Kanadas schönste Hundehütte
Ein hundefreundliches Ferienhaus inmitten der bewaldeten Laurentinischen Berge Kanadas – das war der Wunsch des Bauherrn. Das Atelier L’Abri hat ihn auch optisch erfüllt. Die Kanata-Cabin am Mont Tremblant vereint Funktionalität und Minimalismus mit einem eleganten Wau-Effekt!
Warum in die Ferne schweifen, wenn die Erholung liegt so nah? Seit Jahrzehnten zieht es die Bewohner:innen der kanadischen Metropole Montreal in die Laurentinischen Berge, wenn sie eine Auszeit vom urbanen Leben brauchen. Dass die Berge mit ihrem erodierten, glazial überformten magmatischen Erstarrungsgestein zu den ältesten geologischen Formationen der Erde gehören, ist sicher spannend, lockt aber wohl nur die Wenigsten dorthin. Vielmehr schätzen die Städter:innen die Region für ihre dichten Wälder und ihre Fauna, die fischreichen Seen und die bekannten Wintersportgebiete – insbesondere am 960 Meter hohen Mont Tremblant nahe der gleichnamigen Stadt.
Nach österreichischem Maßstab gehen die südlichsten Ausläufer der Gebirgskette, die sich nordwestlich des Sankt-Lorenz-Stroms durch die Provinz Québec erstreckt, zwar eher als Hügel durch. Begeisterte Kletterer, Hiker und Mountainbiker kommen im Sommer dennoch auf ihre Kosten. Und im Winter stehen Skifahren und Skitouren oder Ausflüge mit dem Schneemobil hoch im Kurs.
Funktional, minimalistisch, haustierfreundlich
Landscape oder Leisure Activities? Was genau jener Bauherr an der Gegend schätzt, der das preisgekrönte Montrealer Atelier L’Abri mit der Planung und Hubert Construction mit dem Bau seines neuen Ferienhäuschens in Amherst beauftragte, welches wir hier vorstellen, ist nicht bekannt. Wohl aber, dass er ein großer Hundeliebhaber ist. So wünschte er sich vom Architektenteam Charles-Édouard Dorion, Vincent Pasquier, Nicolas Lapierre und Francis Martel-Labrecque nicht nur eine funktional-minimalistische Kanata-Cabin von schlichter Eleganz. Sie sollte auch unbedingt haustierfreundlich sein. Und diese Bitte des Auftraggebers wurde mehr als erfüllt.
Naive Formen
Vom Besitzer liebevoll „La Niche“ genannt, erinnern die etwas naiven Formen des quadratischen Hauses nämlich optisch an eine Hundehütte in der Landschaft. „Ästhetisch drückt die Kanata-Cabin ihre Schlichtheit durch ihr traditionelles Giebeldach und den markanten Türbogen aus, der den Blick direkt auf den Wald freigibt“, erklären die Planer. Dieser Kontakt mit der Natur ist es schließlich auch, was gerade Mieter:innen mit Hunden suchen. Statt einer kurzen Gassirunde in der Stadt möchten sie am Mont Tremblant ausgedehnte Spaziergänge mit ihren Vierbeinern machen.
Ein GPS für den Heimweg
Neben Wanderschuhen und Leine empfiehlt sich dabei dringend die Mitnahme eines GPS-fähigen Gerätes. Denn es ist gar nicht so einfach, die kleine Hütte im dichten Wald auszumachen. Und es dürfte künftig noch schwerer werden. Die silberfarbene Holzverkleidung, die das minimal verzierte Äußere des Gebäudes umgibt und durch vertikale Baguettes unterbrochen wird, wird im Laufe nämlich langsam verwittern. „Das Haus verschmilzt dann optisch mit den Laubbäumen und wird seine harmonische Beziehung zu seiner Umgebung verstärken“, sagen die Planer.
