In den Tiefen des Forstes
Dichter grüner Wald ist häufig der Inbegriff von Ruhe, Natur und Ursprünglichkeit – so etwas braucht aber auch Aufmerksamkeit und Pflege. Dass forstwirtschaftliche Betriebe zudem architektonisch interessant sein können, beweist die Forst Administration Lodge in Tschechien.
Spätestens seit Peter Wohllebens Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“ hat die Forstwirtschaft ihr etwas verstaubtes Image abgelegt. Der Autor und Naturschützer zeigt auf, wie ökologische Forstwirtschaft möglich ist.
Mitten im Wald
Den Zustand der städtischen Wälder zu erhalten und zu verbessern, hat sich das tschechische Unternehmen Pacovská lesní s.r.o. zum Ziel gesetzt. Und Modernität spiegelt sich in dessen neuen Verwaltungs- und Holzverarbeitungsgebäude durchaus wider. Denn im Gebiet Šimpach (deutsch Simpach), südwestlich der Stadt Pacov (deutsch Patzau), wurde mitten im Wald ein ziemlich beeindruckendes Objekt errichtet, das die Büros und Arbeitsräume beherbergt.
Auf dem Gelände befindet sich etwa eine Kompostieranlage mit einem umfassenden System der Abfallsammlung und -verwertung von Holzresten. Das klingt im ersten Moment nicht gerade nach schönen Anreizen für die Augen. Aber das am Waldrand neu errichtete Gebäude verleiht dem Areal zwei zusätzliche Dimensionen: Funktionalität und Ästhetik.
Forst Administration Lodge – Praktisch und schön
Das Forsthaus hat eine klassische archetypische Form, die aus zwei orthogonalen Grundkörpern besteht. Beide Objekte sind also in einem offenen Winkel angeordnet und werden durch einen Durchgang miteinander verbunden.
Das Hauptziel war die fortschrittliche und zeitgemäße Darstellung einer ursprünglichen Morphologie.
20-20 Architekti und Vyšehrad Atelier
Der visuell dominante Gebäudeabschnitt dient im Prinzip als Verwaltungsteil, der zweite als Holzverarbeitungsbetrieb, wo zudem die Sozialräume für die in den Wäldern tätigen Mitarbeiter liegen. Laut der zuständigen Designer des Projekts – 20-20 Architekti und Vyšehrad Atelier – „interpretiert der Entwurf die Tradition der Architekturtypologie von Forst- und Wirtschaftsgebäuden: in Form und Material ebenso wie in Funktionalität.“
Neuübersetzung einer Waldhütte
Dieses Thema habe von Beginn an die Richtung vorgegeben: „Das Hauptziel war die fortschrittliche und zeitgemäße Darstellung einer ursprünglichen Morphologie.“ Wie man diese Neuübersetzung einer Waldhütte angegangen ist, sieht man etwa am traditionell gestalteten Satteldach, das jedoch eine völlig abstrakte Form ohne Dachüberstände hat.
Um diesen „urigen“ Charakter zusätzlich zu unterstreichen, wurde ein Großteil des gesamten Gebäudes außen mit Holz überzogen. Es bekam sozusagen eine vollflächige Verkleidung aus Lärchenbrettern „geschnitzt“. Das gilt auch für sämtliche Dächer, aus denen Gauben in einfachen kubischen Formen mit Gegendächern „herauswachsen“. Das verbindende Foyer ist im Kontrast dazu aus verglasten und verkleideten Flächen gestaltet.
Traditionelles Element
Ein Teil der Fassaden des technischen Gebäudeabschnitts wurde einfach verputzt, was ebenfalls ein traditionelles Element eines Landhauses darstellt. Große Schiebetüren wiederum ermöglichen den leichten Zugang zu und die Handhabung der forstwirtschaftlichen Geräte.
Für die Innenräume wurden von den Architekten sehr langlebige Materialien mit elementarer Ästhetik und schlichtem Charme gewählt. So finden sich dort zum Beispiel ungestrichene vorgefertigte Stahlbetonelemente wie Deckenplatten und Treppen. Auch einige interne Installationen sind bewusst sichtbar. Die äußeren Verkehrs- und Parkflächen wurden mit Granitwürfeln ausgelegt.
Schlicht und schick
Der verglaste Haupteingang des Gebäudes fungiert als zentrale Lobby und bietet Zugänge zu beiden Abschnitten des Objekts. Er soll die Verbindung zwischen dem südlich gelegenen Verwaltungs- und dem technischen Teil im Nordflügel symbolisieren.
Im Südflügel befinden sich die Büros der Forstverwaltung: Direktion, Sekretariat und Wildhüter. Diese drei Abteilungen werden durch einen großen Versammlungsraum mit Glaswand und einer flachen, zum Wald hin offenen Loggia ergänzt.
Genug Platz für Büros und Werkstatt
Der nördliche Gebäudeteil bietet den Mitarbeitern Umkleideräume, Bäder und Toiletten sowie einen Aufenthaltsraum. Auch die technischen Anlagen für das gesamte Areal sowie Arbeitsgeräte, Servicewerkstätten und ein Lager sind hier untergebracht. Im Dachgeschoss des Nordflügels gibt es zusätzlich noch Unterkünfte und Einrichtungen für Saisonarbeiter – zugänglich ist der Bereich über eine Stahltreppe.
Zum Abschluss noch ein Tipp: Wer sich mehr über das Thema Forstwirtschaft informieren und wissen möchte, sollte mal in den Podcast von Peter Wohlleben reinhören. Dort erfährt man etwa, wie das Klima und der Wald besser geschützt werden können, warum Artenvielfalt so wichtig ist und was jeder Einzelne von uns dafür tun kann. Wir wünschen feinen Hörgenuss!
Text: Martin Obermayr
Fotos: Filip Šlapal