Klima-Talk mit Jane Goodall
Wenn eine legendäre Umweltschützerin und der CEO eines Immobilienentwicklers sich über Klimaschutz unterhalten, sind Kontroversen unausweichlich? Irrtum! Jane Goodall und UBM-CEO Thomas G. Winkler bewiesen das Gegenteil: Ein Gespräch über Möglichkeiten zur Rettung des Planeten.
Unverhofft kommt oft. Und macht mitunter Hoffnung. So, wie das Gespräch über Klimaschutz, das die weltberühmte Tier- und Umweltschützerin Jane Goodall und UBM-Development CEO Thomas G. Winkler jüngst führten. Wer meint, die engagierte Forscherin und der Vorstandschef des international tätigen Immobilienentwicklers könnten wohl kaum Gemeinsamkeiten finden, irrt: Einhelliger und konstruktiver hätte die Unterhaltung gar nicht sein können. Und was besprochen wurde, macht deutlich: Noch gibt es Möglichkeiten den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken. Welche das sind, haben Goodall und Winkler im Talk definiert – in bestem Einvernehmen.
Jane, Ihr jüngstes Buch trägt den Titel „Das Buch der Hoffnung“. Gibt es angesichts des Klimawandels und all der anderen bedrohlichen Entwicklungen denn wirklich noch Hoffnung für unseren Planeten?
Jane Goodall: Mit dem Klimawandel, dem Verlust der Artenvielfalt und jetzt auch noch einer Pandemie erleben wir sicherlich ziemlich düstere Zeiten. Noch gibt es ein Zeitfenster, in dem wir beginnen können, die Entwicklung umzukehren. Aber dieses Zeitfenster ist nicht sehr groß. Die Hoffnung liegt im Handeln. Deshalb müssen wir alle jetzt aktiv werden. Aber, ganz ehrlich gesagt: Es kommt darauf an, was wir tun. Und natürlich tragen große Unternehmen auch eine besonders große Verantwortung.
Thomas, was denken Sie über den Klimawandel und die Maßnahmen, die dagegen ergriffen werden sollten? Dieses Ziel liegt Ihnen und Jane ja gleichermaßen am Herzen.
Thomas G. Winkler: Ich stimme Jane voll und ganz zu: Der Handlungsspielraum ist sehr gering, aber er existiert. Ich muss eingestehen, dass ich erst vor kurzem erkannt habe, dass wir als Immobilienentwickler hier massiv Einfluss nehmen können. Immerhin werden 38 Prozent der gesamten CO2-Emissionen durch den Bau und Betrieb von Gebäuden verursacht. Das ist mehr, als jede andere Branche emittiert.
Welche Maßnahmen haben Sie also ergriffen?
Thomas G. Winkler: Wir haben uns deshalb eingehend damit beschäftigt, wie wir als Immobilienentwickler am meisten bewirken können. Ungefähr ein Viertel dieser 38 Prozent, nämlich 3,5 Milliarden Tonnen, stammen aus der Produktion von Stahl und Beton, die für die Errichtung von Gebäuden benötigt werden.
Unser Ansatz besteht darin, einen Teil dieser Menge an Stahl und Beton durch Holz zu ersetzen, wodurch potenziell eine Milliarde Tonnen oder sogar mehr an CO2-Emissionen vermieden werden können. Das ist enorm!
Was meinen Sie dazu, Jane? Für den Bau wird Holz benötigt. Sie haben sich aber gegen die Abholzung von Wäldern ausgesprochen. Ist das also überhaupt vereinbar?
Jane Goodall: Nun, es kommt darauf an, welche Art von Holz verwendet wird und ob dieses aus einer Plantage oder aus sorgfältig kontrollierter Forstwirtschaft stammt. Wirklich schlimm ist es, wenn es aus einem ursprünglichen, langsam gewachsenen Wald geschlagen wird. Und das kommt leider vor. Viele Unternehmen verwenden Hartholz aus Urwäldern und zerstören damit den Lebensraum von Milliarden und Abermilliarden Lebewesen.
Das ist aber nicht, was die UBM tut, oder?
Thomas G. Winkler: Nein. Wir haben das Glück, vor allem in Deutschland und Österreich aktiv zu sein. Deutschland ist zu rund 30 Prozent und Österreich sogar fast zur Hälfte mit Wald bedeckt. Und es wachsen mehr Bäume nach, als verarbeitet werden.
Und soweit ich weiß, verwenden Sie Brettsperrholz, aber keinesfalls Tropenholz oder Ähnliches …
Thomas G. Winkler: Das würde ja überhaupt keinen Sinn ergeben. Wir verwenden Holz für den Bau und können daher mit fast jeder Holzart arbeiten, die es gibt. Außerdem ist es natürlich auch kostengünstiger, jenes Holz zu verwenden, das in den Ländern wächst, in denen wir tätig sind.
Entscheidend für die Umwelt ist jedenfalls die Versorgung mit grüner Primärenergie.
