Itomachi Hotel 0
#stadtplanung

Nullenergie-Hotel als Quelle für Gemeinschaft

Das Itomachi Hotel 0 von Kengo Kuma steht für nachhaltige Architektur, Ästhetik und durchdachte städtische Entwicklung. Das „öffentliche Wohnzimmer mit Garten“ soll die Menschen zusammenbringen.

Das Itomachi Hotel 0 in Japan verrät schon in seinem Namen, worum es geht. Die Null deutet darauf hin, dass es sich um ein energieautarkes Gebäude handelt. Der Name besteht aus den beiden Komponenten „ito“ und „machi“. Wobei „Ito“ auf Japanisch so viel wie „Faden“ oder „Absicht“ heißt. Und „Machi“ bedeutet „Stadt“.

Der 1954 in Yokohama geborene, in Tokyo und Paris ansässige Star-Architekt Kengo Kuma verbindet Traditionen mit umweltfreundlichen Praktiken. Nicht nur übersetzt er lokale Handwerkskunst und Ressourcen in ortsspezifische und zeitgemäße Gebäude. Nachhaltigkeit bedeutet für ihn auch, gesellschaftliche Anliegen im Blick zu haben.

Itomachi Hotel 0 als Gemeinschaftszentrum

Was das von Kengo Kuma & Associates entworfene Itomachi Hotel 0 daher auf jeden Fall ist: Ein ernstzunehmender Versuch, die Definition des Hotels um das Konzept „öffentliches Wohnzimmer mit Garten“ zu erweitern. Denn das Null-Energie-Gebäude dient nicht nur als Hotel. Es ist gleichzeitig ein Gemeinschaftszentrum für die Stadt Saijo.

Das Itomachi Hotel 0 in Saijo in Japan hat die ZEB-Zertifizierung des japanischen Umweltministeriums erhalten
Das Itomachi Hotel 0 in Saijo in Japan mit seinen niedrigen Baukörpern und der partizipativen Architektur hat die Zertifizierung des japanischen Umweltministeriums zum Zero Emission Building erhalten.

Saijo auf der Insel Shikoku gehört zur Präfektur Ehime und grenzt im Norden an die Seto-Binnensee und liegt am Fuße des Berges Ishizuchi, dem höchsten Berg Westjapans. Saijo ist für das reichhaltige und saubere „Uchinuki“-Quellwasser bekannt.

Teil eines städtebaulichen Masterplans

Das Quellwasser gelangt unterirdisch vom Berg Ishizuchi zur Stadt. Als eine der wenigen Städte Japans hat hier jedes Haus einen eigenen Brunnen, „uchinuki“ genannt. Das Brunnenwasser steht den Bewohnern kostenlos zur Verfügung.

Itomachi Hotel 0, Kengo Kuma
Das Kengo Kuma Lab der Uni Tokio machte sich daran, einen Masterplan für neue umweltfreundliche Städte zu erstellen. Der Schwerpunkt liegt auf dem lebenswichtigen Element Wasser. Das Itomachi Hotel 0 ist Teil dieses Masterplans.

Itomachi bettet sich in einen Masterplan ein. Das städtebauliche Vorhaben wurde vom Kengo Kuma Laboratory der Universität Tokio entwickelt. Dieses Projekt des japanischen Stararchitekten umfasst eine Wohnzone mit Einfamilienhäusern und eine Gewerbezone mit Hotels und Märkten. Ziel ist es, Saijo durch eine einzigartige Mischung aus urbanem Leben und katastrophensicherer Infrastruktur neuen Schwung zu verleihen.

Katastrophensichere Infrastruktur

Es ist strategisch so konzipiert, dass sich die Bewohner im Fall einer Natur-Katastrophe in Sicherheit bringen können. In solchen Situationen kann rasch ein Notlager für bis zu 800 Menschen geschaffen werden. Sie könnten sich dort drei Tage lang mit Notstrom, Wasser und Lebensmitteln versorgen.

Diese Vorausplanung ist äußerst umsichtig, ist doch Japan immer wieder beispielsweise von Erdbeben stark betroffen. Im Jahr 2023 gab es in oder bei Japan insgesamt 7.622 Beben. 145 davon hatten eine Stärke zwischen 5 und 6. Und immerhin bei elf davon wurde eine Stärke über sechs gemessen.

