Design für kreativen Austausch
Nicht nur das übergroße Sofa im „House of Communication” signalisiert, worum es hier geht. Das ureigenste Bedürfnis des Menschen, das im Fall von Serviceplan gleichzeitig Geschäftszweck ist, wurde vom Büro Henn in den Mittelpunkt gerückt.
Man mag es kaum glauben … aber ausgerechnet in der Branche Medien und Kommunikation kommt die Kommunikation zwischen den dort Arbeitenden manches Mal zu kurz. Dies dürfte in dem neuen House of Communication der Serviceplan Group der Ausnahmefall sein – was nicht zuletzt an dem einladenden, riesigen, orangeroten Sofa von Blå Station gleich in der Lobby des neuen Bürostandorts liegt.
30 Meter langes, orangerotes Sofa
Das Möbel ist dreißig Meter lang; man kann sich ausrechnen, dass dort mindestens an die 100 Personen sitzen können – nebeneinander.
Nach 22 Jahren hat die größte inhabergeführte Werbeagenturgruppe Europas ein neues Kapitel aufgeschlagen. Sie hat sich nicht nur für einen neuen Standort entschieden, sondern auch gleich für eine komplett neue Welt des Arbeitens für die rund 40 Agenturen, die sich unter dem Serviceplan-Dach vereinen.
House of Communication: Moderner New Work-Komplex
Unterstützen soll dies die offene Architektur, die ein modernes, eigenverantwortliches, kollaboratives und integriertes Arbeiten ermöglicht und auf die individuellen Bedürfnisse der rund 1.700 Mitarbeitenden abgestimmt ist. Auf 40.000 Quadratmetern Fläche entfaltet sich für die Belegschaften eine spannende New Work-Atmosphäre.
Der Entwurf des bereits fertig gestellten Gebäudes stammt aus der Feder des deutschen Büros RKW Architektur+, für die Fassade zeichnet das Büro Kaan Architecten aus Rotterdam verantwortlich, Bauherr ist die R&S Immobilienmanagement GmbH.
Verbindendes Design plus visuelle Identität
Das House of Communication besteht aus drei einzelnen Baukörpern, die über einen Glasgang im ersten Obergeschoss verbunden sind und so ein zusammenhängendes Gebilde aus flexiblen und nutzerorientierten Arbeitswelten formen.
Die offene Fassadenstruktur mit vorgelagerter Betonfertigteil-Fassade, großzügige Fensterfronten, Loggien, Balkone sowie die viereinhalb Meter hohen Decken machen diese Architektur zu etwas Besonderem. Auf dieser Basis entwickelten die Planenden von Henn das Interior-Design des House of Communication.
Henn hat mit dem „verbindenden Design eine visuelle Identität geschaffen und die integrierte Arbeitsweise in Raum übersetzt”, wie es heißt. Kommunikation und Kollaboration werden dadurch im House of Communication in München maßgeblich unterstützt.
„Innovation Track” als Highlight
Wesentliches Highlight ist der Innovation Track, der bereits erwähnte Glasgang. Der iTrack ist die zentrale Achse, die gleich beim Haupteingang des nördlichsten Baukörpers startet. Über eine sechs Meter breite Treppe im Eingangsbereich führt diese Magistrale auf Höhe des ersten Obergeschosses durch alle Gebäudeteile und verbindet die offenen Bereiche auf unkomplizierte Weise. Die Lichtinstallation hoch oben begleitet diese Leitlinie.
Die Freitreppen in den beiden äußeren Häusern dienen als interner Treffpunkt und für Events. An diese Zentren docken die offenen und recht frei nutzbaren Etagen an. Die Struktur und die vielen Verglasungen schaffen viele Begegnungsmöglichkeiten und Sichtbeziehungen.
Ergänzende Hingucker
Eine verbindende Wirkung übt zudem die einheitliche Formensprache und Farbgebung aus: Über alle Bereiche und Agenturen hinweg wurden klare Geometrien sowie eine monochrome Palette in Schwarz, Weiß und Grau eingesetzt.
Die Oberflächen der verwendeten Materialien sind nur geringfügig behandelt. Dazu zählen etwa roher Stahl, Gitterroste und gebeiztes Holz. Die Statement-Möbel und -Designakzente bringen mit ihren leuchtenden Farben und reflektierenden Strukturen Abwechslung hinein.
Kunst, Kaffee und Kantine
Im ersten Obergeschoß befinden sich, neben den mit Glaswänden abgetrennten Büroräumlichkeiten, Kaffee-Bars und … viele Kunststücke. Belegschaft und Kundschaft kommen in den Genuss digitaler Installationen und Teilen der privaten Kunstsammlungen der Firmeninhaber. Dem Vernehmen nach sollen Werken unter anderem von Anselm Kiefer, Georg Baselitz und Tony Cragg zu sehen sein.
Auch eine breitere Öffentlichkeit soll – im Rahmen von Kunstführungen und Veranstaltungen – Zugang erhalten.
Socializing an der langen Tafel
Nicht nur das Sofa im Erdgeschoß dient als Treffpunkt für „Socializing”. Auch die Kantine im zentralen Atriumbau ist ein beliebter Ort für Kontaktpflege und Vernetzung. Zumal sie mit einer lange Holztafel dotiert ist. Hier finden 80 Personen Platz. So haben die Mitarbeitenden der verschiedenen Agenturen reichlich Gelegenheit, um zusammenzukommen, zu diskutieren, Ideen auszutauschen.
