In London wächst die größte grüne Fassade Europas!
Begrünte Wände ziehen aktuell in allen Städten Europas die Aufmerksamkeit auf sich. Doch London will wie immer mehr: Die größte begrünte Fassade des Kontinents soll hier erblühen. Mit vielen kleinen „Special-Effects“ …
Eines gleich vorweg: Österreich und vor allem Wien können sich in Sachen Nachhaltigkeit stolz auf die Schulter klopfen. Erst kürzlich wurde die Bundeshauptstadt von lastminute.com unter die fünf nachhaltigsten Städte Europas gewählt. Abgesehen von Parametern wie biologischer Landwirtschaft, Co2-Ausstoß oder Grünflächenanteil flossen in dieses Ranking auch Projekte wie die grüne Fassade der MA48 am Wiener Gürtel ein.
Grünes Vorzeige-Projekt?
Vielleicht war es sogar eben dieses Ranking und dieser beispielgebende Bau, der nun die Londoner Stadtregierung dazu veranlasst hat, einem wahrlich spektakulären Hotelprojekt im Herzen ihrer Stadt die Baugenehmigung zu erteilen: An prominenter Stelle, am so genannten Holborner Viadukt, hat das renommierte Londoner Architektur-Büro Sheppard Robson im Auftrag der Dominvs Group seine Vision eines außergewöhnlichen Fünfsternehotels angesiedelt: Ein ovaler Bau, dessen Fassade zur Gänze quasi „bewaldet“ ist.
Ganz konkret wird die Außenhülle des Citicape House, wie das Objekt heißen wird, aus insgesamt 400.000 Pflanzen bestehen. Das wiederum würde Europa-Rekord bedeuten: Keine andere vertikale Begrünung wurde bis dato in dieser Dimension realisiert.
Größte grüne Fassade
Doch auch wenn man mit dem Vorhaben die größte grüne Fassade des Kontinents zu realisieren natürlich mächtig medialen Wirbel erzeugt, war das offenbar gar nicht das vorrangige Ziel bei der Konzeption dieser senkrechten Mega-Grünfläche. Vielmehr wäre der tatsächliche Nutzen im Fokus gestanden, betonen Architekten und Bauherrn unisono.
Und dieser ist in der Tat genauso beeindruckend, wie es die Optik sein wird: Das Gebäude soll jährlich über acht Tonnen Kohlenstoff aufnehmen, sechs Tonnen Sauerstoff produzieren und die lokale Temperatur um drei bis fünf Grad Celsius senken. Die Wand würde zudem auch wesentlich zur Verbesserung der lokalen Luftqualität beitragen, indem sie jährlich etwa 500 Kilogramm Staubpartikel abfängt.
Diese Zahlen sind übrigens nicht etwa Fake-Fakten-Make-up, sie haben tatsächlich wissenschaftlichen Anstrich: Das Projekt orientiert sich nämlich an Londons „Urban Greening Policy“, die Strategien zur Förderung von mehr und besserer städtischer Ökologisierung beinhaltet. Diese wiederum bewertet Projekte und Maßnahmen unabhängig mit dem „Urban Greening Factor“ (UGF), dessen Wert als konkrete Aussage über die umweltfreundlichen Auswirkungen des jeweiligen Objekts zu verstehen ist.
Wissenschaftliche Grün-Waschung
Und just hier ist dieser geplante Hotel-Neubau mehr als nur vorn dabei: Mit einem UGF von 1,37 überschreitet das Citicape House die vorgeschriebene 0,3 um mehr als das 45fache! Damit setzt es schon vor Baubeginn neue Standards für zukünftige Entwicklungen im Großraum London.
Die Motivation, eine ökologische Landmark zu setzen, begründet Dan Burr, Partner bei Sheppard Robson, übrigens so: „An einem so prominenten Standort gab es einen echten Antrieb, neue Perspektiven zu entwickeln, wie man sich mit einem der dringendsten Umweltprobleme Londons, wie Luftqualität, Lärm- und Staubbelastung, auseinandersetzen kann.“ Dies ist ganz offenbar gelungen.
Und das zum Glück nicht auf Kosten der zukünftigen Hotelgäste, denen schon bald – der Baustart steht kurz bevor – 382 schicke 5-Sterne-Zimmer zur Verfügung stehen werden. Außerdem stehen eine Arbeitsfläche von 40.000 Quadratmetern, eine Skybar im 10. Stock, Tagungs- und Veranstaltungsräume, ein Spa, ein ebenerdiges Restaurant und ein Co-Working-Raum jedem offen.
Das Dach als Höhepunkt
Als besonderes Highlight – abgesehen von der größten grünen Fassade Europas – gilt jedoch die spektakulär geplante Dachterrasse des Hotels. Sie bietet nicht nur einen ungehinderten Blick über die Dächer der Stadt – auf ihr erlebt die lebende Wand vielmehr ihren Höhepunkt: Bedrohte einheimische Wildblumenarten sollen paradiesisch angesiedelt und somit der breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt werden.
„Die sozial nachhaltigen Aspekte sind uns bei der Konzeption genauso wichtig gewesen“, ergänzt Dan Burr. „Dazu gehören die öffentlich zugänglichen Räume und ein reichhaltiger Nutzungsmix. Sie ermöglichen es der Öffentlichkeit, die direkt an einen großen Verkehrsknotenpunkt angrenzen und dem Ethos der nachhaltigen Entwicklung folgen, bis in die Abend- und Wochenenden hier zu verweilen.“
Ob das allerdings ausreicht, um demnächst genau so wie Wien im Ranking der nachhaltigsten Städte Europas vorne mitzumischen, wird sich weisen. Die Saat dafür wurde mit der Genehmigung dieses opulenten Projekts jedenfalls aber einmal ausgebracht.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Sheppard Robson Architects