KCAP baut aufs Fashion House
Stadtverdichtung, einmal anders: In Amsterdam West wird ein neues Viertel auf ein bestehendes gebaut. Ein architektonisch extravagantes Großprojekt, das Wohnungen und öffentliches Grün schafft. Zum Beispiel mit dem, vom Büro KCAP aufs „Fashion House“ gesetzten OKU House.
In Amsterdam läuft vieles anders, als man’s aus anderen Metropolen kennt. Auch in Sachen Stadterneuerung, wie die Pläne zur Verdichtung des legendären Modeviertels aktuell beweisen. Denn dort wird Neues auf und um bestehende Gebäude gebaut. Das Konzept des Büros KCAP für den Koningin Wilhelminaplein Noord ist Teil des Großprojekts, das den Bereich oberhalb der Ringstraße A10 und unweit des Bahnhofs Lelylaan neu gestaltet: Die drei Komplexe „Berghaus“, „The Fashion House“ und „Modrôme“ stammen aus den Jahren 1960 und 1970. Jetzt werden sie durch fünf schlanke Volumina ergänzt. So entsteht quasi ein „Viertel über einem Viertel“, das der gesamten Nachbarschaft neue Lebensqualität beschert.
Neues wächst auf Altbestand
Neue Wohnungen, öffentliche Bereiche und Einrichtungen sind vorgesehen. Zusammen werden sie die oberirdisch verfügbare Fläche dieser Zone auf fast 90.000 Quadratmeter verdreifachen. Neben der städtebaulichen Planung ist KCAP auch für die Landschaftsgestaltung verantwortlich. Genauso, wie für die Architektur des neuen OKU House, das aufs „Fashion House“ gesetzt wird. In einer späteren Phase übernimmt das Team zudem die Renovierung des Bestandsgebäudes. Für Sanierung und Erweiterung von „Berghaus“ wurde das Studio MVSA Architects hinzugezogen.
Der Gesamtplan schafft 600 neue Wohnungen in Symbiose mit dem bestehenden modernistischen Ensemble. Eine öffentlich zugängliche Landschaft wird die Gebäude selbst und die umliegenden Stadtteile verbinden.
Mittendrin und obenauf
Das für den Immobilienentwickler Boelens de Gruyter entworfene OKU House bietet 324 Wohneinheiten. 112 davon sind als Sozialmietwohnungen gedacht. Der Neubau besteht aus zwei Volumina: Eines „sitzt“ tatsächlich auf dem „Fashion House“, während das andere auf W-Säulen zwischen „Fashion House“ und „Berghaus“ schwebt.
Garten, Plaza & Uferterrassen
Unter dem schwebenden Trakt ist ein üppiger grüner Garten vorgesehen. Dieser ist als Teil dreier gemeinsamer Bereiche geplant, die über den halb versenkten Parkplätzen entstehen und unterschiedliche Qualitäten aufweisen: Vom geschützten, teilweise unterm OKU House gelegenen Grün zum lebendigen Platz zwischen den Sockeln der drei alten Bürokomplexe bis zum einladend grünen Ufer mit stufenförmigen Terrassen am Wasser.
Ein durchgehender Pflasterpfad verbindet alle Funktionen im Erdgeschoss der Gebäude. Das dekorative Ziegelmauerwerk ist, wie das KCAP Team beschreibt, eine Hommage an Amsterdams Tradition und die Geschichte des vom „World Fashion Centre“ und seinen Geschäften geprägten Viertels. Das Hochparterre wird über Rampen, Treppen und eine neue Brücke mit der Umgebung vernetzt.
Klimawandel im Blick
Das Projekt ist klima-adaptiv: Regenwasser wird vor Ort gesammelt und in speziell angelegten Versickerungsstreifen und unterirdischen Wasserpuffern gespeichert. Der Baumbestand wird um mehr als 60 ausgewachsene Bäume und 2.000 Quadratmeter bepflanzter Flächen erweitert, um für Artenvielfalt und gutes Mikroklima zu sorgen.
OKU House ist ein Gebäude, das mit den Füßen auf dem Boden steht und mit dem Kopf in den Wolken.
KCAP architects
Die Fassade des OKU House gestaltet KCAP so, dass sie die Grundidee der Architekten unterstreicht: „Ein Gebäude, das mit den Füßen auf dem Boden steht und mit dem Kopf in den Wolken“. Unterstützt wird dieses Bild durch schlanke Paneele aus warmem, bronze-farbenem Aluminium, die ein Gitter bilden, das sich nach oben hin zusehends öffnet.
Der durchlässige Sockel erleichtert den Zugang zum dort gebotenen Mischnutzungsprogramm. Balkone, die sich über die gesamte Längsfassade erstrecken, versprechen den Bewohnern einen schönen Ausblick aufs Stadtviertel. Die Wohneinheiten auf der Nordseite werden mit schallisolierter Lüftung ausgestattet, um akustischen Komfort zu gewährleisten.
KCAP wertet das Viertel auf
Tiefgarage und ebenerdige Fahrradabstellplätze sind fixer Teil des Konzepts. Das OKU House gilt als Teil einer Entwicklung, die Amsterdam West deutlich aufwerten soll. Und zwar durch Verdichtung, die die Vergangenheit respektiert, eine Verbindung zur Umgebung herstellt, und dem Modeviertel neue Wohn- und Lebensqualität verleiht. Die Bauarbeiten am OKU House werden voraussichtlich im ersten Quartal 2024 von Dura Vermeer Bouw Midden West abgeschlossen.
Für KCAP ist die Verdichtung des Modeviertels aktuell nicht das einzige spektakuläre Stadterneuerungsprojekt. Das niederländische Architektenteam macht derzeit auch mit dem Masterplan „Fellenoord / Internationale Knoop XL“ fürs Eindhovener Bahnhofsviertel und einer zukunftsorientierten Wohnsiedlung in Singapur von sich reden. Ebenso, wie mit den spannenden Plänen für „New Istropolis“ in Bratislava: Dort entsteht auf rund 97.000 Quadratmetern Fläche ein innovatives, autofreies Mixed-Use-Quartier, das das Viertel Trnavské Mýto in einen neuen Hotspot für Kunst und Kultur verwandeln soll.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: KCAP