Manhattan erfindet sich neu
Die „Hudson Yards“ sind das größte und teuerste nicht-öffentliche Bauprojekt in der Geschichte der USA. Der spektakuläre Gebäudekomplex ist ebenso gigantisch wie umstritten.
Im Westen Manhattans am Hudson River entsteht eine „kleine“ Stadt in der City of Cities. Auf dem elf Hektar großen Areal waren bis 2012 lediglich ausrangierte Züge geparkt. Jetzt wachsen unweit der Penn Station die spektakulären, kantigen, runden und ovalen Wolkenkratzer der „Hudson Yards“ zusammen und in die Höhe. Von internationalen Stararchitekten wie Sir Norman Foster oder dem New Yorker Trio Kohn, Pederson, Fox entworfen, sollen sie ganz New York neue Impulse geben. Gigantische Büroetagen, 4.000 Luxus-Wohnungen, Hotels, eine Schule, über 100 Shops und zahlreiche Restaurants werden hier bis 2025 neue Arbeits-, Lebens- und Freizeit-Räume schaffen.
Gigantischer Schnabel in 335 Metern Höhe
Landmark des neuen Stadtquartiers ist ein 395 Meter hoher Tower mit der klangvollen Adresse 30 Hudson Yards. Ein spektakuläres Detail des Wolkenkratzers macht schon jetzt von sich reden. In der schwindelnden Höhe von 335 Metern ragt eine dreieckige Aussichtsplattform wie ein gigantischer Schnabel rund 20 Meter weit in den Himmel über Manhattan. Die schon jetzt sehr merkfähig „Edge“ genannte Attraktion erstreckt sich über die 100. und 101. Etage. Sie ist die fünfthöchste Outdoor-Aussichtsplattform der Welt – und die erste dieser Art in New York City. Die neue Attraktion für „locals“ und für Touristen aus aller Welt verspricht eine unvergessliche Aussicht über ganz Manhattan, in den Westen New Jerseys und den Bundestaat New York. Vorausgesetzt, man schätzt, dass der Boden unter den Füssen aus Glas ist und auch den jähen Blick nach unten freigibt!
New Yorks´s Staircase
Im März 2019 konnten einige erste Eröffnungen gefeiert werden. Das Shopping-Center mit zahlreichen Flagship-Stores begehrter Marken, mehrere Restaurants und ein Park werden bereits rege frequentiert. Auch das „Hudson Yards Vessel“ des britischen Künstlers Thomas Heatherwick ist in kürzester Zeit zur Attraktion geworden. Die 45 Meter hohe, bienenwabenförmig angelegte Fusion aus Gebäude, Kunstwerk und Monument in der Nähe des High Line Parks ist ein echter Blickfang und sticht deutlich aus den umliegenden Bauten heraus. „New Yorks’s Staircase“, wie die Einheimischen liebevoll sagen, lädt auf kunstvoll miteinander verbundenen Treppen mit insgesamt 2.500 Stufen und einer Rolltreppe zum kostenlosen Flanieren in luftiger Höhe ein.
High-Tech Kunst-Tempel
New Yorker schätzen bekanntlich ihre Stadt und auch deren Kultur. So wundert es kaum, dass reiche Kunstliebhaber den Hudson Yards eine neue, architektonisch aufsehenerregende Halle spendierten. „The Shed“, zu Deutsch „Der Schuppen“, hatte bis zu der Eröffnung im April 2019 mehr als 500 Millionen Dollar an Entwicklungs- und Baukosten verschlungen. Ein recht teurer Schuppen also, der aber mit allem aufwartet, was sich Kulturschaffende und Ausstellungsmacher erträumen können. Großzügige Veranstaltungsräume auf insgesamt acht Stockwerken, eine ausfahrbare fast 40 Meter hohe Außenhülle, Platz für bis zu 3000 Zuschauer und modernste Bühnentechnik samt Glasfaser-Internet, um nur einige der Features zu nennen.Schauspiel und Tanz, Bildende Kunst und die Pop Kultur insgesamt finden hier ein neues Epizentrum. Auch wenn die „New York Times“ etwas flapsig von einem „Hangar mit Daunendecke“ sprach, kann „The Shed“ selbst als Kunstwerk betrachtet werden.
Ein eigenes Bild machen
Das Hudson Yard Projekt ist ebenso imposant wie umstritten. Die einen sehen in ihm eine dringend notwendige Job-Maschine und Aufwertung Manhattans nach dem 9/11 Trauma und der Wirtschaftskrise. Die anderen betrachten es als ein weiteres Renommier-Projekt mit keinem wirklichen Nutzen für weniger begüterte New Yorker. Diese Meinungsverschiedenheit wird die Lokalpolitik und die Presse der Stadt sicherlich noch eine Weile in Atem halten. Als Besucher kann man sich vor Ort vergleichsweise günstig ein eigenes Bild machen. Man muss ja nicht gleich ein Büro mieten oder eine Wohnung kaufen.
Text: Tobias Sckaer, Bilder: gettyimages