Hovey Residence, Architektur, Interior Design und Landschaftsgestaltung aus einer Hand von 1628 inc.
#architektur

Koexistenz verschiedener Zeiten und Stile

Hovey Residence ist ein Beispiel für das nachhaltige Bauen im Bestand. Das kanadische Architekturbüro 1628 inc. hat das Gebäude revitalisiert und nachverdichtet, und dabei auch noch nachhaltige Bautechniken umgesetzt.

Das Architekturbüro 1628 inc. hat das Haus im Ranch-Stil der 1970er Jahre zu neuem Leben erweckt und dabei diese Typologie in neuer Form wiederaufleben lassen. Ein fast vergessenes Gebäude im kanadischen Quebec ist nun moderner Zufluchtsort für die kunstbegeisterten Besitzer und deren Großfamilie. Mit der Hovey Residence wurde Ästhetik, Funktionalität und ökologische Verantwortung in Einklang gebracht.

Der Eingangsbereich zur Hovey Residence
Der Eingangsbereich zur Hovey Residence in Quebec.

Eingangsbereich mit japanisch anmutendem Garten
Japanisch anmutender Garten im Innenhof.

Der Begriff Ranch ist vor allem in englischsprachigen Ländern wie in den USA, in Kanada, in Südafrika, in Australien und in Neuseeland sowie in Teilen Südamerikas gebräuchlich. Ranches fand und findet man häufig auf Flächen, die auf Viehzucht spezialisiert sind. Sie liegen vor allem in Gebieten, die sich wegen zu hoher Trockenheit nicht für Ackerbau eignen.

Neuinterpretation des Ranch-House-Stil

Die ersten Ranch-Style Houses in den USA und in Kanada wurden ab den 1920er Jahren gebaut. Ihre Blütezeit erlebten sie wohl in den 1950er und 1960er Jahren, als zunehmend Vorstädte für die Generation der geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge entstanden. Das grundsätzliche Baukonzept – einstöckiges Haus mit einem einfachen Bauplan – traf damals den Nerv der Zeit und war für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich.

Hovey Residence, 1628 inc., Kanada, Quebec
Das von 1628 inc. transformierte Wohnhaus für eine Großfamilie ist ein überzeugendes Beispiel dafür, wie Tradition und Moderne nahtlos ineinander übergehen.

Neben der eingeschossigen Bauweise wiesen derartige Ranches oft eine asymmetrische Bauform auf, häufig L-förmig, mit der Garage als Anbau. In der Regel wurden sie als einfache Holzkonstruktion errichtet. Sie kamen dann aus der Mode, weil sie vielfach als zu einfach und schlicht im Design erachtet wurden. Deshalb wurden sie später um Gestaltungselemente wie verschiedene Dachlinien, Kathedralendecken und Räume auf zwei oder versenkten Ebenen erweitert. Dennoch bevorzugten die meisten Familien in den 1980er und 1990er Jahren andere Baustile, wie etwa den Kolonial-Stil.

Erneuerung bei gleichzeitigem Substanzerhalt

Beim Projekt Hovey Residence jedenfalls wollte man im Sinne der Nachhaltigkeit die bestehende Substanz erhalten. Zumal der Abriss dazu gezwungen hätte, den Neubau nach unten zu verlegen, was gebäudetechnisch ungünstig gewesen wäre. Die Holzstruktur des Hauses wurde entkernt und konsolidiert. Die Türen und Fenster wurden ersetzt.

Interessante Promenadengestaltung für die Hovey Residence in Quebec
Erst weiter unten, im unteren Teil des Grundstücks mit Hanglage, sieht man, wie groß Hovey Residence wirklich ist.

Durch die sorgfältige Renovierung verfügt das Haus nun über Low-E-Thermo- und Dreifachverglasung. Low-E-Glas oder Low-Emissivity-Verglasung hilft, Energieverluste über Fenster und Fassaden zu minimieren. Durch Aufbringen einer hauchdünnen Metallschicht von etwa 100 Nanometer reduziert das Isolierglas die Wärmeabstrahlung.

Besser als die geltenden Normen für Energieeffizienz

Die Isolierung der Gebäudehülle wurde vollständig erneuert, um die geltenden Normen für Energieeffizienz sogar zu übertreffen – angesichts des rauen Klimas des Standorts ist dies von Vorteil. Zudem wird Hovey Residence ausschließlich mit Wasserkraft betrieben und beheizt. Auch hier setzt 1628 inc. Standards für umweltbewusstes Wohnen. Der angenehme Nebeneffekt, da das Haus an einem See im Südosten von Quebec in Kanada für eine große Familie geplant wurde: So bleiben auch die Betriebskosten niedrig.