Der Startschuss für die städteplanerischen Überlegungen fiel im Jahr 2016. Die Masterpläne für neue umweltfreundliche Städte in Japan basieren allesamt auf dem Thema Wasser. Mit „Ito“, dem Faden, ist auch gemeint, dass es für die Lösung der aktuellen, drängenden Probleme der Menschheit gemeinschaftlichen Handelns bedarf. Konsequenterweise geht es bei der Initiative auch um die Entwicklung von Netzwerken, um die Vernetzung von Akteuren und Ideen.

Einbindung der Stadtgemeinschaft

Der Itomachi Masterplan wurde in enger Zusammenarbeit mit den Bewohnern vor Ort entwickelt. Workshops und einzelne Wettbewerbe für junge Architekten ermöglichten es der Gemeinschaft, ihre Ideen einzubringen und das Projekt mitzugestalten.

Das Itomachi Hotel 0 ist auch in diesem Kontext zu sehen. Denn es wird als Knotenpunkt für Austausch genutzt. Es soll ein Symbol dafür sein, nach der Coronavirus-Pandemie einen neuen Lebensstil zu entwerfen, der sogar über die Lösung globaler Umweltprobleme hinausgeht.

Outdoor-Wohnzimmer für alle …

Das Hotel zeichnet sich durch seine nachhaltige Architektur und innovative Gestaltung aus. Als Null-Energie-Gebäude erzeugt es mehr Energie als es verbraucht, indem es erneuerbare Energiequellen wie Solarenergie und Geothermie nutzt.

Die Nutzung des Uchinuki-Quellwassers im gesamten Itomachi Hotel 0 verbindet die Gäste auch mit der Umwelt und Kultur.
Bei der „Itomachi-Initiative“ arbeiten lokale Partner eng zusammen. Anwohner beteiligten sich bei den Workshops. Für Jung-Architekten fanden Wettbewerbe statt, bei denen sie ihre Ideen einbringen konnten.

Der große Garten zwischen dem Empfangsgebäude und den Gästezimmern wird als „Outdoor-Wohnzimmer”, Veranstaltungsraum und sogar Campingplatz genutzt. Diese einzigartige Widmung der Fläche erweitert die traditionelle Hoteldefinition und schafft einen Raum für Gemeinschaft und Umwelt.

In diesem für die Öffentlichkeit zugänglichen, parkähnlichen Raum spendet das Uchinuki-Wasserspiel Kühle und Abwechslung. Die Experten von Dugout Architects, die Landschaftsgestalter und kreativen Köpfe hinter der Inneneinrichtung, ließen sich von den leuchtenden Farben des blauen Iyo-Steins inspirieren.

… und reines Quellwasser für alle

Auf einer Fläche von 2.999 Quadratmetern verfügt das Hotel über einen Konferenzraum, ein Empfangscafé, einen Co-Working-Space, Wäschereien und eine Gemeinschaftsküche. Im hauseigenen Café tischt das Team von Tomohiro Maruyama Menüs mit Zutaten aus der Region Ehime auf.

Der öffentliche Garten dient mehreren Zwecken: Outdoor-Wohnzimmer für alle, Veranstaltungsraum und Lagerplatz.

Es gibt einen öffentlich zugänglichen Garten. Dieser Garten dient mehreren Zwecken: Er ist ein Wohnzimmer im Freien, ein Veranstaltungsraum und ein Lagerplatz und definiert das Hotelerlebnis durch das Konzept des „Gartens“ neu.
Gleichzeitig machen Solarenergie und Geothermie das Itomachi Hotel 0 zu einem Nullenergiehotel.

Im zweistöckigen Hotelblock sind 50 Gästezimmer untergebracht, die sieben Villen befinden sich im angrenzenden Villenblock. Alle Gästezimmer und Villen sind mit einem kleinen Uchinuki ausgestattet. Der Brunnen unterstreicht die Verbindung des Hotels mit der „Hauptstadt des Wassers“.

Die Innenarchitektur des Itomachi Hotel 0 ist ebenfalls beeindruckend. Die Gestaltung ist von der umliegenden Landschaft inspiriert, insbesondere von der Uchinuki-Quelle. In der Farbpalette des Interior Design und den Materialien finden sich die natürlichen Elemente der Region wieder.

Weitläufige Dächer als Metapher für das Bergmassiv

Die Gästezimmer sind modern und komfortabel gestaltet. Die natürlichen Materialien wie Holz und Stein schaffen eine beruhigende Atmosphäre. Von den Fenstern aus hat man einen Blick auf das nahe gelegene Ishizuchi Bergmassiv. Anordnung und Höhe der Gebäude reflektieren die lokale Topografie. Denn die drei niedrigen Gebäude mit ihren weitläufigen Dächern repräsentieren und symbolisieren das Bergmassiv.

