Chengdu Future Science and Technology City
#stadtplanung

Innovativer Masterplan für Innovations-Cluster

Chengdu Future City ist ein autofrei durchdachter Masterplan für einen 4,6 Quadratkilometer großen Innovations-Ballungsraum der Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan. Der Entwurf stammt von OMA in Kooperation mit GMP.

Wie kann ein Masterplan für Innovationsindustrie an sich innovativ sein? Anders als die meisten Stadtplanungen wollte sich OMA beim Entwurf für die Chengdu Future City nicht von Straßennetzen oder der Maximierung der Bruttogeschoßfläche etwas aufzwingen lassen.

Die Linpan-Siedlungen, traditionelle, ländliche Gemeinden in der Chengdu-Ebene in West-China, dienten dem renommierten niederländischen Architekturbüro Office for Metropolitan Architecture als Vorlage für die Chengdu Future City. Die auf die alte Shu-Zivilisation zurückgehende Lebensform zeichnete sich durch kleinbäuerliche Landwirtschaft, rechteckige Felder und der Integration der Landschaft, Vegetation und der Dujiangyan-Bewässerungssysteme aus.

Chengdu Future Science and Technology City, geplant von OMA und GMP
Ein natürliches Becken wird in einen Wissenschafts- und Technologiepark umgewandelt.

Stadtplanung und -entwicklung für einen modernen, urbanen Großraum, der mehr als 20 Millionen Menschen beherbergt, erfordert freilich Denken und Planen in größeren Maßstäben. Zumal die chinesische Regierung die „Innovationsindustrie”, akademische Bildung und den Ausbau der Stadt rund um den neuen Flughafen östlich von Chengdu forciert.

Alternative zum typischen Masterplan

„Wir wollten mit diesem Projekt eine Alternative zum typischen Masterplan bieten, der auf dem traditionellen autoorientierten Straßennetz basiert”, so OMA-Partner Chris van Duijn. Der Entwurf von OMA sei in der Geografie des Ortes verwurzelt, man hoffe, dass durch die Verbindung von Architektur und Landschaft ein dynamisches Umfeld für Bildung entsteht, das zu innovativen Ideen inspiriere.

Spannende Projekte gibt es in China derzeit zuhauf. Etwa Easyhome Huanggang Vertical Forest City Complex von Stefano Boeri oder die AI City von BIG für die Terminus Group – eine Stadt, in der Roboter, Natur und Menschen koexistieren sollen.

Chengdu Future City: Sechs verschiedene Cluster

Das Gebiet wird in sechs Cluster unterteilt, von denen jedes eine spezifische architektonische Typologie hervorhebt. Diese sei durch den Zweck sowie ihre Beziehung zu den lokalen Gegebenheiten wie Topografie und Wassersystem definiert. Auch die Art und Weise, wie die Energie für jedes der Cluster genutzt wird, spiele eine Rolle, wie es heißt.

Der Masterplan umfasst einen internationalen Bildungspark und eine verkehrsorientierte Entwicklung.

Den Wettbewerb für den Masterplan und das Design der Chengdu Future Science and Technology City, wie der neue Stadtteil im genauen Wortlaut heißt, haben OMA und GMP gemeinsam gewonnen. Die lokalen Architekten CAUPD und Swooding arbeiten ebenfalls an dem Masterplan mit.

Der Masterplan sieht einen internationalen Bildungspark im Westen und ein vom Hamburger Büro Gerkan, Marg und Partner (GMP) geleitetes Transit Oriented Development (TOD) im Südosten vor.

Die Ost-West-Ausdehnung der Stadtregion beträgt 192 Kilometer, die Nord-Süd-Ausdehnung 166. Chengdu hat durch das mehrfache Zusammenlegen kleinerer Verwaltungseinheiten die heutige Größe erreicht und sich neben Chongqing zum Wirtschaftszentrum Westchinas entwickelt.

Städtebauliches Projekt der kurzen Wege

Während das Entwicklungsgebiet etwa 50 Kilometer von der eigentlichen Stadt Chengdu gelegen ist, liegt der neue internationale Flughafen Chengdu-Tianfu „nur eine Haltestelle von der Chengdu Future Science and Technology City entfernt“.

Laut OMA zielt der Masterplan darauf ab, herkömmliche Stadtplanungsmodelle in Frage zu stellen, die in der Regel von Straßennetzen oder der Maximierung der Bruttogeschossfläche bestimmt werden.

Diese Nähe zum Flughafen mache das Gebiet zu einem idealen Standort für transitorientierte Entwicklung (TOD). Dabei handelt es sich um ein städtebauliches Konzept, bei dem alle städtischen Bereiche in einer hochverdichteten Siedlung um einen zentralen öffentlichen Verkehrsknotenpunkt konzentriert werden. Dies führt zu kurzen Wegen zwischen Wohnen, Freizeit, Studium und Arbeit.

Die sechs verschiedenen Cluster sind der Wohncluster, die Universität, das Labor, der öffentliche Bereich, der Markt und der Regierungscluster. Die Gebäude des in Summe 460.000 Quadratmeter großen „International Education Park” werden über begrünte Terrassen verfügen und so fast zu einer Erweiterung des umgebenden Geländes werden.

Markanter Gebäudekomplex im Tal

Das Zentrum des Campus bildet ein Tal mit einem markanten Gebäudekomplex. Das 80.000 Quadratmeter große Gebäude ist als Herzstück gedacht – mit Universitätsbibliothek, Studentenzentrum, Hörsälen undsoweiter.

