Frivoler Eskapismus
Fransenlampen, berry-farbener Samt und grüner Marmor. Das Wiener Boutique-Hotel Die Josefine erteilt dem Minimalismus eine Absage. Wie die Gratwanderung zwischen burleskem Stilmix und zeitloser Grandezza gelungen ist, erklärt Architekt Daniel Hora im Interview.
Wir waren mitten in den Bauarbeiten, als Corona kam“, schildert Daniel Hora die Herausforderungen, mit denen alle Hotelprojekte in den letzten Jahren konfrontiert waren. Der Gründer des Wiener Architekturbüros Megatabs erstellte mit seinem Team die Pläne, nach denen aus dem ehemaligen Hotel Fürst Metternich das Boutique-Hotel Die Josefine wurde. Dem Barfly’s, einer Institution des Wiener Nachtlebens, haben die Designer ebenfalls ein gründliches Make-over verpasst.
Zwei Monate vor dem letzten Lockdown feierte man schließlich in der Esterházygasse im sechsten Wiener Gemeindebezirk die Eröffnung. Mittlerweile hat sich die Buchungslage stabilisiert und das flamboyante Interieur hat das Haus zur vielgebuchten Foto-Location gemacht. Was hinter dem Konzept steckt, und warum es in der Josefine nur maßgefertigtes Mobiliar gibt, verrät Architekt Daniel Hora im Interview mit dem ubm magazin.
Das Design erregt natürlich Aufmerksamkeit und polarisiert, auch weil es etwas riskiert und bewusst weggeht von diesem Minimalismus.
Daniel Hora, Architekt
Welche Vision steht hinter dem Hotel Josefine?
Daniel Hora: Die Vision war, ein Hotel zu entwerfen, in das man hineingeht und in eine andere Welt kommt. Es sollte ein Ort sein, wo man Zeit und Raum vergisst und immer wieder etwas Neues entdeckt. Gut beobachten kann man das bei einem Besuch in der Bar. Oft merkt man erst nachher, wenn man auf die Straße tritt, ob es noch Nacht oder schon Tag ist. Durch diese Farbgebung und die Führung durch das Hotel vergisst man wirklich die Zeit da drin. Das war im Grunde das übergeordnete Konzept dahinter.
Das heißt, Eskapismus in Reinkultur?
Ja, den Alltag vergessen und in eine andere Welt eintauchen – sich führen und leiten lassen und einfach die Zeit im Hotel genießen.
Es finden sich in der Einrichtung zahlreiche Referenzen an die Vergangenheit, ohne auf den klassischen Retro-Stil zu setzen. Welche Idee stand dahinter?
Wir haben viel in der Geschichte herumgegraben und zum Beispiel über Sigmund Freud nachgelesen, worüber sie diskutiert, und was sie in ihrer Freizeit gemacht haben. Diese Elemente sind ins Konzept mit eingeflossen. Wir wollten die letzten 100 Jahre aufnehmen, einfach auch, weil es der Bestand so hergegeben hat. Viele Bögen waren da oder wurden im Laufe der Umbauarbeiten freigelegt, und da hat sich das quasi aufgezwungen. Wir wollten eine Fantasiewelt schaffen. Die ehemalige Betreiberin des Hotels, Josephine de Bourblanc, kommt auch in dieser Geschichte vor, deshalb haben wir sie auch mit eingewoben.
Wie schafft man es trotz der vielen historischen Referenzen eine gewisse Zeitlosigkeit zu schaffen?
Das war uns von Anfang an sehr wichtig. Wir wollten von diesem Vintage weg und etwas Zeitloses schaffen, das die unterschiedlichen Epochen neu interpretiert und auch neu damit umgeht. Wir wollten keine alten Möbel verwenden oder irgendetwas Altes nachbauen, sondern etwas Neues schaffen, das trotzdem den Charme dieser Ära hat. Kurz gesagt: Wir wollten kein Lifestyle-Hotel machen, das nach fünf Jahren wieder out ist.
Wie sah das konkret in der Umsetzung aus?
Gewisse Dinge, wie das Stiegenhaus oder die Stuckelemente haben wir klassisch richtig gemacht. Die Architektur sind wir dann mit neuer Interpretation angegangen. Deshalb mussten wir auch alles selbst designen und von Hand fertigen lassen. Wir haben alle Lampen selbst entworfen, und in Budapest wurden sie dann für uns gebaut. Auch die Stühle sind eine von uns entwickelte Maßanfertigung. Wir haben das Bett selber kreiert und mit Halbbögen als Kopfteil gearbeitet. Das Wiener Geflecht zu verwenden war naheliegend, auch das haben wir neu interpretiert. Wir haben Elemente aus den Sixties und Seventies reingebracht, vor allem in der Phonothek, und immer wieder damit gespielt. Aber wir wollten niemandem etwas aufdrängen. Es liegt im Auge des Betrachters, was er sieht, und wie er es interpretiert.
