Zur Ikone gestapelt
Wenn sich Kengo Kuma an die Umsetzung eines zeitgemäßen Bürohauses macht, dann sprengt er dabei die Grenzen des Vorstellbaren. Kibi Kogen N Square ist ein avantgardistischer Holzbau, der ein immersives Erlebnis verspricht.
Die topografische Bewegung des Geländes setzt sich im Gebäude fort, das mit einer Geste der Öffnung zur kleinen Straßenkreuzung hin endet. Von der Seite betrachtet erscheint der Bau hermetisch und wirkt wie zufällig übereinander gestapelte Holzblöcke. Durch die leicht überkreuzte Lage entstehen an beiden Enden schräge Überstände. Für das Innere ergeben sich dadurch spannende Räume mit unerwarteten Öffnungen und Nischen. Der Kreativ-Hub und Co-Working-Space Kibi Kogen N Square in der japanischen Stadt Kibichuo ist ein außergewöhnlicher Holzbau. Die Pläne stammen vom renommierten Architekturbüro Kengo Kuma & Associates. Auftraggeber ist das ortsansässige Unternehmen Systems Nakashima, das Computersysteme entwickelt.
Der offene Raum, der sich vom geschlossenen und repetitiven Eindruck herkömmlicher Brettsperrholz-Strukturen unterscheidet, verkörpert den angestrebten Spirit der Offenheit und Zusammenarbeit.
Kengo Kuma & Associates
Mit dem Projekt hat der berühmte japanische Architekt seine Vision eines zeitgemäßen Bürogebäudes umgesetzt. „Der offene Raum, der sich vom geschlossenen und repetitiven Eindruck herkömmlicher Brettsperrholz-Strukturen unterscheidet, verkörpert den angestrebten Spirit der Offenheit und Zusammenarbeit innerhalb der örtlichen Gemeinschaft“, heißt es vonseiten des Architekturbüros.
Umweltgerechte Designprinzipien
Kengo Kuma wurde 2021 vom Time Magazine zum einflussreichsten Architekten der Welt gekürt. Mit seiner Designphilosophie, die stets darauf abzielt, Mensch, Natur und gebaute Umwelt in Einklang zu bringen, trifft er wie kaum ein anderer den Nerv der Zeit.
In einem Interview mit Art Summit erklärte er: „Im 20. Jahrhundert versuchten viele Architekten, Umwelt und Architektur von einander zu trennen […]. Ich bemühe mich jedoch, diese Lücke zu schließen, indem ich umweltgerechte Designprinzipien anwende.“
Im 20. Jahrhundert versuchten viele Architekten, Umwelt und Architektur von einander zu trennen […]. Ich bemühe mich jedoch, diese Lücke zu schließen.
Kengo Kuma, Architekt
Zu diesen Prinzipien zählt die Verwendung von natürlichen Materialien ebenso wie die achtsame und maßstabsgerechte Einbettung von Architektur in den gebauten oder natürlichen Kontext. Dabei entstehen für die Nutzerinnen und Nutzer seiner Bauwerke meist immersive Erlebnisse, egal ob es sich dabei um einen futuristischen Badetempel, ein Museum für modernde Kunst oder ein Kaffeehaus handelt.
Eine immersive Erfahrung
Sogar den Co-Workern und Besuchern von Kibi Kogen N Square wird beim Arbeiten eine immersive Erfahrung beschert. Die massiven Träger aus Brettsperrholz scheinen über dem Geschossboden zu schweben und geben den Blick auf eine randstädtische Siedlungszone frei, die von einem dichten Baumbewuchs geprägt ist.
Indirekte Beleuchtung und ein natürlicher Lichteinfall über Oberlichten sorgen in den Innenräumen für eine ruhige Atmosphäre. Unterstrichen wird dies außerdem durch die monochromatischen Holzoberflächen, die vom Boden bis zur Decke reichen.
Auch von außen ist die Materialität sehr einheitlich. Das spannungsvolle Wechselspiel aus Holz und Glas ändert je nach Lichtsituation sein Erscheinungsbild. Durch den „Winkelversatz der Platten“, wie es die Architekten nennen, formt das Tragwerk vielgestaltige Räume und Öffnungen aus.
Brettsperrholz aus japanischer Produktion
Das Bürogebäude besteht sowohl im Inneren als auch im Äußeren aus dem kreuzverleimten Holzwerkstoff BSP (englisch: CLT), und zwar aus regionaler Produktion. In der Präfektur Okayama, wo sich der Neubau befindet, wurde 2016 das erste CLT-Werk in Japan mit einer Jahreskapazität von 50.000 Kubikmeter errichtet.
Damit ist das Bürogebäude eine Art Showcase für die japanische Holzwirtschaft, die gerade dabei ist, ihre Produktion für den modernen Holzbau hochzufahren. Die offenen Räume und flexiblen Arbeitsflächen von Kibi Kogen N Square entsprechen dem heutigen Anspruch an moderne Büroräumlichkeiten.
Mit seiner avantgardistischen Struktur hat das Büro Kengo Kuma die Grenzen des konstruktiven Holzbaus neu ausgelotet. Es ist ein ikonischer Bau entstanden, der nicht nur zwischen Natur und gebauter Umwelt vermittelt, sondern auch zwischen den Menschen: „Durch diese Räume soll ein generationsübergreifender Austausch gefördert werden, der über die Grenzen von Industrie und Wissenschaft hinausgeht.“
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Kawasumi-Kobayashi Kenji Photograph Office