Die Grundrisse in allen drei Baukörpern sind so organisiert, dass die Atrien von unterschiedlichsten Szenarien umgeben sind: Offene Bürobereiche für verschiedenste Anforderungen des Berufsalltags, geräumige Teeküchen oder Abschnitte für kollaboratives Arbeiten, informelle Meetings und Präsentationen.
„Cleaner Look” und kubische Formensprache
Ein moderner New-Work-Komplex, wie das House of Communication, bedarf durchdachter Konferenzbereiche. Außen rundherum sind – geschützt durch die Wände der Meetingräume – jene Arbeitsbereiche platziert, die mehr Ruhe erfordern, etwa separate Fokusräume, Telefon- und Videomeetingboxen. Und natürlich die Arbeitsbereiche der einzelnen Agenturen.
Die in Schwarz gehüllten Separees oder Fokusräume fördern durch ihre gewollte Schlichtheit die Konzentration und lassen so Raum für Kreativität. Kubische Formen unterstützen diesen cleanen Look.
Akustisch hochwirksame Stoffe
Anstelle üblicher Trennwände zwischen den Fokus-Spaces und den lebhafteren Bereichen wie den offenen Loft-Büros sorgen schallabsorbierende Wandstoffe von rohi sowie Deckenpaneele und akustisch dämpfende Filzvorhänge für den gewünschten Effekt.
Im Erdgeschoß des letzten Gebäudeteils im Süden findet sich ein großer Veranstaltungsraum. Die Räumlichkeiten der Obergeschosse dienen in erster Linie als Co-Working-Stationen.
Revival des legendären „Polizeistuhls”
Gemeinsam mit kleinen lokalen Betrieben hat Henn eigens für den Kreativcampus neben weiteren Möbeln auch Textilien entwerfen lassen und gestaltet. So wurde eine Design-Ikone der 1950er-Jahre, der „Polizeistuhl”, mit dem die örtlichen Polizeidienststellen ausgestattet waren, von MalscherSitzMöbel neu aufgelegt und zu einer Möbelserie erweitert.
Passend dazu ist ein flexibles Regalsystem entworfen worden, das auch als multifunktionaler Raumteiler dient. Die schwarzen, textilen Wandbespannungen mit weißem Quadratraster greifen die Formensprache der geometrischen Fassade auf.
Lichtteppich und Wände mit abgestimmter Typografie
Buchstaben, Zahlen und Zeichen sind das Um und Auf für gelungene Kommunikation und Agenturarbeit. Neben der Lichtinstallation hat das Büro uebele für visuelle Kommunikation die Typografie an der Wand – sowohl geschwungen als auch kantig – eigens für den Campus der Serviceplan Group entwickelt.
Schriftart, Zeichen, Pfeile und Symbole der Signaletik bieten im gesamten Komplex an Stützen und Wänden Orientierung. Der Lichtteppich, der klassischen Neonreklame nachempfunden, ist dabei das wichtigste Element der Wegweisung. Nicht weniger als über 130 Meter erstreckt sich die erhellende und 5,80 Meter breite Installation, die so weithin sichtbar ist.
Alles ist aufeinander abgestimmt: Da, wo es dazupasst, bestehen die Sitzgelegenheiten aus runden, mit grünem Stoff von Maharam bezogenen Sitzhockern. Die Platten aus Eichefunier der runden Tische sind in harmonisierendem Grün gebeizt.
Insgesamt findet sich aber die quadratische Form sehr häufig wieder: In den Fliesen des Küchenblocks, in der Wand-Typografie sowie der Raumstütze. Die quadratischen Bistrostühle und Bistrotische in schwarz-gebeiztem Eichefurnier runden das kubistische Raumbild ab.
Das House of Communication ist Bestandteil des iCampus im neuen Werksviertel gegenüber des Münchener Ostbahnhofs. Auf dem ehemaligen Gelände der Pfanni-Werke entsteht auf einer Fläche von 120.000 Quadratmetern ein neues großes Stadtquartier. Das Stadtentwicklungsprojekt sieht einen Mix aus Wohnen, Arbeiten, Hotel, Kultur und Freizeit vor. Sieben unterschiedliche Konzepte verteilen sich auf zehn Gebäude.
Werksviertel heimst Deutschen Städtebaupreis ein
Mehr als zehn Projektentwickler und zahlreiche renommierte Architekturbüros haben mit dem „iCampus im Werksviertel“ und Werksviertel Mitte einen neuen Hotspot im Münchner Osten geschaffen.
Mit dem Deutschen Städtebaupreis kürt die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung alle zwei Jahre innovative Projekte, die das Stadtbild nachhaltig prägen.
Das Architektur- und Design-Büro Henn hat 2019 auch den neuen Hauptsitz für den Online-Mode-Anbieter Zalando in Berlin entworfen. Dieses Gebäudeensemble besteht aus rund 43.000 Quadratmetern Bürofläche, die sich auf zwei jeweils siebengeschossige Baukörper verteilt.
Text: Linda Benkö
Fotos: Mark Seelen | Seelen⁺; Henn (Pläne, Diagramme)