Eine Visualisierung von Glasgebäuden in Chengdu für einen Masterplan von OMA
Eine Visualisierung von „Glasgebäuden” in Chengdu für einen Masterplan von OMA.

Aber auch der öffentliche Cluster werde laut van Duijn identitätsstiftend sein. Der verkehrsorientierte Ansatz soll Natur und Architektur miteinander vereinen. Sämtliche Cluster werden autofrei sein. Dennoch sollen die Bewohner und Nutzer alle Orte innerhalb von zehn Minuten erreichen können – dank intelligentem Mobilitätsnetz.

Intelligentes Mobilitätsnetz mit autonomen Fahrzeugen

Dabei kommen automatisierte Fahrzeuge zum Einsatz, die für gute Anbindung zum Bahnhof und die umliegenden urbanen Zentren sorgen. Ausgangspunkt ist der Bahnhof Futian Station, der von GMP umgestaltet wird.

Chengdu Future City mit neu gestaltetem Bahnhof
Chengdu Future City mit neu gestaltetem Bahnhof.

In der ersten Bauphase wird der bestehende Bahnhof erweitert und mit neuen Dächern in Form von eng aneinander gereihten schirmartigen Strukturen versehen. Die von hohen Stützen getragene U-förmige Dachlandschaft erstreckt sich in die Landschaft hinein. Die „Schirme” bieten Schutz für die Terrassenlandschaft mit Freizeiteinrichtungen, einem Hotel, Einzelhandelsgeschäften und Büros.

Geschwungene Landschaftsachse

Gleichzeitig ist der Bahnhof Schnitt- und Ausgangspunkt zweier Achsen, an denen die wichtigsten Funktionen der zukünftigen Stadt zusammenlaufen: zum einen die Bildungsachse, mit den Gebäuden für Forschung und Lehre. Sie führt von der von OMA entworfenen Universität zur bereits bestehenden Aviation Academy.

Die zweite Achse ist die grüne Landschaftsachse – ein breiter, geschwungener Grünzug, der wie ein Pinselstrich der Topographie folgt und tief in das L-förmige Entwicklungsgebiet hineinreicht. Brücken, Plätze, Aussichtspunkte schaffen öffentliche Räume, in denen der Fußgänger- und Fahrradverkehr Vorrang hat. Der motorisierte Verkehr wird die grüne Achse hauptsächlich unterirdisch durchqueren.

„Eye of the Future”

Ein weiterer Teil der ersten Bauphase ist die sechseckige, drehbare Aussichtsplattform Eye of the Future, die sich wie eine Skulptur aus der Parklandschaft bis über den Bahnhof erhebt und weite Blicke über das Gelände ermöglicht.

Futuristisches Eye of the Future
Futuristische, drehbare Aussichtsplattform „Eye of the Future”.

Die Cluster-Gestaltung im Detail: Für den Wohn-Cluster – mit Einzelhandel in der Erdgeschoß-Zone und Wohnbebauung darüber – ist im Zentrum eine Art Wasser-Reservoir vorgesehen. Die Gebäude des Universitätsclusters werden landschaftlich gestalteten Terrassen aufweisen.

Biofiltersysteme, Forschungsgärten, Pflanzenbrutkästen und Feuchtbiotope

Zu diesem Cluster gehört auch ein Biofiltersystem, bei dem die Regengärten der großen Dachflächen das Wasser filtern, das sodann in unterirdischen Lagertanks und Rückhaltebecken gesammelt wird. Dieser Cluster ist über ein Netz von Geh- und Radwegen mit dem Labor-Cluster verbunden. Das Labor-Cluster verfügt über Forschungsgärten, im gleichen Gebiet ist der Markt-Cluster gelegen, mit gewerblichen und öffentlichen Einrichtungen im Erdgeschoss und Wohn- und Bürogebäuden im Obergeschoss. Bei diesem Cluster gelangt Wasserkraft zur Nutzung.

Der Regierungscluster schließlich ist auf einer Anhöhe entlang eines Flusses vorgesehen. Das zentrale Gebäude ist von Nebengebäuden flaniert, in denen Pflanzenbrutkästen und Feuchtbiotope eingerichtet werden.

Die einzelnen Cluster von Chengdu Future City
Die einzelnen Cluster der Chengdu Future City.

OMA wurde 1975 in Rotterdam von Rem Koolhaas, Elia Zenghelis, Madelon Vriesendorp und Zoe Zenghelis gegründet. Heute unterhält das Büro auch Niederlassungen in Hongkong, Peking, New York, Dubai, Doha und Sydney.

Weitere OMA-Masterpläne

Zu den weiteren Masterplänen, die das Büro vor kurzem präsentiert hat, gehören das Morden Wharf-Viertel am Londoner Flussufer sowie die Umwandlung zweier stillgelegter Mailänder Bahnhöfe gemeinsam mit Laboratorio Permanente. Unter dem klingenden Namen „Agenti Climatici” werden die Bahnhofsbereiche – Scalo Farini im Norden und San Cristoforo im Süden – saniert und in eine Art „ökologischen Filter” transformiert.

Zu den weiteren Großprojekten von OMA in China zählen der Wolkenkratzer Prince Plaza in Shenzhen (Mischnutzung) mit drei Aussparungen für Terrassen und das Tencent-Peking-Headquarter, ein riesiges Glasbüro, das von geometrischen Einsätzen durchbrochen wird.

Text: Linda Benkö
Renderings/Fotos: courtesy of OMA, GMP / Atchain

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