Klein, aber fein
Ist der Heimweg sicher gefunden, ist auch im Inneren dafür gesorgt, dass sich die zeitweiligen Nutzer:innen dort mit ihren Haustieren wohlfühlen. Nach der Fertigstellung präsentiert sich die Kanata-Cabin nämlich nicht einfach nur als ultrakompaktes Mietobjekt, bei dem auf einer bescheidenen Grundfläche von 60 Quadratmetern die Funktionalität und die Nutzung der Räume im Vordergrund stehen. So mag das Häuschen zwar „nur“ mit einem Schlafzimmer aufwarten sowie einen effizienten Wohn- und Küchenbereich. Doch vermitteln die hohe Kathedralendecke, die natürlich beleuchteten Räume und der weite Blick auf die Umgebung ein Gefühl von Erhabenheit.
Zu Gast im Reich der Elche
Eine in die Kücheninsel integrierte kleine gewölbte Ecke bietet einen gemütlichen Platz, an dem auch die Haustiere ihren Urlaub genießen können. Eines von mehreren Beispielen, wie sich die bescheidene und doch verspielte „Hundehütte“-Geste des Äußeren in den inneren Details des Hauses fortsetzt. Und bei gutem Wetter laden eine abgeschirmte Veranda und ein Whirlpool im Freien dazu ein, das Leben auch nach draußen zu verlagern. Hunde mit Jagdtrieb sollten dann jedoch angeleint bleiben. Denn immer mal wieder schauen Eichhörnchen oder auch Elche vorbei, während man auf der Terrasse ein Buch oder das Essen genießt.
Gesund und nachhaltig
Apropos Eichhörnchen und Elche: Wem es wichtig ist, haustierfreundlich zu bauen, achtet bei der Planung natürlich auch auf die umgebende Natur. Tierliebe endet ja nicht am Ende der Leine. Die Wahl des Hausherrn fiel deshalb auch nicht von ungefähr auf das Atelier L’Abri, das auf ökologisches und gesundes Bauen spezialisiert ist und leicht verfügbare Möglichkeiten für die Errichtung nachhaltiger Gebäude erforscht. „Wir setzen uns für innovative architektonische Lösungen ein, die das Wohlbefinden sowie den menschlichen und sozialen Charakter unserer Umgebung in den Vordergrund stellen. Mit einem Design-Build-Ansatz liefern wir schlüsselfertige Projekte“, so die Planer.
Ein Wau für die CO2-Bilanz
Im Falle der Kanata-Cabin bedeutet das: „Die Außenwände wurden mit einem erschwinglichen Budget unter Verwendung von 2×8-Ständern errichtet, um eine höhere Leistungsfähigkeit als bei Standardkonstruktionen zu erreichen“, erklärt das Architektenteam. Diese Rahmenkonstruktion ermöglichte den Planern zudem die Verwendung von Zellulosefasern aus biologischem Anbau als primäres Dämmmaterial. Außerdem errichtete man die Hütte auf einer Strukturplatte, wodurch nicht nur Kosten, Bauzeit, Material und Betonvolumen eingespart werden konnten, sondern sich die gesamte CO2-Bilanz reduzierte.
Tierliebe im Planer-Blick
Mit seinem optimierten Grundriss, der architektonischen Schlichtheit und den raffinierten Innenausstattungsdetails bietet das Projekt Kanata-Cabin, das sich nahtlos in die Umgebung einfügt, ein wirklich einzigartiges Erlebnis. Es geht dabei nicht nur auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzer:innen ein, sondern auch auf deren Haustiere.
Dass die felinen Mitbewohner:innen im Zentrum eines architektonischen Projektes stehen, ist übrigens kein uniquer Spleen des Kanata-Cabin-Hausherrn. Bereits seit einiger Zeit gibt es zum Beispiel die Initiative „Architecture for dogs“, für die keine Geringeren als die Stararchitekten Sou Fujimoto, Asif Khan, Kengo Kuma, MVRDV oder Pritzker-Preisträgerin Kazuyo Sejima gewerkt haben. Und auch auf Katzen wurde natürlich nicht vergessen. Aber das ist eine andere Story …
Text: Daniela Schuster
Bilder: Raphaël Thibodeau / v2com-newswire.com