Mag. Thomas G. Winkler, UBM-Development CEO
Es geht allerdings nicht nur um die Errichtung von Bauwerken, sondern auch um deren Betrieb. Was können Bauherren im Hinblick auf die Emissionen tun, die von Gebäuden während ihrer gesamten Lebensdauer ausgehen?
Thomas G. Winkler: Drei Viertel der Emissionen entstehen während der Lebensdauer eines Gebäudes, das heißt über mehr als 30 Jahre. Hier ist unser Einfluss als Bauherr begrenzt, denn wir wollen diese Gebäude an einen Investor verkaufen – möglichst mit Gewinn.
Entscheidend für die Umwelt ist jedenfalls die Versorgung mit grüner Primärenergie. Und weil wir hier, im nicht eben sonnenverwöhnten Deutschland und Österreich leben, haben wir uns primär für Geothermie entschieden. Das ist im Grunde die Energie, die man aus der Erdkruste gewinnt, indem man die dort herrschenden Temperaturunterschiede nützt. Deshalb prüfen wir nun bei jedem neuen Projekt, ob es mit Erdwärme „befeuert“ werden kann. Das macht einen großen Unterschied.
Und darüber hinaus?
Thomas G. Winkler: Wir bemühen uns außerdem, „intelligente“ Bauten zu schaffen. Solche, die es ermöglichen, den Energieverbrauch zu kontrollieren und zu minimieren. Wir können sie sogar zu „lernenden“ Gebäuden machen. Zu solchen, die etwa erkennen, dass die Heizung in einer Arztpraxis jeden Mittwoch gedrosselt werden kann. Weil es drei Stunden dauert, bis die Raumtemperatur tatsächlich absinkt. Derlei hilft, Energie zu sparen.
Wir müssen in die Höhe bauen!
Dr. Jane Goodall, international führende Primaten-Forscherin und UN-Friedensbotschafterin
Wie wir alle wissen, wird Wohnraum benötigt und die Städte werden immer dichter. Wie kann man zu Umweltschutz und Erhaltung der Artenvielfalt beitragen, aber trotzdem Wohnraum schaffen, der auch für sozial weniger gut gestellte Menschen erschwinglich ist?
Jane Goodall: Wir müssen in die Höhe bauen! Aktuell gibt es hier bekanntlich einige erstaunliche Projekte. Die sind ziemlich teuer, bieten aber die Möglichkeit der Begrünung. Allerorts entstehen lebendige grüne Wände. Und so kann man sich eine Stadt mit vielen sehr hohen, aber grünen Gebäuden vorstellen. Fast so, als würde man auf einen Wald mit emporwachsenden Ranken blicken.
Und natürlich holt all das Grün die Natur in die Stadt. Es ist erwiesen, dass sich der Aufenthalt in der Natur positiv auf unsere geistige und körperliche Gesundheit auswirkt. Deshalb hat auch das Pflanzen von Bäumen in der Stadt stark an Bedeutung gewonnen.
Thomas G. Winkler: Wir schaffen sozusagen unsere eigenen Ökosysteme in urbanen Ballungsräumen. Begrünung sorgt für Wohlbefinden und die nötige Abkühlung der Städte. Denn in vielen Regionen der Welt sind wir mit Temperaturen konfrontiert, die es in der Vergangenheit nicht gab. Wir Immobilienentwickler sind gefordert, unserer sozialen Verantwortung gerecht zu werden.
Wie lässt sich das machen?
Thomas G. Winkler: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen spielen uns dabei in die Hände, weil die Investitionen in diese grünen Projekte fließen werden. Schließlich muss man heutzutage in Europa über die CO2-Belastung, den CO2-Fußabdruck, der durch die eigenen Investitionen entsteht, Bericht erstatten. Ich denke, Europa hat hier eine Vorreiterrolle. Und in dem Moment, in dem man darüber berichtet, denkt man darüber nach und sucht nach Investitionen mit geringerem CO2-Ausstoß.
Wir Immobilienentwickler sind gefordert, unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden.
Mag. Thomas G. Winkler, UBM-Development Vorstandschef
Jane Goodall: Ja, und außerdem beginnen große Unternehmen wie BlackRock, Gelder von Unternehmen zurückzuhalten, die nicht so agieren. Und wie Sie wissen, spielt auch der Druck der Verbraucher eine Rolle. Sie sagen: „Ich will dieses Haus nicht kaufen, es ist total umweltschädlich“; „Ich werde es nicht kaufen, auch wenn es billiger als ein anderes ist“. Und: „Ich will ein Haus, von dem ich glaube, dass es das bestmögliche ist.“ Diese Entwicklung beginnt Wirkung zu zeigen.
Thomas G. Winkler: Ehrlich gesagt war es nicht der Druck der Verbraucher, sondern jener der Investoren. Diese fragten plötzlich nach dem ESG-Rating, dem Umwelt-, Sozial- und Governance-Rating für dieses oder jenes. Und wir hatten Glück, denn wir hatten bereits einen ziemlich guten Standard etabliert. Am wichtigsten war es allerdings, zu klären, wie wir einen wirklich großen Effekt erzielen können. Und das gelingt, indem wir Stahl und Beton durch Holz ersetzen.