Es wurde viel Wert auf Nachhaltigkeit gelegt
Architekturbüro und Bewohner haben viel Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. Das Ensemble ist durch ein interessant gestaltetes Wege- und Promenadennetz miteinander verbunden.

Der Entwurf von 1628 inc. verbindet also geschickt die ursprünglichen architektonischen Elemente mit modernen Verbesserungen und Annehmlichkeiten. So respektiert man die historischen Wurzeln und schafft doch etwas Neues, das den heutigen Bedürfnissen entspricht.

Gleichwohl bringt die Renovierung eine Reihe von Änderungen und Erweiterungen mit sich. Das Studio 1628 inc. zeichnet dabei sowohl für die Architektur, die Innenarchitektur als auch die Gartengestaltung verantwortlich.

Der Weg führt bis ganz hinunter an den See. Davor befinden sich zwei Pavillons
Der Weg führt bis ganz hinunter an den See. Davor befinden sich zwei Pavillons, einer ist zum Verweilen gedacht, der andere dient als Stauraum für Kanus und Kajaks.

Die Lage des Grundstücks an einem steilen Hang und die örtlichen Bauvorschriften ließen nur wenige Möglichkeiten für eine Erweiterung zu. Man einigte sich darauf, die Erweiterung am höchsten Punkt des Geländes vorzunehmen, um die Lage und den Blick auf den See optimal zu nutzen.

Eine räumliche Illusion

Das Team von 1628 inc. entschied sich dafür, den Hauptteil der Erweiterungsbauten von der bestehenden Struktur abgelöst zu betrachten. So entsteht auf der Straßenseite die Illusion zweier unterschiedlicher Gebäude, während eine freitragende Fußgängerbrücke sie auf der Seeseite harmonisch miteinander verbindet. Die alten Teile der Residenz gehen nahtlos in die neuen über.

Promenade läuft dem Ensemble fast den Rang ab

Die sorgfältig geplante Außentreppe aus Beton ist sowohl funktional als auch ästhetisch ansprechend. Diese skulpturale Treppe verläuft entlang einer der Stützmauern und wird zu einem Promenadenelement. Sie verbindet die Terrassen des unteren Geschosses mit dem darunter liegenden seeseitigen Grundstück. Die Stützmauern wurden aus Ökobeton errichtet – auch in Anlehnung an die hölzernen Stützmauern, die an der Basis des ursprünglichen Hauses erhalten geblieben sind. Viele in diese Mauern integrierte Pflanzkästen wiederum sind mit Blumen und Sträuchern bestückt.

Hovey Residence wurde um zahlreiche Balkone und Terrassen und Anbauten erweitert
Hovey Residence wurde um zahlreiche Balkone, Terrassen und Anbauten erweitert.

Der überdachte Holzsteg verbindet die beiden Baukörper auf Erdgeschossniveau. Er dient ebenfalls als Promenade – aber auch als Aussichtsplattform. Der Steg endet in einer Auskragung, von wo aus man einen phänomenalen Blick auf die Landschaft und den ruhigen See hat. Unter der Promenade wird die Verbindung der Baukörper durch einen gläsernen Korridor hergestellt. Insgesamt durchzieht das gut durchdachte Netz von Wegen und Schiefertreppen das gesamte Gelände.

Es war allen Beteiligten wichtig, das bestehende Gebäude einzubinden, seine Stärken zu betonen und gleichzeitig seine Schwächen zu überwinden, um so ein kohärentes und einzigartiges Ganzes zu schaffen.

Annie Charest, Designerin und CEO von 1628 inc.

Trotz der Reihe von Anbauten an den Altbau wirkt das veränderte Volumen straßenseitig nicht zu massiv. Vereinzelt angebrachte Balkone und Terrassen betonen das Waagrechte der Komposition. Und sie schaffen ein Gegengewicht zur Höhe des sich dem Gelände anpassenden steilen Gebäudes. Das leicht gedrehte Schrägdach bricht die Linearität der Komposition ein wenig auf.

Wegenetz mit spezieller Bepflanzung und Beleuchtung

Jeder der Wege wird durch ein spezielles Beleuchtungsdesign akzentuiert. Die zwei Pavillons in Ufernähe dienen einerseits als überdachte Terrasse, andererseits als Stauraum für diverse Wasserfahrzeuge, wie Kanus und Kajaks.

Rundherum haben die Gartengestalter von 1628 inc. einheimische Pflanzen ausgewählt. Entlang der „Uferpromenade“, die die Besucher zum See führt, wurden Hemlock- beziehungsweise Schierlingstannen gesetzt.

Die Inneneinrichtung ist angenehm minimal gehalten: Wenige Materialien, viel helles Holz und weiße Wände und Decken
Die Inneneinrichtung ist angenehm minimalistisch gehalten: Wenige Materialien, viel helles Holz und weiße Wände und Decken.

