Runde Sache für Romantiker
Auf der dänischen Insel Fünen wurde vor 200 Jahren von Johan Bülow ein Künstler-Eldorado mit 14 Pavillons angelegt. Nun soll ein 15. Pavillon entstehen, um statt Künstlern verliebte Brautpaare anzulocken.
Wenn der altehrwürdige Landschaftsgestalter Johan Bülow (1751-1828) heute aus seinem Grab entsteigen und sich selbst mit Stolz geschwellter Brust googlen würden, er wäre zutiefst enttäuscht. Erst in den hintersten Winkeln der digitalen Suchmaschine würde er sich finden. Und da nur wenig über seine jahrelange Beratertätigkeit für Kronprinzen Frederik VI. in Bezug auf den Frederiksberg-Garten lesen.
Johan Bülow auf Abwegen
Stattdessen aber müsste Johann Bülow feststellen, dass ihm längst ein gleichnamiger Jungspund durch das weltweite Vertreiben von simpler Lakritze den Rang abgelaufen hat. Aber zum Glück existiert wenigstens noch Sanderumgaard Garten. Jener Garten, den Ehrenmann Johan Bülow zwischen 1793 und 1828 für sich selbst angelegt hat.
15 Hektar Wunderwelt
Basierend auf seinen umfangreichen Kenntnissen über große Gärten in Europa hatte ihn Bülow rund um seine Residenz im dänischen Sanderumgaard als persönliches Meisterwerk geplant und realisiert. Eine Anlage, die bis heute alle Menschen, die wenigstens einen Hauch Romantik in sich tragen, verzückt. Im Sanderumgaard Garten warten auf 15 Hektar kleine Seen. Verzweigte Wasserkanäle. Entzückende Wäldchen. Und intime Holzpavillons.
Um genau zu sein, sind es 14 an der Zahl, die Johan Bülow möglichst weit voneinander entfernt über das Areal verstreut errichtete. Damit wollte er einen Kontrast zur Natur schaffen und den romantischen Charakter des Gartens betonen, wie er in einem seiner (nicht google-optimierten) Schreiben als Erklärung der Nachwelt hinterließ.
Pavillons für wandernde Seelen
Die Pavillons sollten inmitten üppiger Vegetation an abgelegenen Orten verstreut werden, um von „wandernden Seelen“ entdeckt zu werden. Von Seelen, die sich trauten, abseits der Hauptwege die Welt zu erkunden. Diese kleinen Pavillons waren also dazu gedacht, die Einsamkeit erlebbar zu machen. Dem bevorzugten Zustand romantischer Künstlerseelen, wie Johan Bülow meinte.
Ein neuer Pavillon muss her
Nun teilt die heutige Besitzerfamilie Vind zum Glück die Ansicht des einstigen Gartenvirtuosen. Das Areal ist teilweise öffentlich zugänglich. Vorwiegend aber wird es für romantische Fotoshootings gebucht. Nun haben sich aber Susanne und Erik Vind dazu entschlossen, nicht nur die bestehende Substanz zu erhalten. Man will auch den eigenen Fußabdruck im englischen Rasen des dänischen Garten hinterlassen. Ein 15. Pavillon soll schon bald als neue Attraktion Besucher anlocken.
Zur Gestaltung dieses besonderen Objekts wurde das dänische Architektur-Büro Squareone eingeladen. Keine alltäglich Aufgabe, wie die Architekten bei der Präsentation ihrer Pläne beeilten zu betonen.
Das Gegenteil von Johan Bülow
Und das liege nicht nur daran, dass man heutzutage eher selten Pavillons plant. Vielmehr wäre man vor allem vor der Herausforderung gestanden, ein modernes Objekt in ein stilistisch vollständiges Universum hinzufügen zu müssen.
Das Studio in seiner Aussendung: „Deshalb zogen wir von Anfang an nur zwei Möglichkeiten in Betracht: Entweder den Weg Bülows fortzusetzen und eine moderne Version seiner einsamen Kulturbastionen zu schaffen. Oder die entgegengesetzte Richtung zu verfolgen. Also einen Pavillon zu etablieren, der zwar auch eine Hymne an die Natur darstellt, nur diesmal als kollektives und nicht als einsames Erlebnis.“
Besucher sollen Natur bestaunen
Ein solcher Pavillon sollte groß genug und angemessen geformt sein, um die Interaktion zwischen den Menschen zu fördern. Gleichzeitig aber sollte er auch ein Gefühl der Bescheidenheit und Würde wecken. „Emotionen, die die Menschen zu stillen Beobachtern eines Spektakels von weitaus größerem Ausmaß vereinen würde: der Natur selbst“, schreiben die Architekten.
Soviel zum philosophischen Gedankengang. Rein architektonisch manifestierten sich diese Überlegungen schlussendlich in einer kreisförmigen, überdachten Arkade, die einen kleinen Hof regelrecht zu umarmen scheint. Dieser ist als Mischung aus nordischem und japanischem Garten angelegt. Moos und Runensteinen wechseln einander ab.
Und in seiner Mitte ragt ein Kirschblütenbaum empor. Seine Blüten, die nur wenige Tage im Jahr blühen und in Japan besonders verehrt werden, sollen an die Vergänglichkeit des Lebens erinnern. Eine Überlegung, die den von Johan Bülow so sehr geschätzten Romantikern wohl gefallen hätte.
Romantik in allen Winkeln
Das doppelt geneigte Dach ist asymmetrisch geplant , an der daraus resultierenden tiefsten Stelle des Grundrisses wurde ein – apropos Romantik – Poesieraum integriert. Dieser soll Besuchern Raum zur Ruhe und zum Verweilen bieten; Kamin und Teeküche inklusive. Abgesehen von diesem abgegrenzten Bereich ist der Arkadengang jedoch offen und von allen Seiten zugänglich. Er soll für Konzerte, Vorträge oder Kursveranstaltungen genutzt werden.
Vor allem aber soll er als Hochzeitslocation die logische Ergänzung zu den bestehenden 14, von Johan Bülow als Einsiedler-Pavillons konzipierten, Holzobjekten bilden.
Was aber jedenfalls alle 15 Pavillons am Ende eint? Die Romantik, natürlich.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: SquareOne & Nor3d