„Faszinierend, wie aus dem Nichts Neues entsteht“
Iris Ortner leitet in vierter Generation die IGO Industries, ein Konglomerat mit rund sechs Milliarden Euro Umsatz und 24.000 Mitarbeitern. Im Interview spricht sie über die Faszination des Bauens, das Abenteuer neuer Projekte und das soeben fertig gestellte Holiday Inn Gdańsk – City Centre.
Ihre Karriere hat auf einer Baustelle begonnen. Ist das richtig?
Iris Ortner: Das stimmt, mit 23 Jahren als Bauleiterin eines Großprojekts in Polen. Davor habe ich an der ETH in Zürich Maschinenbau studiert.
Freiwillig?
(lacht) Ja, vollkommen freiwillig, aber natürlich mit einer gewissen familiären Vorbelastung. Ich hatte bereits in der Schule Freude an Mathematik und Naturwissenschaft, da war der Weg zum Maschinenbaustudium nicht weit. Unmittelbar nach meinem Studium bekamen wir den Zuschlag zum Bau des Warschauer Finanzzentrums. Mit dieser Baustelle begann meine Karriere im Unternehmen, das war in gewisser Weise ein Sprung ins kalte Wasser aber eben auch die Chance essenzielle Branchenerfahrung zu sammeln.
Was ist dann Schöne am Bauen an und für sich?
Man sieht, wie aus dem Nichts etwas ganz Neues entsteht, das unser aller Leben prägt.
Es hat Sie schon als Kind zu Baustellen gezogen. Sie haben am Wochenende Ihren Vater zu den diversen Bauvorhaben begleitet.
Ja, und ich war da auch mit viel Spaß dabei. Autos, Baustellen und Eisenbahnen haben mich schon als Kind mehr fasziniert als Puppen.
Hätte Ihr Vater es überhaupt akzeptiert, wenn Sie einen anderen Weg eingeschlagen hätten, sagen wir mal als Modedesignerin in London?
Das hätte er akzeptiert, aber natürlich hat er sich darüber gefreut, dass ich ein ähnliches Interesse entwickelt habe wie er.
Wie schwer war Ihr Weg in die Chefetage der IGO Industries. Als Frau und als Tochter? Wieviel mehr mussten Sie vielleicht überzeugen?
Bleiben wir bei dieser ersten Erfahrung in Polen: Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich dort viele langjährige Mitarbeiter begleitet und unterstützt haben. Es gibt eine große Loyalität, die unseren Betrieb bestimmt, und die ich bereits damals gespürt habe. Natürlich gab es mal den einen oder anderen, der meine Kompetenzen ausgetestet hat, aber das gehört dazu. Ich habe mich damals unterstützt gefühlt und versuche auch, diese Loyalität und Förderung in meinem Managementalltag zurück zu geben.
Autos, Baustellen und Eisenbahnen haben mich schon als Kind mehr fasziniert als Puppen.
Iris Ortner, Geschäftsführerin der IGO Industries
Sie haben positive Erfahrungen gemacht, haben eine eindrucksvolle Karriere gemacht, trotzdem sind Frauen in der Technik, in der Wirtschaft und vor allen in den Führungsetagen dort noch immer sehr selten. Braucht es die Frauen-Quote, vor allem in der Privatwirtschaft?
Meine Meinung zur Frauenquote ist zwiespältig. Ich würde mir wünschen, dass wir an den Punkt kommen, wo wir alle verinnerlichen, dass uns Vielfalt weiterbringt. Das gilt auch für Altersstruktur, Bildungshintergrund und vieles mehr. Noch ist es nicht so weit, und da kann die Quote unterstützen, dass man außerhalb der gewohnten Pfade denkt und handelt. Im Endeffekt ist aber in unserem Unternehmen die Kompetenz ausschlaggebend und da würde ich mir wünschen, dass sich Frauen mehr zutrauen und die eigene Leistung auch stärker sichtbar machen.
Bei IGO Industries werden schon die Lehrlinge auf einer Academy in Puncto Selbstvertrauen geschult. Wie geht das?
In der IGO Academy schulen wir sie in den Bereichen Sozial- und Teamkompetenz. Vom Konfliktmanagement über Teamarbeit bis hin zur Motivation. Wer großartige Lehrlinge für sein Unternehmen gewinnen will, muss ihnen auch ein förderndes, spannendes Umfeld bieten. Darum habe ich die IGO Academy gestartet, und ich kann sagen, wir lernen dort alle was!
Zurück nach Polen, zum neuen Holiday Inn Gdańsk – City Centre, wo das polnische Tochterunternehmen der IGO Industries, die TKT Engineering, für die Technische Gebäudeausstattung verantwortlich ist. Entwickelt wurde das Hotel von der UBM Development AG. Was macht für Sie das Besondere an diesem Projekt aus?
Dass dort an einem historischen Ort etwas Neues gebaut wird, das sich aber mit dem Alten verbindet. Ich denke, das Hotel wird die Umgebung maßgeblich und positiv beeinflussen. In Danzig spürt man unglaublich viel Geschichte, die hier noch klarer zu sehen ist als in vielen anderen westeuropäischen Orten. Ich werde das Hotel demnächst besuchen!
Wenn Sie in ein Hotelzimmer gehen: Worauf achten Sie bei Sanitär-und Klimaanlagen?
(lacht) Ich bin sehr lärmempfindlich, von daher stört mich bereits der Lärm einer Klimaanlage. Mich interessiert aber grundsätzlich das Design von Räumen und ob und wie die Infrastruktur funktioniert. Mein Blick beginnt bereits in der Lobby. Ich kann auch durch keinen Flughafen gehen, ohne einen Blick durch die Zwischendecken auf die Installationen zu werfen. Das ist wohl eine Berufskrankheit.
Apropos Berufskrankheit: Die IGO Industries existiert als Familienunternehmen seit mehr als 115 Jahren, setzte zuletzt mit den assoziierten und Gemeinschaftsunternehmen etwa sechs Milliarden Euro um und beschäftigt 24.000 Mitarbeiter. Welche Visionen haben Sie noch?
Der enorme Wachstum der Gruppe ist in den letzten 20 Jahren passiert. Was die Zukunftsvision betrifft, setze ich auf die Kontinuität und Stabilität in all unseren Handlungen und darauf, dass die Firma weiterhin auf sehr soliden Beinen steht. Diese Stabilität ist die Basis für weitere Innovationen.
Ihr 74jähriger Vater ist noch immer voll aktiv und wird das auch bleiben, ist das richtig?
Mein Vater ist Unternehmer aus Überzeugung. Für ihn ist Arbeit Hobby und Freude. Und wir haben Gott sei Dank genug zu tun, dass auch für uns beide genug Arbeit da ist.
Verraten Sie uns zum Schluss: Was ist die viel zitierte Ortner-Art?
Sagen wir mal so: Sie hat mit ausgeprägter Hartnäckigkeit zu tun.
Interview: Paula Petzold; Bilder: Ernst Kainerstorfer, Birgit und Peter Kainz, Piotr Krajewski, Hans Schubert