Katar hält an Calatravas Sharq Crossing fest
Das Emirat Katar hat den Bau der spektakulären Brücke von Star-Architekt Santiago Calatrava im Budget 2020 berücksichtigt. Baubeginn könnte schon im nächsten Jahr sein.
Autofahrern wird sie zweifellos eines der spektakulärsten Fahrerlebnisse bescheren: Die Fahrt über das Sharq Crossing Brückenensemble in der Bucht von Doha.
Geht es nach den Plänen der Regierung Katars soll das Mega-Projekt des Star-Architekten Santiago Calatrava endlich in die Gänge kommen. Der Baukünstler und Ingenieur schweizerisch-spanischer Herkunft hat den Entwurf bereits 2011 vorgelegt.
Der ursprünglich Doha Bay Crossing genannte Masterplan wurde in Sharq Crossing umgetauft. Das Projekt ist im Haushaltsentwurf des Emirats Katar für das Jahr 2020 enthalten. Das Festhalten am Multimilliarden-Dollar-Projekt spiegle das Vertrauen des Landes in sein langfristiges Wachstum wider, wie es heißt. Zumal lokale Bauunternehmen von der Realisierung profitieren. Außerdem würden so direkt und indirekt mehrere Tausend neue Arbeitsplätze geschaffen.
Infrastrukturprojekte für die WM 2022
Das Festhalten am Projekt ist aber zweifellos auch unter dem Licht zu sehen, dass Katar 2022 als Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft fungieren wird. Bis dahin fertig werden dürfte das infrastrukturelle Großprojekt dennoch kaum: Mit dem Abschluss wird innerhalb von vier Jahren gerechnet. Das ist nicht wirklich eine sehr präzise Angabe.
Das Milliarden Dollar schwere Projekt Sharq Crossing wird drei Teile umfassen, die durch Unterwassertunnel miteinander verbunden sind. Wie im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, werden die drei Brücken von Sharq Crossing sich über eine Länge von 600 bis 1.310 Metern erstrecken. Sie verbinden den internationalen Flughafen Hamad von Doha mit der kulturellen Viertel Katara Cultural Village im Norden der Stadt und dem West Bay Financial District.
Neues Wahrzeichen: Sharq Crossing
Im nationalen Budget hat Katars Regierung 90 Milliarden Qatar Riyal (umgerechnet 21,2 Milliarden Euro) für Großprojekte bereitgestellt. Die führende Business Intelligence Agentur im Nahen Osten, MEED, hatte die Kosten für Sharq Crossing allein auf zwölf Milliarden US-Dollar geschätzt. Das ikonische Ensemble werde die Skyline von Doha neu definieren, meinen Regierungsvertreter.
Voraussichtlich können 6.000 Fahrzeuge pro Stunde Sharq Crossing nutzen und queren. Dies würde den Pendlern Erleichterung und der Straße entlang der Küste, die ebenfalls ausgebaut und neu gestaltet wird, Entlastung bieten.
Effizienter Tiefbau, ikonisches Design
Die wichtige Verkehrsverbindung zeichnet sich durch eine einzigartige Kombination aus einer effizienten Tiefbaulösung und einem ikonischen Design aus. Calatrava hatte dem Ministerium für kommunale Angelegenheiten und Stadtplanung (MMUP) von Katar als Ersatz für die zuvor vorgeschlagene reine Tunnellösung eine Variante mit einer Brücke an jedem der drei Enden des Tunnelsystems vorgelegt.
Die Anbindung der Brücken an das Verkehrssystem erfolgt jeweils über eine kurze Tunnelunterführung unter dem Küstengebiet. Die Brücken tauchen so vor der Küste auf, bevor sie unter das Meer absinken, um dann wieder mit dem Hauptstraßentunnel zu verschmelzen. Auf diese Weise stellt jede Brücke ein individuelles skulpturales Werk mit eigenem Charakter dar – als Antwort auf den Rahmen der angrenzenden städtischen Umgebung.
Weltweit größte Bogenspannweite
Die drei Brücken sowie zwei Tunnel erstrecken sich auf einer Gesamtlänge von circa zwölf Kilometern. Von besonderem Interesse sei der „Marine Interchange” als komplexer unterirdischer Verkehrsknotenpunkt, so die Experten des beteiligten Bauunternehmens Tunnel Engineering Consultants (TEC).
Der komplexeste Bauteil, die West Bay Bridge, wird über die weltweit größte Bogenspannweite verfügen. Sie verbindet das Ufer mit dem Marine Interchange.
Die Tunnellängen seien kurz gehalten sodass Querschnitt und Aushub reduziert sind, heißt es beim Architekturbüro Calatrava. Dabei bleiben auch der langfristige Wartungsaufwand durch vergleichsweise einfache mechanische Systeme (vor allem Belüftung und Rauchabzug) gering.
Inselstrukturen
Überall da, wo die Straße umgeben vom Meer auf- und absteigt, entsteht eine Inselstruktur. Die östliche „Insel” wird zu einer Art Belvedere mit terrassierten Ebenen und Dächern erweitert. Hier ist Raum für diverse Freizeitaktivitäten plus Yachthafen.
Die doppelstöckige West Bay Bridge soll über einen Erholungspark sowie Gastronomie verfügen. Hier können die Besucher entweder den parkähnlichen, gläsernen Steg entlanggehen oder die Brücke mit einer Standseilbahn überqueren und die spektakuläre Aussicht von einer persönlichen Aussichtskabine 125 Metern über dem Meer genießen.
Die dem Projekt namengebende Al-Sharq-Brücke ist als röhrenförmiges Bauwerk geplant, das die Einfahrt neben dem neuen Flughafen von Doha überspannt. Doha-Besuchern biete sich hier ein atemberaubender erster Blick auf die Skyline der Innenstadt.
Erhaltung der Küstenzone
Ganz wichtig war Calatrava dabei die gänzliche Erhaltung der Küstenzone, als Einheit der Stadtviertel von Doha. Kein Zweifel: Die filigrane weiße Struktur mit ihren üppigen Fußgängerwegen und dem schlanken Design macht was her.
Ein Fragezeichen besorgt einige Experten: Dass Teile der Strecke, die sowohl unter als auch über Wasser verläuft und sowohl geschlossene Tunnel als auch Brücken umfasst, anfällig für Überschwemmungen sein könnten. Dies würde zusätzliche Ingenieurs- und Konstruktionsmaßnahmen erforderlich machen.
Text: Linda Benkö
Visualisierungen/Fotos: Santiago Calatrava, Maher Attar