Wir wollten von diesem Vintage weg und etwas Zeitloses schaffen, das die unterschiedlichen Epochen neu interpretiert.
Daniel Hora, Architekt
Und der Bauherr ist da immer mitgegangen?
Der Bauherr und auch der Betreiber Manfred Stallmajer haben uns Architekten arbeiten lassen, weil sie Vertrauen hatten. Sie sind mitgegangen, auch wenn es schwierig wurde. Es ist etwas Schönes entstanden, eben auch weil die Bauherren und Betreiber viele Sachen mit riskiert haben. Wir gehen bei unseren Projekten immer bis ins letzte Detail, denn erst das kleine Detail macht es stimmig. Auch für die Besucher, die das erste Mal kommen und sich wohlfühlen.
Was war der größte Eingriff ins klassische Hotel-Zimmer?
Wir haben überlegt, wie kann man mit relativ kleinen Zimmern umgehen? Die Antwort lag für uns darin, alles zu öffnen, und die Wände zum Bad und zum Vorraum wegzureißen. Manche Zimmer betritt man jetzt quasi durch das Bad und gelangt nahtlos ins Schlafzimmer. Durch diesen Trick wirken die Zimmer jetzt eher wie kompakte Suiten. Wir haben auch versucht, den strikten Raumzweck aufzuheben. Der Waschbereich etwa hat eine Doppelfunktion. Durch den drehbaren Spiegel wird er zum Schminktisch. Die Frage, ‚in welchem Raum bin ich?‘, wird dadurch überflüssig.
Das Barfly’s gilt als eine Institution im Wiener Nachtleben. Wie sind Sie damit umgegangen?
Der Bauherr und der Hotelbetreiber wollte das Barfly’s unbedingt halten. Die Betreiber der Bar sollten mit dabei sein und auch ihre Inputs geben, weil sich dadurch auch Synergien ergeben. Sie machen super Cocktails und das bereichert sich gegenseitig. Bei der Einrichtung haben wir viel mit runden Formen und Spiegeln gearbeitet. Dadurch hat man von jeder Position aus einen guten Überblick in der Bar. Gleichzeitig gibt es viele fantasievolle Details zu entdecken.
Wir wollten kein Lifestyle-Hotel machen, das nach fünf Jahren wieder out ist.
Daniel Hora, Architekt
Der Trend geht wieder weg vom Linear-Minimalistischen hin zu runden Formen und opulenten Farben und Materialien. Ein Trend, der dem Konzept für die Josefine entgegenkam?
Bei diesem Hotel war es von Anfang an Thema, das Frivole auszureizen. Es sollte auf keinen Fall kitschig sein, aber auf einem schmalen Grat dahinschrammen. Das Design erregt natürlich Aufmerksamkeit und polarisiert, auch weil es etwas riskiert und bewusst weggeht von diesem Minimalismus. Es war auch der Bestand, der das hergegeben hat. Das Haus wurde in den letzten Jahrzehnten ziemlich verbaut, aber es hat eine gute Substanz, und die haben wir hervorgearbeitet. Das Frivole, dieses Blumige, Plüschige war für mich einfach das richtige Thema für dieses Hotel. Und ganz wichtig ist das Wienerische, das sich wie ein roter Faden durchs Konzept zieht.
Was war die größte Befriedigung beim Umbau?
Auf viele Dinge sind wir während des Umbaus erst gestoßen. Beim Abtragen der Zwischendecken zum Beispiel kamen die wunderschönen Deckenbögen zum Vorschein, die man herausarbeiten konnte. In der Bar sind wir bei den Umbauarbeiten auf einen Brunnen gestoßen. So haben wir auch laufend Änderungen am Entwurf gemacht, je nachdem was wir entdeckt haben.
Was war die größte Herausforderung?
Im Laufe der Jahrzehnte wurde viel verstellt und angestückelt, sodass viele Elemente, wie etwa der Stuck, immer nur halb vorhanden waren. Aber die größte Herausforderung war, dass wir ein stimmiges Bild finden, das dann auch ehrlich rüberkommt und nicht zu künstlerisch oder lifestylig wirkt. Wir mussten schauen, dass wir auf diesem schmalen Grat des Frivolen bleiben, ohne ins Bordell-Ambiente zu kippen. Es war ein sehr langer Designprozess, und es wurde viel hinterfragt. Beim Entwerfen der Möbel gab es zahlreiche Durchgänge, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden waren.
Gibt es schon Rückmeldungen, wie das Design ankommt?
Ja, das Hotel ist zu einer wahnsinnig begehrten Fotoshooting- und Film-Location geworden. Jetzt war gerade Palmers zum Fotografieren eingemietet. Das Setting ist natürlich sehr instagrammable, und die sozialen Medien sind voll von Bildern aus der Josefine.
Interview: Gertraud Gerst
Fotos: Tina Herzl, Jenny Koller