Das große Dach des Projekts mit seinen facettierten Teilen, die sich nach oben und unten wölben, definiert eine theatralische dreidimensionale Dachebene. Nahezu die gesamte Dachfläche ist mit Sonnenkollektoren bedeckt.

„Raus an die frische Luft“

Für die Dachtraufen und die Abschirmungen an den Fassaden, hinter denen sich die Haustechnik verbirgt, wurde die einheimische Ehime-Zypresse verwendet. „Die Ehime-Zypresse ist das in Japan am häufigsten verwendete Zypressenholz und von sehr hoher Qualität“, wird der frühere Projektleiter bei Kengo Kuma & Associates, Takumi Saikawa, in japanischen Medien zitiert.

Itomachi Hotel 0, Kengo Kuma
Gegenstände und Möbel im gesamten Hotel sind aus wiederverwerteten Materialien und Dingen gestaltet. Es gibt einen öffentlich zugänglichen Garten.

Die Deckenverkleidung macht das Ambiente mit seiner weichen und warmen Anmutung behaglich, insbesondere im Innenhof, zu dem sich das Dach „dramatisch“ öffnet. Der Uchinuki im „Wohnhzimmer im Freien“ ist mit einem Bartresen und Sitzbänken ergänzt. Mit der offen zugänglichen Struktur will das Team um Kengo Kuma die Menschen ermutigen, sich im Freien aufzuhalten, dort zu lesen, Tee zu trinken, sich zu unterhalten, anstatt zu häufig zu lange in mechanisch belüfteten Räumen eingeschlossen zu sein.

Natürliche und recycelte Materialien

Die blassgrüne Farbe des Uchinuki stammt vom blauen Iyo-Stein, der auch unter dem Namen Iyoseki bekannt ist, aus der Präfektur Ehime. Er wird aus Sedimenten gewonnen, die sich während der mittleren Jurazeit in den örtlichen Seen und auf dem Meeresgrund ablagert haben. Während der Bauarbeiten hat man auf der Baustelle reichlich Iyoseki gefunden. Einige wurden poliert und in den Empfangstresen integriert.

Die Nutzung des Uchinuki-Quellwassers im gesamten Itomachi Hotel 0 verbindet die Gäste auch mit der Natur und dem Umweltschutzgedanken und mit dem Kulturgut der Region.
Die Nutzung des Uchinuki-Quellwassers im gesamten Itomachi Hotel 0 verbindet die Gäste auch mit der Natur und dem Umweltschutzgedanken und mit dem Kulturgut der Region.

Gegenstände und Möbel im gesamten Hotel sind aus wiederverwerteten Materialien und Dingen gestaltet. Es gibt Bänke für den Außenbereich, die aus recycelten Glasabfällen hergestellt wurden, die von ausrangierten Leuchtstoffröhren stammen. Die Stoffe für die Polsterung der Möbel und Kissen stammen teils aus recyceltem Nylon aus Fischernetzabfällen. Einige Arbeitsplatten sind mit recycelten Tarkett-PVC-Platten verkleidet.

Traditionelle Ästhetik in grüner Ausführung

Japan verfügt bereits über mehrere Null-Energie-Hotels. Zu ihnen zählen etwa das erste Hotel der Ace-Kette in Japan. Kengo Kuma gestaltete dafür das Interior Design. Die Mesh-Blenden und Lamellen sorgen für eine gute Luftzirkulation. Eine frische Brise kann jederzeit aus den Innenhöfen in die Zimmer strömen.

Das Null-Energie-Hotel von Kengo Kuma, das Itomachi Hotel 0 in Ehime, ist allerdings das erste ZEB-zertifizierte Hotel in Japan. Die ZEB-Zertifizierung steht für „Zero-Energy Building“ und bezieht sich auf Gebäude, die nahezu keine externe Energie für ihren Betrieb benötigen. Über die Zertifizierung wacht das International Living Future Institute (ILFI). Es bietet unter der ganzheitlichen Living Building Challenge (LBC) die Möglichkeit zur Zertifizierung als Netto-Nullenergiegebäude an.

Text: Linda Benkö
Fotos: Masaki Hamada/Kkpo, Courtesy Itomachi Hotel 0

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