Cairn Architects haben in London ein echtes Hand-Werk geschaffen. Das House Made by Many Hands ist nicht nur ein durch und durch nachhaltiges Projekt, es basiert auf der Zusammenarbeit von Kunden und Architekturstudio.

Es ist ein fast poetisch klingender Name, den ein Projekt im Londoner Stadtbezirk Hackney erhalten hat. Und doch bezeichnet House Made by Many Hands in Wahrheit nur das, was den Umbau eines klassischen viktorianischen Wohnhauses tatsächlich ausmachte: Die Zusammenarbeit vieler Menschen sowie deren Hand-Werk im wahrsten Sinne des Wortes. Zudem ist der Name ein Synonym dafür, dass hier (neben einigem Neuem) auch viel Gebrauchtes drinnen steckt. Dinge, die bereits durch diverse Hände gegangenen sind.

Größer & heller

Aber der Reihe nach. Die auf vegane Gerichte spezialisierte Köchin Dora Taylor und ihr Lebensgefährte Danny Hubbard, ein Gärtner, hatten Cairn Architects beauftragt, ihr Eigenheim in Hackney neu zu gestalten. Auch das Studio ist im trendigen Bezirk zuhause, der sich in den letzten Jahren zum kreativen Hotspot Londons entwickelt hat – und kennt (und versteht) daher die Anliegen und Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung wohl ein wenig besser als manche „Externe“.

Front Hackney, London
Ein typisches Viktorianisches Reihenhaus in Hackney wurde zum House Made by Many Hands.

Der Auftrag bestand darin, das Haus größer, offener und heller zu machen – und das möglichst nachhaltig. „Indem wir die Verwendung von Stahl, Beton und Wandverkleidungen aus Gips minimiert haben, konnten wir gegenüber herkömmlicher Bauweise einen um 40 Prozent niedrigeren CO₂-Wert erreichen“, so Cairn Architects. „Unser Konzept basiert darauf, mit dem zu arbeiten, was bereits vorhanden ist, nur das Notwendigste neu einzuarbeiten und die Kosten gering zu halten.“

Nachhaltiger & günstiger

Um dieses Ziel zu erreichen, entschied man sich, den Anbau an das bestehende Gebäude mit Hanfkalk (auch als Hanfbeton bezeichnet) zu errichten. Ein Bioverbundwerkstoff, der als eine Mischung von Hanfschäben (Weichholz des Hanfstängels), Kalk und Wasser ein langlebiges, ökologisches Baumaterial darstellt und zudem eine hervorragende thermische und akustische Dämmwirkung aufweist.

House Made by Many Hands
Ohne Zwischenwände: Das Haus wurde offener, …

Blick zum Eingang
… heller und – durch Absenken des Bodens – sogar höher.

Darüber hinaus stellt das Projekt eine Premiere im Vereinigten Königreich dar. Erstmals wurde nämlich ein Bodenfundament aus LC3 (Limestone Calcined Clay Cement) hergestellt, einem neuartigen Zementtyp, bei dessen Produktion bis zu 30 Prozent weniger CO2 anfällt. Bei LC3 kann der Anteil an Portlandzementklinker erheblich verringert und mit 50 Prozent kalziniertem Ton und Kalkstein angereichert werden. Neben der CO₂-Reduktion fallen aufgrund der Verfügbarkeit der Bestandteile auch geringere Kosten an. Laut Studien zeichnen LC3 zudem die gleichen Eigenschaften wie „normaler“ Zement aus.

Persönlich & restauriert

Herzstück des Anbaus ist eine offene Küche – mit neuen Sichtachsen und mehr Tageslicht. Für dieses sorgen die errichtete Oberlichte ebenso wie die fehlenden Zwischenwände im Erdgeschoss. Sie wurden mitsamt den Türen beim Umbau entfernt.  Die bereits zuvor vorhandenen Ziegelsäulen geben nun im Zusammenspiel mit den neu errichteten Holzsäulen dem direkten Blick vom Eingangsbereich auf eine kleine Terrasse auf der Rückseite des Hauses den entsprechenden Rahmen.

Wand aus Hanfbeton
Der freiliegende Holzrahmen wurde von Hand, nein: von vielen Händen mit Hanfkalk gefüllt.

Durch die Absenkung des Bodenniveaus konnte man die Decke des Raumes im hinteren Hausteil quasi indirekt anheben. Beim Zubau wurde wiederum auf Innenverkleidungen der Wände verzichtet, die freiliegende Holzstruktur mit Hanfbeton gefüllt – wobei hier die namengebenden „vielen Hände“ zum Einsatz kamen. „Kunden und Architekten haben in einer gemeinsamen Aktivität den Beton von Hand gemischt und gegossen“, erzählen Cairn Architects. „Statt fossiler Energie kam menschliche Energie zum Einsatz.“

Geschoss 1 House Made by Many Hands
Der Zubau umfasst die Küche und ein Badezimmer.

Cairn Architects, Plan House Made by Many Hands
Die Neugestaltung ermöglichte auch die Errichtung einer Terrasse im ersten Stock.

Im ersten Stock des House Made by Many Hands wurde das Arbeitszimmer renoviert und mittels Glastür ein Zugang zu einer Dachterrasse auf der Rückseite des Grundstücks geschaffen. Nachhaltigkeit stand auch bei der Einrichtung im Fokus. Im gesamten Haus wurden alte Gegenstände entweder restauriert oder durch Second-Hand-Möbel ersetzt. Sogar der im Zubau neu verlegte Holzboden stammt aus einer aufgelassenen Polizeistation in der Londoner City.

Arbeitszimmer House Made by Many Hands, Cairn Architects
Das Arbeitszimmer mit (neuem) Terrassenzugang.

Küche
Herzstück des Zubaus: Die offene Küche.

„Schrottplätze und eBay wurden zu unseren Hauptlieferanten“, so Cairn Architects. „Die Kunden waren fest entschlossen, Neues nur dann zu verwenden, wenn es unvermeidlich war“. Mediterrane Deckenventilatoren aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts sowie renovierte Leuchten verleihen dem Haus nun einen eigenen Charakter. Ein Charakter, der offenbar Eindruck macht. Das House Made by Many Hands war eines von 16 Häusern, die für die Don’t Move, Improve!-Awards 2024 nominiert waren. Schließlich erhielt das Projekt den Environmental Leadership Prize.

Text: Michi Reichelt
Bilder: James Retief

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