Imagine Montessori Schule: Natur als Klassenzimmer (Bild: Mariela Apollonio)
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Natur als Klassenzimmer

In der neuen Imagine Montessori Schule im spanischen Paterna wird in und von der Natur gelernt: Aus Lehm und Holz gebaut und von Wald umgeben, ist die von Gradoli & Sanz Arquitectes konzipierte Anlage selbst Teil der vor Ort gebotenen Lernerfahrung.

Es hat schon was, statt auf Asphalt auf erhöhten Holzstegen in die Schule zu gehen. Mitten durch einen Kiefernwald – abseits von Mauern und Straßen. Und auf ein Lerngebäude zu, das eher einem spannenden Feriencamp ähnelt als einem Ort, an dem es stillzusitzen gilt. Kurzum: Das spanische Büro Gradoli & Sanz Arquitectes hat mit der neuen Imagine Montessori Schule in Paterna, Valencia, einen außergewöhnlichen Bildungsbau designt. Einen, der die Natur als primäres Klassenzimmer nützt und selbst ganz einfach demonstriert, welch angenehme Räume nachhaltiges Bauen schafft.

Freiraum für Lern-Lust

Das von Wald umgebene Gelände der Schule liegt zwischen Wohnhäusern und der Schlucht En Dolca. Der Zugang wurde bewusst nicht der Stadt, sondern der natürlichen Landschaft zugewandt. Außerdem haben die Architekten auf ein Tor verzichtet, um den sonst meist typischen, abrupten Übergang von Frei- zu Lernzeit zu vermeiden.

Imagine Montessori Schule: Lernen von und in lebendiger Natur. (Bild: Mariela Apollonio)
Imagine Montessori Schule: Lernen von und in lebendiger Natur.

Nachhaltigkeit zum Anfassen: Die Anlage wurde aus Lehm und Holz errichtet. (Bild: Mariela Apollonio)
Nachhaltigkeit zum Anfassen: Die Anlage besteht aus Lehm und Holz.

Die fließende „S“-Form des Gebäudes ergibt zwei weitläufige Außenbereiche, die zum Lernen und Spielen gedacht sind: Im Westen dient ein einladender Platz als Haupteingang, während sich im Osten ein Spielplatz in die Natur erstreckt. Diese Anordnung stellt sicher, dass jedes Klassenzimmer zu Schlucht und Kiefernwald hin ausgerichtet ist. So ist auch für ständige visuelle Verbindung zur Natur gesorgt – also zum eigentlichen Mittelpunkt der Schule.

Lehrmittel „Umwelt“

Lehrerpulte und Tafeln sucht man in der Imagine Montessori Schule vergeblich. Als Haupt-Lernraum fungiert die Landschaft. Die Klassenzimmer sind in fünf verschiedene Zonen unterteilt, in denen sich die Schüler je nach ihren Interessen und Bedürfnissen frei bewegen können: Ein Bereich für die Sinne, einer fürs „Praktische“ und einer für Kulturwissenschaften, sowie ein Sprach- und ein Mathematik-Bereich stehen zur Wahl.

Der Neubau wurde speziell auf die Bedürnisse der Schüler zugeschnitten. (Bild: Mariela Apollonio)
Der Neubau wurde speziell auf die Bedürnisse der Schüler zugeschnitten.

Kindergerechte Wohlfühlzonen gibt es sowohl drinnen, als auch im Freien. (Bild: Mariela Apollonio)
Kindergerechte Wohlfühlzonen gibt es sowohl drinnen, als auch im Freien.

Jeder Klassenraum verfügt über ein Entrée mit Schließfächern und Bänken, wo Schuhe und Oberbekleidung deponiert werden können. Dein Eingang markiert ein in kindergerechter Größe angelegter Bogen, der den Übergang in den Lernraum einladend gestalten soll. Und im Inneren sorgt ein zentraler, dreifach hoher Sonnenkamin für natürliches Licht, Belüftung und verbindende Durchsicht zwischen den Klassenräumen.

Kinderwünsche, wahr gemacht

Die Klassenzimmer sind rund um einen gemeinsamen Raum angelegt, der mehr ist als ein bloßer Korridor: Verbreiterte Bereiche, Nischen, Balkone und Gehwege mit Blick auf den Spielplatz machen ihn zum Ort der Begegnung, des Arbeitens und Spielens. Zudem sind alle Räume des Neubaus in kindgerechtem Maßstab gestaltet: Lofts über den Sanitäranlagen, Verstecke unter Treppenabsätzen und boden-nahe Fensterplätze sind bewusst als „Kinder-Zonen“ konzipiert. Als kleine „Extra-Welt“, in die Erwachsene nicht passen.

Die von Gradoli Sanz Arquitectes designte Imagine Montessori Schule im spanischen Paterna. (Bild: Mariela Apollonio)

Die von Gradoli Sanz Arquitectes designte Imagine Montessori Schule im spanischen Paterna. (Bild: Mariela Apollonio)

Über zu wenig Möglichkeit, sich im Freien aufzuhalten, können die Schüler der neuen Imagine Montessori Schule keinesfalls klagen: Jedes Klassenzimmer hat seine eigene, überdachte Terrasse, ein kleines Amphitheater, einen Wasserbrunnen und einen Laubbaum. Passt das Wetter, steht Outdoor-Freuden also nichts im Weg. Und der Baum, der sich mit den Jahreszeiten wandelt, wird auch gleich als lebendiges Anschauungsobjekt genützt.