Große Fenster und Kathedralendecken schaffen eine stimmige Wohlfühl-Wohnatmosphäre.

Die zwei Baukörper sind mit dunkelbraunem Holz verkleidet – eine Anspielung auf die traditionellen Materialien der Region. Über einen geschützten Innenhof, der mit einem japanisch inspirierten Garten geschmückt ist, betritt man den ursprünglichen Flügel. In diesem liegen die Hauptwohnräume, die Master-Suite und ein Büro.

Unter einer Master-Suite versteht man ein – meist luxuriöses und geräumiges – Schlafzimmer, das oft über ein eigenes Badezimmer und andere Annehmlichkeiten wie Sitzecke oder begehbaren Kleiderschrank oder sogar Ankleidezimmer verfügt.

Modernisierte Kathedraldecken als Stilelement

Die Planer haben in diesem Geschoss die vorhandene Kathedraldecke überarbeitet. Auch der ursprüngliche Feldsteinkamin wurde modernisiert, indem man Stahlrahmen in die Steinverkleidung eingesetzt hat. So hat man Sichtfenster geschaffen, die den Blick auf die Originalsteine freigeben. Am Fuß des Kamins wurde eine Stufe aus Ökobeton eingelassen, die an den im Freien verwendeten Beton erinnert.

Eine der Master-Suiten in der Hovey Residence
Von den beiden Master-Suiten gelangt man jeweils auf eine großzügige Terrasse.

Eine der Master-Suiten in der Hovey Residence
1628 inc. zeichnet auch für das Interior Design verantwortlich. Die Wahl fiel auf Ahorn für die Möbel.

Die Wohnräume öffnen sich zu einer großen Balkonterrasse. Im Büro greifen die Kathedraldecken die Design-Sprache der Hauptwohnräume auf. Die großen Fenster lassen das Büro optisch über der Landschaft schweben. Ein angeschlossener Balkon vervollständigt den Arbeitsbereich.

Minimale Materialpalette

Die untere Ebene des ursprünglichen Flügels ist über die zentrale Innentreppe zugänglich. Diese Ebene wurde völlig neu gestaltet, um sie einladend und hell zu machen. Auf dieser Etage befinden sich Gästezimmer sowie Sanitär- und Technikräume. Unter dem Hauptbalkon lädt der Spa-Bereich im Anbau, ein großteils verglaster Raum, dazu ein, mit Blick in die Landschaft zu entspannen.

Ganz unten im Erweiterungsbau haben eine zweite Master-Suite sowie eine Garage Platz. Vom Schlafzimmer aus gelangt man zu einer großen Holzterrasse mit einem Außenkamin.

Büro in der Hovey Residence
Das Büro punktet mit einer Kathedraldecke, dem klaren Design und der raumhohen Low-E-Thermo-Verglasung.

Ein minimalistisches Design prägt das Innere der Hovey Residence. Der Schwerpunkt liegt auf den offenen Räumen und dem natürlichem Licht. Durch dieses kommen die Böden aus kanadischer Weißeiche und die Gipswände erst so richtig zur Geltung. Diese und auch die Decken sind weiß gestrichen. Vor diesem neutralen Hintergrund ziehen die modernistischen Möbel und Kunstwerke im Haus die Blicke automatisch auf sich.

Fließendes Wohnerlebnis

Auch die Keramiken sind in Weiß- und Beigetönen gehalten. Die Wandpaneele, die Einbaumöbel und einige Türen sind aus natürlichem Ahorn. Die Innentüren sind schlicht, die Beschläge sind dezent und elegant.

Der Spa-Bereich mit Blick auf den See lädt zum Entspannen ein
Der Spa-Bereich mit Blick auf den See lädt zum Entspannen ein. Der freitragende Steg, der höchste Punkt des Hauses, projiziert die Besucher in die Landschaft.

Das gesamte integrierte Mobiliar wurde von 1628 inc. für einen schlichten und zeitlosen Stil gewählt. Die diskrete und elegante Beleuchtung vervollständigt das Gesamtbild. Durch die Ruhe des Interior Designs schafft man auch eine Art fließendes Wohnerlebnis – den Eindruck, dass jeder Raum nahtlos in den nächsten übergeht.

Über 1628 inc.

1628 ist ein kanadisches Kreativunternehmen in den Bereichen Architektur, Design und Gartengestaltung. Es wurde 1998 von François Parenteau und Annie Charest gegründet. Das Studio übernimmt Aufträge aus Wohnen, Industrie und Handel, sowohl lokaler als auch internationaler Auftraggeber.

Text: Linda Benkö
Pixel Nord, Stéphane Groleau

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