gewölbten Oberfläche der Decke und der Wände“, erklärt Edmonds.
Dazu noch ein paar klingende Namen: Das Kugelschiff ist mit einem von Eero Saarinen entworfenen Tulip-Tisch ausgestattet, der von Stühlen aus der Feder von Charles und Ray Eames und mit Maharam-Wolle gepolsterten Bankkissen gesäumt wird.
Das Kugelschiff nimmt Kurs auf Wüste
Jeff jedenfalls fährt seitdem sein Kugelschiff fertig ist, gern in die Berge. Oder in die Wüste. Aber auch an den Strand – wo er eben gerade arbeiten möchte. Und am Ende des Tages kann er alles abschalten und sich mitten im Nirgendwo entspannen.
Denn das ist, und da ist sich Jeff sicher, eine neue Lebensweise, die die Welt erobern wird. Aber erst, sagt er, wenn die technologischen Systeme auch weltweit so gut funktionieren, wie eben dort, wo sie und fast alle Tetris-Nachfolger entwickelt werden: In Jeffs Heimat, dem Silicon Valley.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Joe Fletcher