Lebendig statt „gepflegt“

Ähnliches gilt in Sachen Landschaftsarchitektur. Schließlich sollen Interaktion mit der Natur und spielerisches Lernen natürlicher Prozesse gefördert werden. Deshalb haben die Planer den östlichen Spielplatz, die westlichen Terrassen und den Kiefernwald auf der anderen Seite der Schlucht nicht in gepflegte Gärten verwandelt. Statt kunstvollen Beeten und stets gemähten Wiesen dominieren dort Wurzeln, Äste, wilder Spargel im Frühling und Pilze im Herbst.

Viel Platz für „Abenteuer“: Statt auf kunstvolle Beete und klassische Sportplätze setzt die Imagine Montessori Schule auf  naturbelassene Landschaft. (Bild: Mariela Apollonio)
Viel Platz für „Abenteuer“: Statt auf kunstvolle Beete und klassische Sportplätze setzt die Imagine Montessori Schule auf naturbelassene Landschaft.

Traditionelle Sportplätze oder Fußballfelder fehlen auf dem insgesamt 4.556 Quadratmeter großen Areal der Anlage komplett. Die Landschaft selbst ist es, die für kindergerecht interessante, integrative Spielumgebung sorgt. Natürliche Hänge des Geländes werden zu Rampen, Rutschen, Treppen, Kletterwänden, Höhlen und Verstecken. Und bei Starkregen mutiert die Schlucht zur Bühne, die anschaulich macht, wie dramatisch Wasser das Land vor den Augen der Schüler umgestaltet.

Nachhaltigkeit zum Anfassen

Der umweltfreundliche Schulbau wurde ausschließlich aus gebranntem Lehm und Holz errichtet. Wie schön rauer Lehm sein kann, offenbaren tragende, 60 Zentimeter dicke Wände aus Lochziegel sowie Gewölbe und Bögen aus Vollziegel. Und Holz wurde in der gesamten, 2.298 Quadratmeter Nutzfläche umfassenden Struktur verwendet: In Dachpaneelen, inneren und äußeren Trennwänden, Böden, Möbeln und Tischlerarbeiten.

Natur als Klassenzimmer: Die neue Schule in Paterna wurde aus Holz und Lehm gebaut. (Bild: Mariela Apollonio)

Natur als Klassenzimmer: Die neue Schule in Paterna wurde aus Holz und Lehm gebaut. (Bild: Mariela Apollonio)

Den Einsatz von Beton hat das Gradolí & Sanz Arquitectes Team auf das Fundament beschränkt. Und Stahl findet sich ausschließlich in manchen Säulen und Geländern. Die Gebäude der Imagine Montessori Schule kommen ohne Zwischendecken oder Verkleidungen aus. Nichts wurde „verborgen“. Dass freiliegender Ziegel als Struktur, Trennwand und Abschluss verwendet wurde, bringt dessen natürliche Textur und schöne Unvollkommenheiten zur Geltung.

Schulbau als Lernobjekt

Die Idee dahinter: Die Schüler sollen umweltfreundliche Architektur und nachhaltige Materialien sehen, spüren und anfassen können, statt nur im Unterricht davon zu hören.

Auch die Tatsache, dass die mechanischen und elektrischen Systeme des Gebäudes sichtbar geblieben sind, erfüllt einen edukativen Zweck. Denn so können die Schüler betrachten und nachvollziehen, wie das Bauwerk und dessen Haustechnik funktionieren.

Auf dem begrünten Dach der Imagine Montessori Schule und ringsum zeigt sich der Lauf der Jahreszeiten. (Bild: Mariela Apollonio)
Auch auf dem begrünten Dach und ringsum zeigt sich der Lauf der Jahreszeiten.

Die Schüler haben in der Anlage viele Möglichkeiten zum Spielen und gemeinsam Lernen. (Bild: Mariela Apollonio)
Die Schüler haben in der Anlage viele Möglichkeiten zum Spielen und gemeinsam Lernen.

Eine weitere bauliche Maßnahme, die zur Nachhaltigkeit der Anlage beiträgt, ruht direkt über den Köpfen der Kinder: Die Imagine Montessori Schule wird von einem Gründach überspannt, das schräg nach unten abfällt und in einen Zaun mündet. Die elegant geschwungene Konstruktion schützt vor Hitze und Regen, verbessert die thermische Leistung des Neubaus und fügt sich harmonisch in die umliegende Landschaft ein.

Zukunftsmodell Imagine Montessori Schule

Dass Bildungsbauten mit „gewissem Extra“ viel bewirken können, weil sie Interesse wecken, liegt auf der Hand. Von großem Vorteil also, wenn Nachhaltigkeit zentrales Thema ist. Schließlich spielen die Absolventen eine gewichtige Rolle in allem, was die Zukunft bringt. Projekte wie das UBC Gateway Gebäude der University of British Columbia in Vancouver oder der energieneutrale Massivholz-Neubau der Universität Tilburg leisten also viel für ein gutes Morgen.

Zum Spüren und Verstehen gemacht: Im neuen Schulgebäude dominieren Holz, roh belassener Ziegel und unverdeckte Haustechnik. (Bild: Mariela Apollonio)
Zum Spüren und Verstehen gemacht: Im neuen Schulgebäude dominieren Holz, roh belassener Ziegel und unverdeckte Haustechnik.

Umso besser, schon als Schulkind zu erleben und zu lernen, wie sich Natur bewahren und zugleich umwelt- und menschenfreundliche Gebäude schaffen lassen. Konzepte wie jenes des Büros Gradolí & Sanz Arquitectes für die neue Anlage in Paterna legen den Grundstein dafür – und sind geeignet, ihrerseits auch andernorts Schule zu machen.

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Mariela Apollonio / Gradoli & Sanz Arquitectes

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