Wenn Sie, Thomas, mit Kunden sprechen, und Sie, Jane, mit Menschen, die sagen, „Klimawandel und der Planet sind mir eigentlich egal. Ich lebe jetzt, und es interessiert mich nicht, was nach mir kommt“: Mit welchem Argument können Sie Ihr Gegenüber am ehesten zumindest zum Nachdenken bringen?
Jane Goodall: Ich gehe auf die Menschen zu, indem ich Geschichten erzähle. Denn ich finde es sinnlos, mit ihnen zu streiten, weil sie sowieso nicht zuhören werden. Wenn man aber im Gespräch ein wenig über sie erfährt und eine Geschichte erzählen kann, die ihr Herz erreicht, dann hat man vielleicht Erfolg.
Thomas G. Winkler: Das stimmt. Am Ende des Tages geht es ums Erzählen von Geschichten. Man muss die Menschen begeistern. In unserem Fall für den Holzbau. Und dass es sich kommerziell lohnt, ist natürlich auch ein wichtiges Argument. Schließlich verfolgen wir einen Weg, der sich auch aus wirtschaftlicher Sicht rentiert. Und dies hilft auch dem Planeten, ist also eine sehr positive Entwicklung.
Noch gibt es ein Zeitfenster, in dem wir beginnen können, die Entwicklung umzukehren.
Dr. Jane Goodall
Dieses Gespräch klingt ganz so, als gäbe es tatsächlich noch Hoffnung. Trifft das zu?
Thomas G. Winkler: Ja, ich bin überzeugt, dass es immer Hoffnung gibt. Wer meint, es gäbe keine mehr, hat mein Mitgefühl. Aber die meisten Menschen kann man durchaus vom Gegenteil überzeugen.
Jane Goodall: Und wenn man die Hoffnung verliert, wenn alle Leute sie aufgeben, sind wir verloren. Denn ohne Hoffnung wird man apathisch und tut nichts. Für mich ist sie wie ein kleiner Lichtschimmer am Ende eines langen, sehr dunklen Tunnels, in dem man sich gerade befindet. Das ist Hoffnung. Ich meine, im Moment ist unser Planet in einer schlechten Verfassung. Aber es hilft nicht, auf unserer Seite des Tunnels zu verharren und zu hoffen, dass das Licht zu uns kommt.
Wir müssen wirklich hart arbeiten und unter all den Hindernissen, die zwischen uns und dem kleinen Licht stehen, hindurchkriechen, über sie hinwegklettern und sie umgehen. Dann werden wir es schaffen.
Mit Programmen wie etwa Ihrem „Roots & Shoots“ für junge Menschen bemühen Sie, Jane, sich darum, weltweit zu Umwelt-Engagement zu motivieren. Kann wirklich jeder etwas tun?
Jane Goodall: Ja, jeder kann jeden Tag etwas tun. Und wenn man damit anfängt, fühlt man sich gut – und will mehr. Je mehr man tut, desto besser fühlt man sich. Und man beginnt, andere zum Mitmachen zu inspirieren. Der Weg zum Ziel liegt also im Handeln.
Thomas G. Winkler: Stimmt. Ich finde es großartig, wie leicht sich unsere Mitarbeiter zur Beschäftigung mit diesen Problemen motivieren lassen. Viel leichter als bei vielen anderen Themen, die wir initiiert haben. Die Menschen wollen sich engagieren, wollen aktiv mitwirken. Beginnen kann man im kleinen und im großen Rahmen. Wie erwähnt haben wir beschlossen, herauszufinden, wo wir die größte Wirkung erzielen können. Dies hält uns allerdings nicht davon ab, auch Abfall zu trennen und vielleicht nicht mit dem Auto, sondern mit anderen Transportmitteln zur Arbeit zu kommen.
Der Weg zum Ziel liegt im Handeln.
Dr. Jane Goodall, Gründerin des Jane Goodall Instituts
Die UBM will Europas größter Entwickler von Holzbauten werden. Werden andere Immobilien-Developer Ihrem Beispiel folgen?
Thomas G. Winkler: Ich denke ja. Die Gründe dafür sind viel zu zwingend, um ignoriert zu werden. Aber man muss eine kritische Masse aufbauen. Und wie bei allem in der Geschichte der Menschheit ist aller Anfang immer etwas schwierig. In Business-School-Sprache ausgedrückt: Einstiegsbarrieren stören mich nicht, weil sie uns einen gewissen Vorsprung verschaffen. Aber wenn man weiß, dass man – abgesehen von ein paar Kindergärten oder Universitätsgebäuden – fast bei Null anfängt, ist das machbar.
Es ist ein Ziel, das man seinen Leuten setzt, weil sie Spitzenleistungen erbringen wollen. Und wenn man aus einem kleinen Land kommt, ist es sogar noch wichtiger, herausragend zu sein und sich in einem speziellen Bereich eine Vorreiterrolle zu erarbeiten.
Moderation: Elisabeth Schneyder
Bilder: The Jane Goodall Institute, Getty Images, Guerin Blask / AUGUST / picturedesk.com, Philipp Horak