Jakoby Studios, David Chipperfield, Kloster, Bauen im Bestand
#architektur

Neuer Firmensitz im alten Kloster

Das Bauen im Bestand bietet ein enormes ökologisches und gestalterisches Potenzial. Ein preisgekröntes Vorzeigeprojekt ist die kreative Transformation eines mittelalterlichen Klosters in Paderborn vom Büro David Chipperfield.

Deutschland ist nicht auf Kurs, seine Klimaschutzziele zu erreichen. Der Gebäudesektor hat zum zweiten Mal in Folge sein Emissionsminderungsziel verfehlt“, warnten im Jahr 2022 rund 170 Fachleute aus dem Bereich Architektur und forderten ein sofortiges Abriss-Moratorium: „Statt Abriss und Neubau stehen wir für Erhalt, Sanierung, Umbau und Weiterbauen im Bestand.“ Die Bauwende lässt sich nämlich nicht durch einzelne Vorzeigeprojekte erreichen, die nachhaltige Baustoffe und erneuerbare Energiequellen zelebrieren. Vielmehr schlummert sie in jedem bereits versiegelten und verbauten Winkel: in alten Gewerbehallen, in aufgelassenen Postämtern, in ungenutzten Gasspeichern, ja sogar in leerstehenden Kirchen und Klöstern. Denn die graue Energie, die in dieser Bausubstanz steckt, ist ein enormes Potenzial, das brachliegt und nur darauf wartet, genutzt zu werden.

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Das ehemalige Kloster und neue Firmengelände liegt direkt im Quellgebiet der Pader, in der Altstadt von Paderborn.

Graue Energie in Gebäuden nutzen

Beschränkte sich die ökologische Bewertung eines Gebäudes früher hauptsächlich auf die Energieeffizienz, so schaut man sich heute verstärkt die graue Energie an, also die Energie-Bilanz der einzelnen Materialien, die von der Herstellung bis hin zur Entsorgung entsteht. „Heute, wo die Klimaerwärmung spürbar, die Energieversorgung unsicher und die planetaren Grenzen erreicht sind, ist nicht der Erhalt von Gebäudestrukturen erklärungsbedürftig, sondern ihr Abriss“, argumentieren die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Moratoriums.

Heute, wo die Klimaerwärmung spürbar, die Energieversorgung unsicher und die planetaren Grenzen erreicht sind, ist nicht der Erhalt von Gebäudestrukturen erklärungsbedürftig, sondern ihr Abriss.

Initiatoren des Abriss-Moratoriums

Die Rechnung ist im Grunde ganz einfach: Bei einer kompletten Entkernung und Sanierung entsteht nur ein Fünftel der Treibhausgasemissionen, die ein Neubau verursacht. Und wenn man weiß, dass bei der Herstellung von einer Tonne Zement rund eine Tonne CO2 in die Luft geblasen wird, kann man das Einsparungspotenzial erahnen.

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Durch die minimalistische Gestaltung des Eingangsfoyers wird das Bruchsteinmauerwerk der alten Sakristei zum gestalterischen Hauptakt.

Welchen gestalterischen Mehrwert das Bauen im Bestand bringen kann, zeigt die Reanimierung eines alten Klosters aus dem 17. Jahrhundert in Paderborn, Nordrhein-Westfalen. Das Architekturbüro David Chipperfield legte die alten Gemäuer frei und baute sie zum Firmensitz der Tap Holding aus, eines familiengeführten Unternehmens für Künstlerbedarf und DIY-Produkte. Die Jakoby Studios, wie die Anlage heute heißt, wurde unter anderem mit dem Architekturpreis NRW 2021 ausgezeichnet und für den Mies van der Rohe Award nominiert.

Das Freischälen des ursprünglichen Mauerwerks von den Schichten der späteren Nutzungsepochen glich einem komplexen chirurgischen Eingriff. Die Klosteranlage, aus der im Jahr 1841 das Landeshospital St. Vincenz wurde, erlitt im 2. Weltkrieg schwere Beschädigungen und wurde später mehrfach umgebaut. „Der Bestand wurde auf die erhaltene Substanz vor der Zerstörung zurückgebaut und in den geplanten Neubau integriert“, erklären die Architekten die archäologisch angehauchte Umgestaltung.

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Firmensitz mit baukulturellem Mehrwert: Die Jakoby Studios verbinden Alt und Neu auf spannungsvolle Weise.

Ein stimmiges Ensemble

Besonders markant ist die renovierte Kapellenfassade, die ein feierliches Entree bildet und schon von weithin sichtbar ist. Im Eingangsfoyer offenbart sich das Bruchsteinmauerwerk der alten Sakristei, das durch die minimalistische Gestaltung eindrucksvoll zur Geltung kommt. Eine Betontreppe erschließt den zweiten Stock und bildet ein skulpturales Element in dem bis auf den Empfangstresen möbelfreien Raum. Das diffuse Tageslicht, das über Milchglaselemente in der Decke dringt, schafft eine leicht entrückte Szenerie.

Der Bestand wurde auf die erhaltene Substanz vor der Zerstörung zurückgebaut und in den geplanten Neubau integriert.

David Chipperfield, Architekturbüro

Die zwei- bis dreigeschossigen Neubauflügel fügten die Architekten im Norden, Westen und Süden an die freigelegte Ruinenstruktur an und behielten dabei die orthogonale Anordnung der Baukörper bei. So ergibt sich in der Altstadt von Paderborn, direkt neben dem Quellgebiet der Pader, erneut ein stimmiges Ensemble im Stadtbild. 

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Die zwei- bis dreigeschossigen Neubauflügel schließen im Norden, Westen und Süden an die freigelegte Ruinenstruktur an.

Ein Arbeitsplatz, der Identität stiftet

Während Sanierungen in der Regel nur einen Bruchteil der Neubaukosten betragen, war es in diesem Fall anders. Das Projekt gestaltete sich sehr aufwändig und glich während des Rückbaus einer archäologischen Ausgrabungsstätte. Besonders wirtschaftlich sei das nicht gewesen, wie Bauherr Franz Jakoby einräumt. Den Erhalt des historischen Bestands hat sich das Familienunternehmen aus Verbundenheit zur Stadt Paderborn geleistet. 

Das Ergebnis ist ein spannungsreiches Stück Architektur, das Alt und Neu auf kongeniale Weise miteinander verbindet. Abgesehen von der Nutzung der grauen Energie, die im alten Gemäuer steckt, hat man mit der Transformation auch kulturellen und sozialen Wert bewahrt. Die Jakoby Studios sind ein Arbeitsplatz, der Identität stiftet und eine starke Verbindung zum Ort schafft.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Simon Menges

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