Ideen am laufenden Band
In Heilbronn werden künftig Nerds, Tüftler und Wissenschaftler in einer eigenen Fabrik Ideen für die Zukunft produzieren. Die Innovationsfabrik 2.0 ist ein transparenter Holz-Hybridbau, der den Wissensaustausch möglichst durchlässig gestalten soll.
Am Heilbronner Neckarufer wurde in den letzten Jahren ein Stück Automobil-zentrierte Stadtplanung wieder rückgängig gemacht. Die Bundesstraße entlang des Flusses hat man ausradiert und den Verkehr umgeleitet. Stattdessen erstreckt sich hier nun eine terrassierte Uferlandschaft mit Schatten spendenden Bäumen und langgezogenen Sandsteinstufen zum Wasser hin. Im neuen Neckaruferpark treten Mensch und Fluss wieder in Kontakt.
Bei den Erdarbeiten entdeckte man zufällig die Ufermauer des alten Winterhafens. Die Bauherrschaft entschied sich dazu, die teilweise noch gut erhaltenen Sandsteine aufzubereiten und für die Parkanlage wiederzuverwenden. So wurden etwa 200 der ursprünglich aus der Region stammenden Sandsteine wieder zu Ufersteinen. Mit der richtigen Einstellung und einer zündenden Idee lässt sich das Kreislauf-Prinzip Cradle-to-Cradle also auch in der Landschaftsarchitektur umsetzen.
Eine Referenz an das Fachwerk
Eine ganze Fabrik für zukunftsweisende Ideen soll künftig den neuen Auftakt zum Neckaruferpark bilden. Die Innovationsfabrik 2.0 soll in der Blickachse zum Wissenschafts- und Technologiezentrum WTZ das städtebauliche Konzept stärken. Die Erscheinungsform des lichtdurchlässigen Holzbaus lehnt sich an die historischen Fachwerkhäuser des Heilbronner Landes an.
Die fachwerkartige Struktur der Fassadenstützen, die Logik der Konstruktion, bestimmt das ikonografische Erscheinungsbild.
Waechter + Waechter, Architekturbüro
„Die fachwerkartige Struktur der Fassadenstützen, die Logik der Konstruktion, bestimmt das ikonografische Erscheinungsbild“, heißt es vonseiten des Architekturbüros Waechter + Waechter Architekten, das gemeinsam mit Merz Kley Partner den Wettbewerb gewinnen konnte. Die durch die Fassade sichtbare Holzstruktur verleiht dem Solitär eine federhafte Leichtigkeit. Der transparente Kubus wirkt, als hätte man ihn soeben in den Park gewürfelt.
Atmosphäre des Austauschs
Die große Herausforderung lag für die Architekten darin, ein Raumkonzept zu schaffen, das den gegenseitigen Austausch fördert und zugleich als Showcase für die Innovationen dient. „Insofern suchten wir nach innen eine Typologie und eine Atmosphäre, die die Begegnung und den Austausch zwischen den Tüftlern der Start-ups fördert“, erklärt der zuständige Architekt Felix Waechter gegenüber german-architects.com.
Gefunden hat man diese Typologie in einer zentralen Halle, um die sich helle Kommunikations- und Begegnungszonen gruppieren. „Diese offenen Zonen sind Think Tanks und Lounges für das Arbeiten und den Austausch untereinander“, so Waechter. Denn: Dunkle Flure waren gestern. Heute setzen Architekten vermehrt auf Atrien mit Dachfenstern, um das Tageslicht im Inneren eines Gebäudes möglichst demokratisch zu verteilen.
Keine Stützwände im Inneren
Die transparente Fassade der Innovationsfabrik sorgt für einen visuellen Austausch zwischen Innen und Außen. Den Start-up-Gründern bieten sich attraktive Ausblicke in den umliegenden Park. „Gleichzeitig ermöglicht die allseits gläserne transparente Anmutung, ohne Vor- und Rückseite, schaufensterartige Einblicke auf die Arbeit der GründerInnen“, wie Waechter es beschreibt.
Wir suchten nach innen eine Typologie und eine Atmosphäre, die die Begegnung und den Austausch zwischen den Tüftlern der Start-ups fördert.
Felix Waechter, Architekt
Die fachwerkartige Struktur der Fassadenstützen gibt dem Bau sein charakteristisches Aussehen und sorgt außerdem für die Aussteifung des Gebäudes. Dadurch braucht es im Inneren keine zusätzlichen Stützwände, was für eine hohe Flexibilität bei der Raumnutzung sorgt. Die positive gesundheitliche Wirkung von Holz im Arbeitsbereich belegen die Outcomes diverser Studien. Von der ruhigen Atmosphäre, die der nachhaltige Werkstoff verbreitet, verspricht man sich auch einen gesteigerten kreativen Output für die Start-up-Gründer.
Sichtbare Holzstruktur
Die Struktur des Gebäudes ist, wie bei Holz-Hybrid-Bauten üblich, modular aufgebaut. Das heißt, die vorgefertigten Elemente kommen vom Werk und werden auf der Baustelle montiert. Über eine Betonpumpe kommt schließlich der Verbundbeton auf die Balkendecken. Durch den hohen Vorfertigungsgrad ergibt sich eine kurze Planungs- und Bauzeit. Die Verantwortlichen rechnen mit einer Fertigstellung für 2023.
Dass die Holzbauweise nicht von einer Fassadenschalung verdeckt, sondern auch von außen zu sehen ist, war für Waechter ein wichtiger Aspekt des Gesamtkonzeptes: „Die ressourcenschonende Bauweise ist weithin sichtbar – auch das entspricht dem Leitbild und Selbstverständnis der Innovationsfabrik.“
Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: Waechter + Wächter